Smarthome - vernetztes Wohnen „Wo große Chancen sind, bleiben auch Risiken“

Die intelligente Steuerung des eigenen Zuhauses könnte ein Wachstumsmarkt werden. Die Politik sieht darin aber nicht nur Vorteile. Justizminister Maas warnt vor Datenmissbrauch und schließt gesetzliche Regeln nicht aus.

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Bei Smart Home sollen regelmäßige Abläufe Zuhause automatisch gesteuert werden und vernetzte Geräte miteinander kommunizieren. Quelle: dpa

Berlin Dass die vernetzten eigenen vier Wände keine bloße Vision mehr sind, stellte im vergangenen Jahr die Berliner Elektronik-Messe Ifa eindrucksvoll unter Beweis. Nicht nur Fernseher und Musikanlagen, sondern auch immer mehr Hausgeräte - von Leuchten bis zur Waschmaschine – bekommen einen Netzzugang. Sie werden damit über Apps steuerbar. Und das ist längst nicht alles.

Mit Plattformen zur Smart-Home-Bedienung lässt sich der vernetzte Haushalt auch per Sprachbefehl steuern. Für die IT-Branche ist diese Form der digitalen Heimvernetzung mehr als nur eine technologische Spielerei. Beim Bericht über das Weihnachtsquartal erzählte kürzlich Apple-Chef Tim Cook, wie in seinem privaten Smart Home Licht und die Kaffeemaschine automatisch angehen, wenn er zur sprechenden Assistentin Siri „Guten Morgen“ sage. Apple packt Siri schon seit langem ins iPhone und inzwischen auch in die Computer-Uhr.

Der IT-Verband Bitkom rechnet fest damit, dass sich die Vernetzung der Technik vom Herd bis zur Waschmaschine hierzulande durchsetzen und auf großes Interesse bei den Verbrauchern stoßen wird. „Smart-Home-Lösungen werden in deutschen Haushalten künftig so selbstverständlich sein wie Strom, Licht und fließendes Wasser“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Bernhard Rohleder, am Dienstag in Berlin. Denn im Smart Home sparten die Verbraucher Geld und leisteten einen Beitrag zum Klimaschutz.

Dass die vernetzte Wohnwelt jedoch nicht nur Chancen birgt, sondern auch etliche verbraucherpolitische Fragen aufwirft, ist Rohleder durchaus bewusst. Antworten darauf sucht der Digitalverband daher gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bei der Konferenz „Smart Home - Wie digital wollen wir wohnen?“ Und wer behält eigentlich noch die Kontrolle über sein Zuhause, wenn erst einmal die Digitalisierung Einzug gehalten hat?

Justizminister Heiko Maas (SPD) betonte bei der Veranstaltung in Berlin mit rund 300 Teilnehmern einerseits die großen Möglichkeiten für viele Lebensbereiche. „Allerdings, wo große Chancen sind, bleiben auch Risiken“, warnte Maas zugleich. Der Minister hält den Schutz der Privatsphäre der Verbraucher denn auch für unerlässlich. Eine zentrale Frage ist für ihn etwa, ob man durch die neuen Anwendungen im eigenen Haus - und damit im Kernbereich privater Lebensführung - gläsern wird.

Um dem entgegenzuwirken, plädiert Maas dafür, dass jeder Geräte und Systeme „nach seinen eigenen Wünschen nutzen“ können sollte. „Es darf keinen Zwang zur Datenerzeugung geben“, betonte der SPD-Politiker. Die Anbieter sollten daher von vornherein den Grundsatz „weniger ist mehr“ berücksichtigen. Maas schloss auch eine gesetzliche Regulierung nicht aus. Die Aufgabe der Politik sei es, technische Neuerungen „kritisch-konstruktiv“ zu begleiten, betonte er, und wenn nötig „Regelungen zu treffen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die die missbräuchliche Nutzung von Daten verhindern“.


