Sigmar Gabriel am Fraunhofer Institut Industrie 4.0 und Ostdeutschland – passt das zusammen?

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"In Deutschland erfunden, in Japan umgesetzt - das darf nicht passieren“

Da hakt Wirtschaftsminister Gabriel ein: „Wie rentiert sich das eigentlich für Fraunhofer?“ Ihn treibt dabei nicht nur die Sorge um den verdienten Lohn für die Wissenschaftseinrichtung, sondern auch um das Verhältnis öffentlicher und privater Investitionen. Schließlich wird ein Teil der Entwicklung mit Steuergeldern finanziert.

„Das Geschäft machen dann die Partner oder ausgegründete Unternehmen.“ Institutschef Tünnermann widerspricht: „Da muss man über Lizenzierung sprechen.“ Doch Gabriel lässt nicht locker und erinnert warnend an die Technologie des MP3-Players (entwickelt am Fraunhofer Institut) und an den Katalysator: „In Deutschland erfunden, in Japan umgesetzt. Das darf uns nicht zu oft passieren.“

Intelligente Assistenten für das neue Maschinen-Zeitalter haben nicht nur im Verkehr eine Zukunft, sondern auch in Industrie und Handwerk. „Assistierte Montage“ wird ein Arbeitsplatz der Zukunft sein, den Gabriel in Jena schon mal ausprobieren kann. Über dem Arbeitsplatz erscheint auf dem Bildschirm das Werkstück. Jedes weitere Bauteil wird dort angezeigt, kann anhand der eingeblendeten Hilfslinien an die richtige Stelle positioniert und verschraubt werden.

Gabriel findet das hilfreich. „Meine handwerklichen Fähigkeiten sind eher unterdurchschnittlich ausgebildet“, gibt der SPD-Vorsitzende zu. Aber für einen Sozialdemokraten sollten zwei linke Hände kein Problem sein.

Vollautomatische Fertigung bei ThyssenKrupp

Die unternehmerische Anwendung von „Industrie 4.0“ schaut sich Gabriel in Schönebeck bei Magdeburg an. ThyssenKrupp fertigt dort Lenksysteme für nahezu alle Automobilhersteller. Inzwischen weitgehend vollautomatisch. Der Maschinist legt nur noch die Bauteile auf ein Montagetablett, den Rest erledigt die Fertigungsstraße. Jedes Einzelteil wird vermessen und geprüft, sie werden zusammengefügt und verschraubt.

So wird der „ZB-Kugelmutterkörper“- ein toller Fachbegriff – vollautomatisch produziert und weiterverarbeitet. Am Ende rechnet die Anlage aus, welche der 27 Kugelsorten – abgestuft in tausendstel Millimetern – in das Kugellager eingebaut werden müssen, um das optimale Ergebnis zu erzielen. Gabriel staunt, dass trotz höchster Automation „offenbar jedes Stück verschieden ist“. Ein Problem sei das nicht, belehrt ihn Patrick Vith von ThyssenKrupp. „Wir verkaufen nicht Teile, sondern Eigenschaften und Spezifikationen wie Lenkgenauigkeit und Fahrkomfort.“

Ein wenig alltäglichen Realismus konnte freilich auch der verbesserungsfähige Roboter in Jena bieten, der später mal Alte pflegen oder zumindest unterstützen könnte. „Ich folge Dir“, sagt die Stimme vom Chip, als Gabriel den Arm des Technikwunders anhebt. Wieder macht das Maschinchen einige wackelige Schritte, dann fällt er unplanmäßig auf die Knie.

Den Minister kann das nicht erschüttern. „Das macht meine Tochter auch immer. Die wirft sich erstmal auf den Boden und sagt Nein, wenn ich sage, sie soll mir folgen.“

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