
Die Sommerpause ist kurz für Spitzenpolitiker. Ein bisschen konnte SPD-Chef Sigmar Gabriel trotz Tengelmann-Ärgers und nahenden Landtagswahlen zwar ausspannen, seine diversen politischen Baustellen muss er aber schon vor September wieder angehen. Was den Wirtschaftsminister in den kommenden Wochen beschäftigen wird:
EDEKA/KAISER'S TENGELMANN: Hier drängt die Zeit. Bis 12. August muss Gabriel festlegen, ob er gegen das Urteil des Düsseldorfer Oberlandesgerichts vorgeht. Das hatte Gabriels Ministererlaubnis fürs Erste gestoppt, nachdem er die Fusion der Handelsketten gegen den Willen des Kartellamtes genehmigt hatte. Dem SPD-Chef zufolge geht es um bis zu 8000 Jobs. Edeka hat bereits eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof eingereicht. Das kann auch Gabriel tun.
Ministererlaubnis
Formell muss nach dem Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mindestens einer der Beteiligten eines Fusionsprojekts nach dessen Untersagung durch das Bundeskartellamt die Ministererlaubnis beantragen. Er kann dies innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Verbots der Wettbewerbswächter tun. Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrags soll der Minister entscheiden. Wird eine Erlaubnis erteilt, kann sie mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein. Die Entscheidung ist aber gerichtlich anfechtbar.
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist ein öffentliches Interesse an dem Zusammenschluss. Nach dem GWB muss die Fusion gesamtwirtschaftliche Vorteile bieten und/oder durch ein "überragendes Interesse" der Allgemeinheit gekennzeichnet sein. Diese übergeordneten Vorteile müssen die Nachteile für den Wettbewerb aufwiegen, wegen derer das Bundeskartellamt sein Veto einlegte. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten soll berücksichtigt werden.
An dem Verfahren für eine Ministererlaubnis werden auch Personen und Gruppen beteiligt, deren Interessen durch die Fusion erheblich berührt werden. Dazu gehören etwa Arbeitnehmer, Verbände, aber auch Konkurrenten. Vor einer Entscheidung über eine Ministererlaubnis muss die Monopolkommission - ein Expertengremium, das die Bundesregierung bei Wettbewerbsfragen berät - eine Stellungnahme abgeben. Deren Einschätzung ist allerdings nicht bindend. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem muss es eine öffentliche mündliche Anhörung geben.
Seit Schaffung des Instruments und damit seit 1974 wurde in 21 Fällen eine Ministererlaubnis beantragt. Die Erfolgsbilanz ist gemischt. Wiederholt wurde eine Erlaubnisantrag im Verlauf des Verfahrens wieder zurückgezogen. Zuletzt war ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich - Uniklinikum Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast - im Jahr 2008 vom Minister genehmigt worden. Der bislang letzte spektakuläre Fusionsfall, bei dem eine Ministererlaubnis den Weg - wenn auch mit Auflagen - freimachte, war der der Energiefirmen E.ON und Ruhrgas im Jahr 2002. Dagegen wurde 2003 ein Antrag für ein Zusammengehen der Verlage Holzbrinck/Berliner Verlag zurückgezogen, nachdem die Monopolkommission im Zuge des Verfahrens empfohlen hatte, die Ministererlaubnis zu versagen.
CETA und TTIP: Gabriel hat sich für Ceta, das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada, ins Zeug gelegt. Am 19. September soll die SPD auf einem kleinen Parteitag darüber abstimmen - alles andere als eine deutliche Zustimmung wäre äußerst unschön für den Parteichef. Ceta gilt als Blaupause für das noch umstrittenere TTIP-Abkommen der EU mit den USA. Da sieht es nicht nach Durchbruch aus - was Gabriel wohl recht ist. Im Wahlkampf dürfte mit TTIP nichts zu gewinnen sein, die SPD-Linke hat schon den Abbruch der Verhandlungen gefordert.
KANZLERKANDIDATUR: Macht er's, wer will noch, wann steht es fest? Gabriel wünscht sich - jedenfalls offiziell - einen Konkurrenzkampf um die SPD-Kanzlerkandidatur, doch noch hat niemand sonst die Hand gehoben. Kein Wunder: Sollte Kanzlerin Angela Merkel wieder für die CDU antreten, dürfte es extrem schwer werden. Ganz offiziell festlegen will die SPD sich in der K-Frage erst im Mai, nach der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.
LANDTAGSWAHLEN: Im September wählen Mecklenburg-Vorpommern und Berlin (bisher beide rot-schwarz). Hier wie da sind Verluste gut möglich bis extrem wahrscheinlich, an der Küste droht sogar der Machtverlust. Im Mai ist als letztes Land vor der Bundestagswahl Nordrhein-Westfalen (rot-grün) dran - ein wichtiger Gradmesser. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kann das 39-Prozent-Traumergebnis von 2012 wohl kaum wiederholen. Schlagzeilen wie „SPD verliert in den Ländern“ sind nicht gerade Bundestags-Wahlwerbung - gibt die Partei ihrem Vorsitzenden die Schuld?
PARTEIKURS: Mit Gedankenspielen über ein „Bündnis aller progressiven Kräfte“ erregte Gabriel im Juni viel Aufmerksamkeit, und das kurz nach einem „Gerechtigkeitskongress“ seiner Partei. Ein Signal für rot-rot-grün? Vielleicht eine Überinterpretation, die Grünen wollen von Vor-Festlegungen sowieso nichts wissen. Ob es dabei bleibt, die SPD so vom Koalitionspartner CDU abzugrenzen, oder die Parteien sich doch einen Kampf um die berühmte „Mitte“ liefern, wird der Wahlkampf zeigen.
BUNDESPRÄSIDENT: Die Suche nach einem Nachfolger für Joachim Gauck läuft längst. Einigen sich SPD, Linke und Grüne bis Frühjahr 2017 auf einen gemeinsamen Kandidaten, wie aus der Linkspartei schon gefordert wurde, wäre das ein starkes Signal. Namen will noch niemand nennen - und offiziell heißt es, es komme nur darauf an, eine besonders geeignete Persönlichkeit zu finden.