
Die öffentlichen Kassen in Deutschland füllen sich wie lange nicht mehr: Vor allem dank des robustes Arbeitsmarkts hat der deutschen Staat im ersten Halbjahr 2014 einen Überschuss von 16,1 Milliarden Euro erzielt. Über so ein dickes Plus konnten sich die Kassenwärter seit der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen im zweiten Halbjahr 2000 nicht mehr freuen - und dies war damals anders als jetzt ein Sondereffekt.
Wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte, schlossen die Haushalte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung das Halbjahr nach vorläufigen Ergebnissen mit einer Überschussquote von 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung ab. Auch das ist der höchste Wert seit 2000, betonte ein Statistiker.
Wie der deutsche Haushaltsüberschuss zustande kam
Sie sind die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Mit 329,5 Milliarden Euro machten sie gut die Hälfte der gesamten Erlöse aus. Das entspricht einem Plus von 3 Prozent. Die Einnahmen aus der Lohnsteuer wuchsen dabei um 5 Prozent, was vor allem der wachsenden Beschäftigung und steigenden Löhnen zu verdanken ist. Noch stärker kletterten die Einkünfte aus der Einkommenssteuer mit 8,3 Prozent, in die auch Steuern auf Mieteinnahmen oder Zinserträge einfließen. Bei der Gewerbesteuer (- 1,1 Prozent), der Kapitalertragssteuer (-1,0) und der Körperschaftssteuer (-6,8) stand dagegen ein Minus zu Buche. Wegen des robusten Konsums stieg das Aufkommen aus der Mehrwertsteuer um 3,7 Prozent.
Die Sozialbeiträge an den Staat - von der Arbeitslosen- bis zur Krankenversicherung - zogen um 3,4 Prozent auf 233,7 Milliarden Euro an. Auch dazu trugen höhere Löhne und eine steigende Beschäftigung bei. Die Löhne der gut 19 Millionen Tarifbeschäftigten erhöhten sich zum Beispiel im zweiten Quartal mit durchschnittlich 2,6 Prozent so kräftig wie seit über einem Jahr nicht mehr. Gleichzeitig wurden 42,5 Millionen Erwerbstätige gezählt - 340.000 mehr als ein Jahr zuvor.
Am deutlichsten erhöhten sich die Einnahmen des Staates - der an vielen Unternehmen beteiligt ist - bei den Ausschüttungen. Diese verdoppelten sich nahezu. Hauptursache hierfür ist eine deutlich gestiegene Überweisung der Bundesbank an den Bund: Sie schickte 4,6 Milliarden Euro ihres Gewinns nach Berlin - nach rund 600 Millionen ein Jahr zuvor.
Die Ausgaben des Staates erhöhten sich unterdessen im ersten Halbjahr um 2,5 Prozent auf 620,8 Milliarden Euro. Das meiste Geld gibt der Staat für monetäre Sozialleistungen aus - von Pensionen bis zu Arbeitslosen- und Kindergeld. Diese kletterten um 1,7 Prozent. Für seine Mitarbeiter gab der Staat 2,9 Prozent mehr aus. Die Bruttoinvestitionen - etwa für den Straßen- und Wohnungsbau - legten um 16,5 Prozent. Deutlich weniger musste für Zinsen aufgewendet werden: Diese Kosten fielen um 9,3 Prozent, da deutsche Staatsanleihen als sehr sicher gelten und Investoren dafür bereit sind, auf Rendite verzichten.
Besonders der Bund profitierte von sprudelnden Steuereinnahmen dank der sehr günstigen Beschäftigungssituation. Zudem schüttete die Bundesbank 4,6 Milliarden Euro aus nach nur 600 Millionen im ersten Halbjahr 2013: Mit einem Überschuss von 4,0 Milliarden Euro gelang es dem Bund erstmals seit 1991, in der ersten Hälfte eines Jahres ein positives Ergebnis zu erzielen.
Auch wenn der Arbeitsmarkt weiterhin brummt: Im zweiten Quartal haben die Krisen rund um den Globus die deutsche Wirtschaft gebremst. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank von April bis Ende Juni 2014 im Vergleich zum Vorquartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt am Montag mit und bestätigte damit vorläufige Berechnungen. Für die größte europäische Volkswirtschaft ist dies der erste Rückschlag seit Anfang 2013, als das BIP um 0,4 Prozent schrumpfte.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Länder verfehlen nur knapp
Neben dem Bund erwirtschafteten auch Gemeinden und Sozialversicherungen von Januar bis Juni ein Plus. Der Überschuss der Gemeinden belief sich auf 5,3 Milliarden Euro, die Sozialversicherung nahmen 7,1 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Die Länder verfehlten mit einem Defizit von 0,2 Milliarden Euro nur knapp einen ausgeglichenen Haushalt.
Mit dem satten gesamtstaatlichen Plus ist Deutschland derzeit weit von der Defizit-Marke von 3,0 Prozent des BIP entfernt, die der Maastricht-Vertrag maximal erlaubt. 2013 hatten öffentlichen Kassen in Deutschland nach der neuen Berechnungsmethode einen Überschuss von 0,3 Prozent des BIP erwirtschaftet.
Importe steigen schneller
Im Frühjahr belebte allein der Konsum die Wirtschaft. Sowohl die privaten als auch die staatlichen Konsumausgaben (jeweils + 0,1 Prozent) waren höher als im ersten Quartal 2014. Hingegen gingen die Investitionen zurück: In Ausrüstungen wie Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge wurde 0,4 Prozent weniger investiert als im Vorquartal, die Bauinvestitionen sanken deutlich um 4,2 Prozent.
Die Statistiker begründeten dies mit Vorzieheffekten im ersten Quartal wegen des ungewöhnlich milden Winters. Auch der Außenhandel bremste die Konjunktur, weil die Importe schneller stiegen als die Exporte.
Dank des starken Jahresauftakts ergibt sich für das erste Halbjahr insgesamt preis-, saison- und kalenderbereinigt ein BIP-Plus von 0,8 Prozent gegenüber der zweiten Jahreshälfte 2013. Im Vergleich zum Vorjahr wuchs die Wirtschaft kalenderbereinigt um 1,2 Prozent.
Erstmals wendete das Bundesamt neue europäische Regeln zur Berechnung des BIP an. Damit wird die Wirtschaftsleistung nun auch durch Drogenhandel, Zigarettenschmuggel oder Waffenkäufe erhöht. Die wichtigste Änderung betrifft Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Sie werden nicht mehr als Vorleistungen, sondern als Investitionen verbucht. Da die Statistiker ihre gesamte Zahlenreihe seit 1991 nach den neuen Regeln aktualisieren, verändert sich zwar das BIP-Niveau. Der Effekt auf die deutschen Wachstumsraten ist aber gering. Die neuen Regeln sind vom 1. September an für die Staaten der Europäischen Union verbindlich.