Seehofer und das neue BAMF McKinsey als Sündenbock für Politikversagen

Horst Seehofer & der BAMF-Skandal: McKinsey als Sündenbock Quelle: REUTERS

Bundesinnenminister Horst Seehofer beruft einen neuen BAMF-Chef - und will keine McKinsey-Berater mehr. Das ist kein Verwaltungsakt, sondern ein Signal für den Bruch mit dem „Flüchtlingsmanagement“ von 2015.

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Die Botschaft, die der Bundesinnenminister im Zusammenhang mit der Affäre um das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vermutlich aussenden wollte, dürfte angekommen sein. „Seehofer schmeißt McKinsey raus“. So oder ähnlich lauteten die Überschriften in der Presse unter Berufung auf eine Äußerung Seehofers in einer CSU-Vorstandssitzung. Das klingt nach Bereinigung eines Missstandes durch Entfernen, also Kündigung des klar benennbaren Verantwortlichen.

„Wir sind über keine Veränderung des Vertrags mit dem BAMF informiert worden“, heißt es derweil bei McKinsey in Düsseldorf.  Der Minister oder sein designierter neuer BAMF-Chef müssen müssen die Beratungsgesellschaft auch gar nicht „rausschmeißen“ oder einen Vertrag kündigen, um die Zusammenarbeit mit ihr zu beenden. Die so genannten Meckies beraten die Behörde nämlich auf der Basis eines Rahmenvertrages, der bis 2020 läuft und ein bestimmtes Kontingent an Beratungsleistungen umfasst, das aber nur bei Abruf geleistet und bezahlt wird. Wenn Seehofers neu installierter Behördenleiter Hans-Eckard Sommer nun auf Wunsch seines Ministers keine Beratung mehr abruft, so kann er das demnach ohne Kündigung tun. Dazu wäre auch keine Ankündigung in der Presse nötig gewesen.

Es ist offensichtlich, dass es Seehofer weniger darum geht, Missstände in der Behörde zu beseitigen, sondern das politische Signal des Bruchs zu senden. Das „neue“ BAMF unter Seehofer soll möglichst wenig mit dem „alten“, von Skandalen und unzähligen Missständen geprägten BAMF der Jahre ab 2015 verbinden – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung.

Ohne McKinsey ist es auch nicht besser

Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob durch den Verzicht auf McKinsey in der Sacharbeit des BAMF irgendetwas gewonnen ist. Das Amt war schon vor 2015 tendenziell überfordert und ist es erst Recht seither. Den Vorwurf, dass die Entscheider dort keine juristisch niet- und nagelfesten Asylbescheide „produzieren“ und man ab September 2015 unter der Leitung Frank-Jürgen Weises und mit Unterstützung McKinseys auf Schnelligkeit statt Qualität gesetzt habe, kann niemand von der Hand weisen. Aber: Was war denn auch zu erwarten angesichts Hunderttausender neuer Flüchtlinge und der merkelschen Devise „Wir schaffen das“? Die Bundesregierung hatte zuvor jahrelang die Rufe aus dem BAMF nach mehr Personal angesichts spürbar steigender Zuwanderungszahlen ignoriert. Gleichzeitig tat die Bundesregierung nichts, um den Zustrom zu bremsen – eher im Gegenteil.

Die Bundeskanzlerin und ihre Minister haben im September 2015 die politische Entscheidung getroffen, den Flüchtlingszustrom nicht mit polizeilichen Maßnahmen an der Grenze zu drosseln, was eigentlich in der Nacht des 13. September geplant war. Letztlich aus Furcht vor hässlichen Bildern, wie Robin Alexander in seinem Buch „Die Getriebenen“ nachweist. Gleichzeitig interpretierte man von da an die so genannte Flüchtlingskrise von einer eigentlich politischen zu einer Managementaufgabe um. Frank-Jürgen Weise wurde zum „Beauftragten für Flüchtlingsmanagement“ berufen.

Dass ein Flüchtlingsmanager die Hilfe von Managementberatern in Anspruch nimmt, ist dann nicht mehr verwunderlich oder verwerflich. Ebenso wenig, dass die Berater die Abläufe vor allem durch Einführung von Bearbeitungsschemata und strengen Zeitvorgaben beschleunigen. Konnte man wirklich etwas anderes erwarten?
Wer die Zustände im BAMF und die Effizienzmaßnahmen der McKinsey-Berater kritisiert, landet konsequenterweise immer eine Ebene höher: bei der Kanzlerin und ihrem „Wir schaffen das“. Seehofers – zumindest signalisierter – Radikalschnitt beim BAMF ist letztlich also nicht in erster Linie eine Verwaltungsmaßnahme, sondern eine politische. Das BAMF wird ohne McKinsey wohl kaum juristisch besser abgesicherte Asylbescheide erteilen. Seehofer nutzt die Absage an McKinsey als Streich in seiner großen politischen Attacke auf die Bundeskanzlerin. Es ist ein Teil der groß angelegten „Asylwende“, die Seehofer, die CSU und Teile der CDU durchsetzen wollen.

Die Sündenbockrolle, die McKinsey offenbar sowohl vom Bundesinnenminister als auch von Mitarbeitern des BAMF und anderen zugedacht wird, nimmt man in der Unternehmenszentrale in Düsseldorf derweil gelassen: „Wir überprüfen kontinuierlich, wie sehr wir einen Klienten mit unserer Arbeit weitergebracht haben. Das machen wir auch beim BAMF und sehen keinen Grund, mit unserer Leistung unzufrieden zu sein.“

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