Viele Smart-Home-Nutzer schützen Wohnung mit intelligenter Technik

Der Digitalverband Bitkom teilt die Auffassung des Justizministers in dieser Hinsicht. „Die Sicherheit der Geräte und der Schutz der erhobenen Daten sind zentrale Voraussetzungen für den Erfolg des Smart Home“, erklärte Verbands-Hauptgeschäftsführer Rohleder. Die Anbieter sollten daher bestimmte Mindeststandards bei der Sicherheit einhalten. „Dazu gehört die Auslieferung von Geräten mit individuellen Passwörtern, die Gewährleistung schneller Sicherheits-Updates bei Hacker-Angriffen oder die Verschlüsselung personenbezogener Daten“, erläuterte der IT-Experte.

Rohleder sieht jedoch auch die Verbraucher selbst in der Pflicht. Schon bei der Anschaffung von Smart-Home-Geräten könnten sie „bewusst auf Sicherheits-Features achten“.

Vielen Verbrauchern sind die Möglichkeiten von intelligenter Haustechnik allerdings noch nicht geläufig, wie eine repräsentative Umfrage des Bikom zur Nutzung und Verbreitung von Smart Homes zeigt. Zwar geben 61 Prozent der befragten Bundesbürger an, schon einmal etwas über die Begriffe Smart Home oder Heimvernetzung gehört zu haben. Davon kann aber nur jeder Zweite (53 Prozent) beschreiben, was damit gemeint ist. Der Bitkom bezeichnet als Smart Home die Vernetzung und intelligente Steuerung von Haustechnik, Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik.

In der Gruppe der Smart-Home-Kenner besitzt etwa jeder Dritte (30 Prozent) mindestens ein vernetztes Hausgerät und 44 Prozent wollen in den kommenden 12 Monaten digitale Haustechnik anschaffen.

Der wichtigste Grund für die Nutzung von Smart-Home-Geräten ist laut der Bitkom-Umfrage eine „höhere Sicherheit“ im privaten Umfeld. 61 Prozent der Besitzer von Smart-Home-Anwendungen schützen demnach ihre Wohnung mit intelligenter Haustechnik. Als Ergänzung zu einer mechanischen Sicherung helfen Smart-Home-Systeme dabei, so die Studie, Täter abzuschrecken, sie auf frischer Tat zu fassen oder später zu überführen.

57 Prozent der Befragten nennen „mehr Komfort und Lebensqualität“ als Grund für die Anschaffung intelligenter Hausgeräte. Und jeder zweite Smart-Home-Nutzer (50 Prozent) will seinen Energieverbrauch senken und damit Geld sparen.


Neue Erlösquellen für die Wirtschaft?

Für die Wirtschaft könnten sich durch die neuen technischen Möglichkeiten neue Erlösquellen auftun. Das deutete sich schon auf der Berliner Elektronik-Messe Ifa im vergangenen Jahr an. Alle großen Hausgeräte-Anbieter stellten die vernetzten Fähigkeiten ihrer neuen Geräte in den Mittelpunkt.

Siemens-Manager Roland Hagenbucher versprach etwa, „die Weichen hin zu einer vernetzten Hausgeräte-Welt zu stellen“. Dazu gehören etwa ein vernetztes Kochfeld, das sich per Smartphone steuern lässt und auch die Dunstabzugshaube aktiviert, sowie der inzwischen übliche smarte Kaffee-Automat mit App.

Und auch der Smarthome-Chef des deutschen Elektrokonzerns Bosch, Peter Schnaebele, gab sich auf der Messe für sein Unternehmen optimistisch, bei Plattformen für das vernetzte Zuhause künftig eine wichtige Rolle zu spielen. „In spätestens drei bis fünf Jahren wird jedes Gerät vernetzt sein“, zeigte sich Schnaebele überzeugt. Haustechnik ohne Netz-Anbindung werde nur noch eine Nische einnehmen. „Geben wird es sie weiterhin, denn es gibt Leute, die sich komplett dagegen wehren - aber wir reden da nicht von einem großen Markt“, betonte der Manager.

Bisher werden die neuen Möglichkeiten aber kaum genutzt. Nach Zahlen des Markforschers GfK aus dem vergangenen Jahr liegt der Marktanteil der vernetzten Hausgeräte in Europa bei gerade einmal drei Prozent. Der Umsatz beträgt etwa eine Milliarde US-Dollar im Jahr. In Asien ist der Marktanteil mit über fünf Prozent etwas höher.

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