Sigmar Gabriel auf Sommerreise Der Wirtschaftsminister spielt alles oder nichts

Seite 2/2

Kämpferisch und entschlossen

Seinen Humor immerhin hat der SPD-Chef nicht verloren. Aber was soll er auch tun? Zum Aufgeben ist es wohl zu spät, zumal ihm die Debatte bei den Gewerkschaften momentan eher nützt, kann er sich doch als Kämpfer für Arbeitsplätze inszenieren. Er will deshalb die ganze Sache höchstrichterlich klären lassen - und hofft wohl insgeheim, dass das Urteil erst nach der Bundestagswahl kommt.

All das wirkt kämpferisch und entschlossen. Und tatsächlich scheint es, als habe sich der SPD-Chef und wahrscheinliche Kanzlerkandidat genau das im Urlaub vorgenommen. Seine Volten beim europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen? Kein Grund zur Unruhe, meint Gabriel. Er werde die SPD beim Parteikonvent, der am 19. September in Wolfsburg tagt, schon überzeugen. Schließlich sei Ceta das beste Freihandelsabkommen, das die EU je verhandelt habe. Und die drohenden schlechten Ergebnisse bei den anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin? Die Union mache ja auch keine besonders gute Figur, glaubt man im Willy-Brand-Haus.

Und dennoch: Wenn alles schief läuft, wenn die Landtagswahlen im September verloren gehen und der Ceta-Protest noch lauter wird, dann dürften die 250 Genossen in Wolfsburg das für eine Generalabrechnung mit ihrem Parteichef nutzen. Es wäre der denkbar schlechteste Auftakt für einen Wahlkampf mit Kanzlerkandidat Gabriel. Womöglich wäre seine Autorität so angekratzt, dass er zurückziehen müsste. Dann aber könnte er sich auch als Parteichef kaum noch halten.

Die SPD-Führung

Andererseits: Einen wirklichen Konkurrenten gibt es derzeit nicht. Gabriel selbst hat immer wieder angeboten, zurückzustecken, wenn ein besserer Kandidat und Parteichef als er in Sicht sei. Das ist momentan nicht der Fall. Und das weiß die SPD. Zumal: wenn tatsächlich alles gut läuft für ihn, stünde er Ende September stärker da als je zuvor und wäre der unangefochtene Kanzlerkandidat der SPD.

Er spielt alles oder nichts. Und er spielt es gern. Gabriel hat sich deshalb vorgenommen, die kommenden Wochen offensiv anzugehen: Er will siegessicher wirken und nicht schon wieder will er das Bild eines angekratzten, angeschossenen Wirtschaftsministers abgeben. Also holt er sich auf der Sommerreise noch schnell die passenden Bilder ab: Salzgitter, Stahlwerk. Gabriel steht vor einem Hochofen und lässt sich die Produktion von Premium-Stahl erklären. Industriepolitik, sagt er, sei ja erst wieder mit ihm ins Bundeswirtschaftsministerium eingezogen. „Wir müssen aufpassen, dass solche Industrie hier erhalten bleibt. Auch gegen die Konkurrenz aus China und Russland, die den Markt mit Billigstahl überschwemmen.“

Das bringt ihm viel Applaus und schöne Bilder mit dem Betriebsratschef des Werkes. Und am Ende sogar ein Lob des Konzernchefs, der eigentlich ein CDU-Parteibuch hat, Gabriel aber sehr schätzt: „Lieber Herr Gabriel, bleiben Sie uns auch nach der Bundestagswahl erhalten“, sagt Heinz Jörg Fuhrmann, der Direktor der Salzgitter AG. Und schiebt hinterher: „Gerne auch weiterhin als Wirtschaftsminister.“

Womöglich liegt der Mann ja gar nicht so verkehrt. Und das weiß Sigmar Gabriel wohl auch.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%