Sicherheitsgebühren Die Airline-Vertreter wirbeln viel heiße Luft auf

Der Bund will die Sicherheitsgebühr für Airlines künftig übernehmen. Die würden davon allerdings kaum profitieren. Der Schaden für die Deutsche Bahn wäre hingegen groß.

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Wo Deutschland fliegt
Flughafen Frankfurt-Hahn Quelle: dpa
Flughafen Tegel (Berlin) Quelle: REUTERS
Flughafen Schönefeld (Berlin) Quelle: dpa
Flughafen Düsseldorf Quelle: dpa
Flughafen Köln-Bonn Quelle: dpa
Flughafen Hamburg Quelle: dpa
Flughafen Memmingen Quelle: imago images

Carsten Spohr fühlt sich, als müsse er mit besonders schwerem Ballast fliegen. Der Lufthansa-Chef betont bei jeder Gelegenheit, Deutschland habe weltweit die höchsten Infrastrukturkosten überhaupt.

Daher lautet seine Forderung an die Politik, sie solle Fluglinien zumindest von einem Teil der Sicherheitskosten am Boden entlasten. Spohrs Argument: Dabei handele es sich um „Staatsaufgaben“, die nicht voll von den Fluggesellschaften zu tragen seien. Und er verweist auf Vergleichsfälle. Die Bahn beispielsweise trage nur 20 Prozent der für ihren Betrieb nötigen Sicherheitskosten, Fußballvereine zahlten gar nichts.

Spohrs Klagen finden offenbar Gehör. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) plant nach Informationen der WirtschaftsWoche, der heimischen Luftverkehrsbranche unter die Flügel zu greifen. Bis Ende des Jahres will er ein Luftfahrtkonzept vorlegen. Das Papier sieht vor, die Branche mit „diversen Maßnahmen zu unterstützen“, heißt es im Ministerium. Vor allem die Luftsicherheitsgebühr solle ganz oder teilweise vom Bund übernommen werden. Damit darf die Branche auf eine von ihr seit Jahren geforderte staatliche Entlastung hoffen.

Bester Flughafen Deutschlands Geschäftsreisende

Es geht um eine Menge Geld. Airlines haben dem deutschen Staat im vergangenen Jahr knapp 500 Millionen Euro überwiesen, damit er die Sicherheit an Deutschlands Flughäfen garantiert. Heimische Fluglinien tragen davon etwa 65 Prozent. Sie werten Dobrindts Manöver als positives Signal für den Luftfahrtstandort Deutschland. Ihr Argument: Die hohen Luftsicherheitskosten gingen „überproportional“ zulasten deutscher Unternehmen, die so „im internationalen Wettbewerb insgesamt benachteiligt“ würden, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL).

Doch damit wirbeln die Airline-Vertreter viel heiße Luft auf. Die Sicherheitsgebühr benachteiligt deutsche Fluggesellschaften nämlich weit weniger als angenommen. Zwar zahlen die Fluggesellschaften damit die Kosten für die Passagier- und Gepäckkontrolle an deutschen Flughäfen. Doch Aufwendungen für den bewaffneten Schutz der Sicherheitschecks und den Einsatz von Bundespolizisten sind nicht Teil der Abmachung. Es ist also mitnichten so, dass die Airlines sämtliche Sicherheitskosten „voll“ tragen, wie Spohr suggeriert.

Zudem geben die Fluggesellschaften die Gebühren für die Sicherheit ohnehin zum Großteil an ihre Kunden weiter. Der Zuschlag ist auf der Ticketrechnung ausgewiesen – und variiert von Flughafen zu Flughafen. In Hahn sind es 4,40 Euro pro Passagier, in Kassel-Calden 10,00 Euro. Große Airports wie Hamburg und Düsseldorf nehmen rund 5,50 Euro pro abgefertigten Passagier, Frankfurt 9,10 Euro. Im Schnitt zahlt ein Passagier pro Flug rund 7,00 Euro für die Gepäck- und Sicherheitskontrolle.

Die Bahn zahlt auch

Damit liegen die Gebühren über den Vorgaben im Ausland. So zahlen Fluggäste in Italien etwa nur 2,68 Euro, in Spanien 3,78 Euro pro Flug. Doch bei einem etwa 1000 Euro teuren Interkontinentalflug nach Asien fallen selbst neun Euro ab Frankfurt kaum ins Gewicht. Und Airlines, die von deutschen Flughäfen abfliegen, zahlen unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Lufthansa und Air Berlin sind im Vergleich zu Ryanair also nicht benachteiligt. „Die Gebühr an sich stellt keine Wettbewerbsverzerrung dar“, sagt Alexander Eisenkopf, Verkehrsökonom an der Zeppelin Universität. „Es riecht eher nach Klientelwirtschaft.“

Geschäftszahlen europäischer Fluglinien

Spohrs Arbeitgeber könnte nämlich tatsächlich profitieren, nur anders als gedacht. Vor allem auf lukrativen Strecken wie der Verbindung zwischen Frankfurt und Hamburg, wo die Lufthansa kaum einen Wettbewerber zu fürchten hat, kann der Konzern komplett die eingesparte Luftsicherheitsgebühr kassieren.

Außerdem träfe so eine politische Initiative nicht Billigairlines aus dem europäischen Ausland und den Emiraten, sondern vor allem die Deutsche Bahn. Sie steht auf innerdeutschen Strecken mit Fahrtzeiten von drei bis fünf Stunden wie von Köln nach Berlin in direktem Wettbewerb mit der Lufthansa, Air Berlin und Ryanair.

Europas größte Billigflieger

Die Airline-Lobby tut, als sei die Bahn ohnehin überprivilegiert. „Bei der Eisenbahn hat der deutsche Gesetzgeber per Rechtsverordnung die Gebühren der Deutschen Bahn AG auf 20,83 Prozent der Kosten für die Erfüllung bahnpolizeilicher Aufgaben gedeckelt“, schreibt der BDL. Gestärkt fühlen sich die Verbandsvertreter durch den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht die entsprechende Rechtsverordnung mittlerweile gekippt hat. Die Bahn zahlt aktuell also nicht einmal einen einzigen Euro für den Schutz der Bahnanlagen durch Bundespolizisten – genauso wenig wie dies Airlines am Flughafen tun.

Doch die Fluggesellschaften verschweigen, dass die Bahn durchaus einen erheblichen Teil ihrer Sicherheitskosten trägt. So beschäftigt der Schienenkonzern 3700 Sicherheitsleute, betreibt Sicherheitszentralen und installiert Videokameras. Dafür zahlt die Bahn rund 160 Millionen Euro – jedes Jahr.

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