Silvester-Übergriffe Fünf Gründe, warum Bürgerwehren scheitern werden

Als Reaktion auf die Silvester-Übergriffe in Köln haben sich in einigen Städten Bürgerwehren formiert. Doch es spricht viel dafür, dass sie bald einfach wieder von der Bildfläche verschwinden.

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Sympathisanten von „Düsseldorf passt auf!“ auf Patrouille mit Hund in der Düsseldorfer Altstadt. Quelle: dpa

Zur ersten Patrouille am vergangenen Wochenende fand sich nur ein versprengtes Grüppchen in der Düsseldorfer Altstadt ein. Bullige Männer versammelten sich, manche mit „Security“-Jacken, einer brachte gar seinen Hund mit. Die Stadt „für unsere Damen“ sicherer zu machen – so lautet das erklärte Ziel von Facebook-Gruppen wie „Düsseldorf passt auf!“. Zum ersten realen Treffen der selbsternannten Nachtwächter in Düsseldorf kamen rund 50 Männer – angesichts von weit mehr als 13.000 Likes auf Facebook ein mauer Ertrag aus der digitalen Mobilisierung.

Der Initiator der Gruppe, Tofigh Hamid, musste gegenüber einem WDR-Reporter einräumen, dass sich auch „Rocker“ und Menschen, „die von der Presse in die rechte Szene gerückt werden“ darunter mischten. Hamid bekommt offenbar Angst vor der eigenen Courage. Vorerst sei kein weiterer Rundgang in Düsseldorf geplant, schrieb er auf Facebook. „Leider entwickelt sich das Ganze in eine Richtung, in die ich mich absolut nicht bewegen will“.

Das Beispiel Düsseldorf zeigt, warum das Phänomen „Bürgerwehr“ eine Randerscheinung bleiben wird. Fünf Gründe:

Die Organisation

Derzeit sind viele Initiativen auf der Suche – nach einer Satzung. Die Idee sicherheitsbesorgter Bürger: einen Verein gründen, um für die Organisation der Schutztruppe einen rechtlichen Rahmen zu schaffen. „Das ist typisch deutsch. Bevor etwas passiert, muss erstmal ein Verein gegründet werden“, sagt der Strafrechts-Anwalt und Jura-Blogger Udo Vetter. Er selbst habe vor kurzem ein Mandat zum Entwurf einer solchen Satzung abgelehnt. Im Vereinsrecht selbst sieht Vetter keine Hürde. „Wenn es vernünftig organisiert ist, zum Beispiel ein Notar beteiligt ist, sollte das kein Problem sein.“

Viel schwieriger sei es dagegen, Internet-Sympathisanten auf die Straße zu bringen. Ein virtueller Like bei Facebook braucht nur einen Klick, eine Online-Petition ist schnell unterschrieben. Doch eine Garantie für einen starke Offline-Mobilisierung ist das noch lange nicht, wie das Beispiel „Düsseldorf passt auf“ zeigt.

Die Finanzen

Eine Bürgerwehr braucht Geld, insbesondere, wenn sie Ambitionen, wie die „Kölner Bürgerwehr“ verfolgt. Die will ihre Patrouillen mit Sicherheitskleidung und Funkgeräten ausstatten und eine eigene Notrufnummer einrichten. Dafür sammelt die Initiative Spenden.

Wie schwierig das sein kann, lässt sich an der internen Facebook-Diskussion ablesen: Man sei kein Verein, daher müsse an eine Privatperson gespendet werden, heißt es dort. „Dann sollte sich diese Privatperson mal vorstellen inkl. Facebookprofil. Ich spende doch nicht an irgendeine wildfremde Person“, antwortet ein Nutzer. Ein anderer schreibt: „Ich finde es gut, was Ihr macht, nur habe ich den Eindruck, dass Ihr von Organisation wenig versteht.“ Anfängliche Euphorie findet also oft ein jähes Ende, sobald es um Geld geht.


Initiativen stehen weniger für den „Bürger-“ als den „Wehr“-Aspekt

Der Sinn-Frage

Bürgerschutzgruppen haben keine besonderen Kompetenzen. Das Monopol auf aktive Strafverfolgung und Gewaltanwendung liegt beim Staat, stellt Anwalt Vetter klar: „Die legale Handhabe reduziert sich auf eine wandelnde Notrufsäule.“ Wollen sich die Gruppen als Vereine organisieren, müssten die Satzungen sehr zurückhaltend formuliert sein. „Der Verein darf natürlich nicht Bürgerwehr heißen und keine Selbstjustiz üben“, so Vetter weiter.

Insofern stelle sich die Frage nach dem Sinn solcher Gruppierungen. „Spazierengehen kann jeder, wofür braucht man dazu Warnwesten und Taschenlampen?“, fragt der Anwalt. Langfristig werden sich auch viele Sympathisanten diese Sinn-Frage stellen, was ihr anfängliches Engagement erlahmen lassen dürfte.

Die Klientel

Die meisten Gruppen betonen, weder rechts noch links zu sein und keine politische Agenda zu verfolgen. Ihnen gehe es um den Schutz der Frauen. Dennoch sprechen die Initiativen eher Menschen (und vor allem: Männer) an, die weniger für den „Bürger-“ als viel mehr für den „Wehr“-Aspekt stehen.

Das musste auch der „Düsseldorf passt auf!“-Initiator Hamid erkennen. Die „Kölner Bürgerwehr“ geht noch weit weniger subtil vor und sucht via Facebook „ehrenamtliche Kampfsportler, Bodybuilder und Türsteher“. Es scheint schwer vorstellbar, dass das bürgerliche Lager – und sei es auch noch so besorgt – langfristig mit dem Bürgerschreck gemeinsame Sache macht.

Die Polizei

Die Verantwortlichen bei der Polizei betonen immer wieder, dass sie die Formierung von Bürgerwehren mit Sorge betrachten. Nun hat sich auch Justizminister Heiko Maas in die Diskussion eingeschaltet: „Selbstjustiz werden wir nicht akzeptieren“, sagte er.

Zudem bestehe die Gefahr, dass die Sicherheitsbehörden mit falschen oder unwichtigen Meldungen überhäuft würden, gibt Strafrechts-Experte Vetter zu bedenken. „Das kann die Polizei überhaupt nicht gebrauchen.“ Beim Aufmarsch von martialischen Gruppen wie in Köln muss die Polizei zudem zusätzliche Beamte abstellen, die an anderer Stelle für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit fehlen.

Am Ende könnten Bürgerwehren genau das Gegenteil von dem erreichen, was ihr erklärtes Ziel ist. Auch deshalb wird ihnen langfristig ein großer Zustrom verwehrt bleiben.

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