Das von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geprägte Motto „Wir schaffen das“ reicht aus Sicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel zum Bewältigen der Flüchtlingskrise nicht aus. „Eigentlich muss der Satz lauten: Wir machen das“, sagte der Vizekanzler den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). „Einfach mal sagen „Wir schaffen das“, und dann die Sache einfach laufen lassen, ist ein großer Fehler gewesen.“
Man könne nicht eine Million Flüchtlinge ins Land lassen und sich dann weigern, Voraussetzungen für Bildung, Arbeit und innere Sicherheit zu schaffen. Merkel bekräftigte ihren Satz kürzlich auch nach den Anschlägen in Bayern, die von Flüchtlingen verübt wurden. Der Koalitionspartner CSU hat sich wiederholt von diesem Satz distanziert.
Bei der Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt setzt die Bundesregierung auf ein stärkeres Engagement der Wirtschaft. Merkel will darüber am 14. September mit den Chefs mehrerer Konzerne reden, wie die „Bild“-Zeitung (Samstagsausgabe) berichtet. An der Initiative „Wir zusammen“ beteiligte Firmen wie Siemens, Evonik, Opel, RWE und VW sollten dabei auch über bisherige Flüchtlings-Aktivitäten berichten.
Flüchtlinge: Das ist der Integrationskatalog der CDU
Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen Praktika mit Abweichungen vom Mindestlohn auf mindestens sechs Monate verlängert werden, um einen Berufseinstieg zu erleichtern. Schon heute sind Abstriche von den 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde bei betrieblichen Einstiegsqualifizierungen von bis zu zwölf Monaten möglich. Die CDU-Spitze verzichtete nach Protest der SPD und des Arbeitnehmerflügels der Union darauf, anerkannte Flüchtlinge mit Langzeitarbeitslosen gleichzustellen. Auch dann wäre eine Abweichung vom Mindestlohn von bis zu sechs Monaten möglich gewesen.
Quelle: CDU-Bundesvorstand / Reuters, Stand: 15.02.2016
Eine Anstellung in der Leiharbeitsbranche soll nach drei statt derzeit erst 15 Monaten möglich sein. Bei gemeinnützigen Organisationen soll stärker dafür geworben werden, Flüchtlinge in den von den Jobcentern geförderten Ein-Euro-Jobs zu beschäftigen.
Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und sogenannte subsidiär Schutzberechtigte sollen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht nur erhalten, wenn sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt sichern können. Auch der Familiennachzug soll von der erfolgreichen Teilnahme an Integrationskursen abhängig gemacht werden.
Die Hürde für eine frühe Teilnahme an Integrationskursen oder Förderprogrammen der Arbeitsagenturen noch vor Abschluss des Asylverfahrens soll höhergelegt werden. Laut dem im Oktober beschlossenen Asylpaket I reicht dafür bisher eine "gute Bleibeperspektive" aus. Diese wird bei Asylsuchenden aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von über 50 Prozent angenommen. Laut CDU-Papier soll "künftig eine 'sehr gute Bleibeperspektive' entscheidend sein, weil wir insbesondere Syrern und Irakern helfen wollen".
Die CDU strebt Gesetze von Bund und Ländern an, in denen verbindliche Integrationsvereinbarungen festgelegt werden sollen. In den Aufnahmeeinrichtungen sollen ein Basissprachkurs und ein Kurs zu Grundregeln des Zusammenlebens Pflicht sein und mit einem Abschlusstest versehen werden.
Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten soll ihr Wohnsitz zugewiesen werden, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern können. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn die Betroffenen am Wohnort ihrer Wahl einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung nachweisen können.
Die CDU will prüfen lassen, ob die Schulpflicht für Flüchtlinge ohne Schulabschluss über das bisher geltende Alter von 18 Jahren hinausgehen soll. Im Entwurf stand noch eine angestrebte Altersgrenze von 25 Jahren.
Den Zugang zum Arbeitsmarkt soll auch das Anfang August in Kraft getretene Integrationsgesetz verbessern. So sollen Schutzsuchende, die eine Ausbildung anfangen, während der gesamten Lehre und - sofern sie einen Job finden - mindestens zwei Jahre danach bleiben dürfen. Bei den Asylverfahren sieht der Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank-Jürgen Weise, inzwischen große Fortschritte. Weil Menschen nur noch Leistungen bekommen, wenn sie einen Ankunftsnachweis haben, kämen fast alle sehr schnell nach der Einreise in die sogenannten Ankunftszentren des BAMF. Dort könne über Anträge für etwa die Hälfte der neuen Fälle sehr schnell entschieden werden - in 48 Stunden bis zu einer Woche.
Ein so starker Andrang wie vor einem Jahr würde das Amt aber auch heute noch überfordern - trotz personeller Aufstockung. „Im Moment ist es noch ein angespannter Zustand“, sagte Weise der Deutschen Presse-Agentur. Aktuell arbeiteten in seiner Behörde knapp 8000 Mitarbeiter, etwa 2000 davon befristet. Doch ein Großteil davon sei noch nicht lange dabei. Sie müssten daher zunächst weiter qualifiziert werden. „Ein Teil der neuesten Mitarbeiter ist noch nicht so routiniert in ihren Aufgaben, dass ich im Moment sagen würde, wir könnten vergleichbar hohe Zahlen problemlos verkraften.“
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte ein EU-Notprogramm für Syrien und die Nachbarstaaten. „Mit einem EU-Flüchtlingsfonds, in den alle Länder einzahlen, die bei sich zu Hause weniger Flüchtlinge aufnehmen, einem EU-Sonderbeauftragten und einem EU-Flüchtlingshilfswerk könnten wir die Funktionstüchtigkeit der Europäischen Union beweisen“, sagte er dem Magazin „Focus“. Der Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dankte den deutschen Soldaten für ihren Einsatz zur Rettung schiffbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer. „Es ist ein ganz neuer Verteidigungsauftrag. Es geht um die Verteidigung unserer christlichen Werte“, sagte er am Samstag bei seinem Besuch auf dem Marine-Schiff „Werra“ im Hafen von Cagliari auf Sardinien.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry schlug vor, abgelehnte Asylbewerber auf Inseln außerhalb Europas unterzubringen. Das BAMF solle in eine „Rückwanderungsbehörde“ umgewandelt werden. „Diese bringt dann die illegalen Migranten und abgelehnten Asylbewerber auf zwei von der UN geschützten Inseln außerhalb Europas unter“, sagte Petry „Bild.de“.