„Sichere Herkunftsländer“ Bundesländer streiten über Einstufung der Maghreb-Staaten

Betroffen sind Algerien, Tunesien und Marokko: In einer Woche will der Bundesrat darüber abstimmen, ob die Maghreb-Länder zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden. Doch das Vorhaben steht auf der Kippe.

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Der baden-württembergische Ministerpräsident (Grüne) gehört zu den Skeptikern, was die Einstufung der Maghreb-Staaten als „sichere Herkunftsländer“ betrifft. Quelle: dpa

Stuttgart, Berlin Eine Woche vor der Abstimmung im Bundesrat stößt die geplante Einstufung von Tunesien, Algerien und Marokko als „sichere Herkunftsstaaten“ bei Bundesländern mit grüner Regierungsbeteiligung auf Ablehnung. „Das machen wir so nicht mit“, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) am Donnerstag.

Auch die Grünen in Nordrhein-Westfalen wollen das Vorhaben der Bundesregierung ablehnen; bei mehreren anderen Ländern zeichnet sich eine Enthaltung ab. In Baden-Württemberg droht wegen der Frage ein handfester Koalitionsstreit zwischen Grünen und CDU.

Im Gegensatz zum Koalitionspartner hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) weiter Vorbehalte gegen die geplante Neuregelung. „Es ist noch nicht entschieden, wie sich Baden-Württemberg positioniert“, sagte ein Regierungssprecher. Kretschmann sei noch „in der Abwägung und Prüfung“, hieß es im Stuttgarter Staatsministerium. Die Informationen aus dem Auswärtigen Amt, die Kretschmanns Haus eingeholt hatte, seien nicht voll zufriedenstellend.

Der Stuttgarter Innenminister Thomas Strobl (CDU) dringt dagegen auf Zustimmung. „Der Koalitionsvertrag ist kaum vier Wochen alt und die Tinte ist praktisch noch feucht – da gehe ich schon davon aus, dass alle vertragstreu sind und sich an den Koalitionsvertrag halten“, sagte er. Darin heißt es, die Regierung werde eine Ausweitung der „sicheren Herkunftsländer“ unterstützen, „falls die entsprechenden hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen“.

Die Einstufung der drei nordafrikanischen Länder als „sichere Herkunftsstaaten“ zielt darauf ab, Asylverfahren zu beschleunigen und Schutzsuchende aus diesen Staaten schneller zurückschicken zu können. Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, hat in der Regel kein Recht auf Asyl.


Keine Einigung in Sachsen-Anhalt

Der Bundestag hatte das Gesetzesvorhaben Mitte Mai gebilligt. Die Opposition stimmte damals mit Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen in den drei Maghreb-Staaten geschlossen gegen den Entwurf. Der Bundesrat befasst sich kommenden Freitag (17. Juni) damit. Die Grünen sind in 10 der 16 Landesregierungen vertreten.

Die rot-grüne Regierung in Schleswig-Holstein hat sich bereits auf ein Nein festgelegt. Der Grünen-Vorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Sven Lehmann, kündigte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstag) ebenfalls an, das Vorhaben abzulehnen. Auch die Grünen in Thüringen sind gegen die Neuregelung. Man werde sich deshalb im Bundesrat voraussichtlich der Stimme enthalten, sagte Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. In Bremen zeichnet sich eine Ablehnung ab.

Rheinland-Pfalz, das einzige Land mit einer Ampelkoalition, wird darüber am kommenden Dienstag entscheiden. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte sich vor einigen Monaten offen für eine Einstufung der drei afrikanischen Länder als sichere Herkunftsländer gezeigt, während die Grünen skeptisch waren und Bedingungen gestellt hatten – zum Beispiel, dass es in den Ländern keine politische Verfolgung geben dürfe.

Keine Einigung zeichnet sich in der schwarz-rot-grünen Koalition in Sachsen-Anhalt ab. Der Koalitionsausschuss beriet am Dienstag über das Thema, fasste aber keinen Beschluss, wie aus Parteikreisen verlautete. Damit dürfte sich das Land im Bundesrat voraussichtlich der Stimme enthalten. Das Abstimmungsverhalten der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen ist noch offen.

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