„Schwarze Null“ statt nachhaltiger Finanzen Es ist nicht nur die öffentliche Infrastruktur, die verfällt

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Erhebliche Folgewirkungen

Ein Bild, welches sich mit dem subjektiven Gefühl der Bevölkerung decken dürfte. Immer wenn ich in Nachbarländern unterwegs bin, mit der Schweiz sicherlich als auffälligstem Beispiel, erlebe ich deutlich den Unterschied. Dabei ist es nicht nur die öffentliche Infrastruktur, die verfällt. Deutsche Schulen leiden nicht nur an undichten Dächern und kaputten Toiletten, sondern auch an Lehrermangel und unzureichender technischer Ausstattung. Die Bundeswehr ist eine Lachnummer ohne funktionsfähiges Material. Es fliegt, schwimmt und fährt fast nichts mehr und die Soldaten haben nicht mal ausreichend Winterbekleidung!

Wir haben eine öffentliche Infrastruktur, die nun wahrlich nicht zum politischen Kampagnenimage des „reichen Landes“ passt. Arme Privathaushalte, armer Staat, armes Deutschland wäre meine Zusammenfassung. Abgewirtschaftet von einer Politik, die trotz rekordhoher Abgabenbelastung nicht in der Lage ist, die Gelder für die Sicherung der Zukunft einzusetzen.

[…]

Die Folgewirkungen sind erheblich:

·         Die öffentliche Infrastruktur verfällt, und zwar nicht nur die bauliche, sondern auch im Bereich der Bildung (Lehrer), da auch dort die Ausgaben seit Jahren gesunken sind.

·         Unternehmen investieren weniger hierzulande – Stichwort: rückständige digitale Infrastruktur –, weil die Umfeldbedingungen nicht mehr adäquat sind.

·         Die Überschüsse des Staates drängen die Ersparnisse der hiesigen Bevölkerung ins Ausland.

·         Die Tendenz zu Exportüberschüssen wird gefördert und damit das Ungleichgewicht unserer Volkswirtschaft verstärkt, was wiederum das Risiko von Protektionismus und Spannungen im Euroraum erhöht.

·         Die schlecht verzinslichen und hoch risikobehafteten Forderungen gegenüber dem Ausland wachsen so weiter an.

Die „schwarze Null“ hätte man auch auf anderem Wege erreichen können, indem man statt an Investitionen an staatlichem Konsum gespart hätte. Wann, wenn nicht im Boom, hätte die Regierung die Sozialausgaben zurückführen können und müssen? Dann wäre das Lob für Wolfgang Schäuble berechtigt. So war es ein bequemer Weg, der uns auf verschiedene Weise noch teuer zu stehen kommen wird.

Staatsschulden sind nicht schlecht

Das führt zu der Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, um jeden Preis im Staatshaushalt zu sparen. Zweifel sind angebracht. Natürlich soll ein Staat nicht übermäßig Schulden machen und gezielt auf einen Staatsbankrott hin wirtschaften. Ein gewisses Maß an Verschuldung ist jedoch mit Blick auf die Verwendung der inländischen Ersparnis nicht falsch. Nicht zu Unrecht waren die Maastricht-Kriterien ein Schuldenstand von maximal 60 Prozent des BIP und ein laufendes Defizit von maximal 3 Prozent. Bei einem Schuldenstand von 60 Prozent und einem damals noch normalen Zinsniveau von 5 Prozent kann der Staat sich jedes Jahr nämlich das Geld für die Zinszahlungen leihen und die Schuldenquote bleibt bei einem Nominalwachstum von 3 Prozent unverändert. Allein dies führt schon zu der Frage, ob es sinnvoll ist, wie jetzt geplant, auch nach der Erreichung der Zielmarke beim Schuldenstand von 60 Prozent vom BIP weiter an der „schwarzen Null“ festzuhalten.

[…]

Da die privaten Haushalte mit Blick auf die Altersvorsorge in der Tat sparen sollen, bleibt nur eine Reduktion der Ersparnisse der Unternehmen durch entsprechende Investitionsanreize oder eine höhere Besteuerung und ein Defizit des Staates. Eine zusätzliche Belastung der privaten Haushalte verbietet sich von selbst, weshalb die ganze Steuererhöhungsdiskussion grundfalsch ist. Wir brauchen keine höhere Steuer für „Reiche“, wir brauchen keine Abschaffung der Abgeltungssteuer, keine höhere Erbschaftssteuer und auch keine Vermögenssteuer. Wir brauchen Unternehmen, die mehr investieren – oder eben, wenn sie es nicht tun, mehr Steuern zahlen –, und einen Staat, der mehr ausgibt.

Und zwar:

·         für eine breite Entlastung der Steuerzahler;

·         für eine Investitionsoffensive in Infrastruktur von Straßen bis schnelles Internet;

·         für eine Bildungsoffensive, um die nächste Generation fit zu machen für die Industrie 4.0;

·         für die Korrektur sozialer Probleme, vor allem wiederum die Verbesserung der Chancengleichheit durch bessere Bildung für alle.

Das Geld dafür ist da und es ist allemal besser, es im Inland auszugeben, als es im Ausland zu verlieren.

 […]

Was mich zu dem sehr ernüchternden Schluss führt: Obwohl wir dem Staat im Vergleich zu anderen Ländern einen sehr erheblichen Anteil unserer Einkünfte abtreten, sind wir mit Blick auf das vom Staat verwaltete Vermögen schlecht aufgestellt. Die Infrastruktur verfällt, die Bundeswehr ist alles, nur nicht wehrfähig und die Bildungssysteme befinden sich in einer tiefen Krise.

Damit reduziert sich das Wachstumspotenzial Deutschlands und somit die Fähigkeit, in Zukunft höhere Lasten zu schultern. Die Politiker bevorzugen Konsum statt Investition und setzen auf Umverteilung von Wohlstand, statt Schaffung von Wohlstand.

Derweil wachsen die Schulden des Staates weiter an, weil die Politiker die Zusagen für künftige Leistungen erhöhen, was nur mit deutlich steigenden Schulden oder Abgaben zu finanzieren ist.

Beides führt zu einer Minderung der Privatvermögen in der Zukunft.

Sie lesen ein Auszug aus Daniel Stelters neuem Buch „Das Märchen vom reichen Land – Wie die Politik uns ruiniert“, das am 10. September im Münchener Finanzbuchverlag (FBV) erscheint.

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