So groß ist die Rentenlücke wirklich 60-Jährige müssen 45.000 Euro pro Jahr sparen

Von der staatlichen Rente bleibt kaum etwas übrig und die meisten Vorsorgeprodukte sind unsicher. Die WirtschaftsWoche hat ausrechnen lassen, was das für konkrete Lebenssituationen bedeutet und wie viel Sie konkret sparen sollten.

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Welche Auswirkung die Inflation auf die Rentenlücke hat
Eine Hand hält Geldscheine und einen Kassenbon über einer Einkaufskiste mit Lebensmitteln Quelle: dpa
Eine Hand nimmt am 22.01.2010 eine Euro-Münze aus einem Geldbeutel Quelle: dpa
Eine Kundin bezahlt an der Kasse in einem Supermarkt in Karlsruhe ihren Einkauf Quelle: dapd
Ein Rentner demonstriert und hält dabei eine Weste in den Händen, auf der "Rente muss zum Leben reichen" zu lesen ist. Quelle: dpa
Hinter dem Griff seines Gehstocks ist ein Rentner vor einem Computer zu sehen Quelle: dpa/dpaweb
Als Miniaturfiguren sind zwei Senioren am Montag (10.09.2012) in Schwerin auf Euro-Münzen zu sehen Quelle: dpa

Wie groß die Rentenlücke tatsächlich ausfällt und wie viele davon betroffen sind, darüber streiten sich derzeit die Experten. Sicher ist: Von der staatlichen Rente bleibt kaum etwas übrig und die meisten Vorsorgeprodukte sind unsicher.

Im Auftrag der WirtschaftsWoche hat Christian Lange, Finanzökonom beim Vermögensberater VZ VermögensZentrum, ausgerechnet, was das für konkrete Lebenssituationen bedeutet:

  1. für den Familienvater mit zwei Kindern
  2. die alleinerziehende Teilzeit arbeitende Mutter
  3. den 60-jährigen Angestellten
  4. den gerade fertig studierten Berufseinsteiger.

Alle Betroffenen müssen berücksichtigen, dass die heute festgestellte Versorgungslücke inflationsbedingt noch wächst. Wer später einmal 1800 Euro monatlich zur Verfügung haben möchte, es mit seinen Beiträgen aber bis zum Renteneintritt nur auf eine Rente von 800 Euro bringen wird, dessen Lücke ist nur nach heutigem Stand bereits 1000 Euro groß.

Rente: Checkliste für die Budgetplanung

Bei einer Inflation von drei Prozent werden binnen 20 Jahren aus den fehlenden 1000 Euro dann schon 1.806 Euro - und das monatlich.

Fazit: Alle Altersgruppen müssen vor allem schnell gegensteuern und sich um private Vorsorge kümmern.

Beispiel 1: Vater zweier Kinder

Die Riester-Irrtümer
Finanzamtschild Quelle: dpa
Stift auf einer Steuererklärung Quelle: dpa
Ein Sparstrumpf Quelle: dpa
Mann zeigt das Innere seiner Hosentaschen Quelle: dpa
Eltern spielen mit ihrem Sohn Quelle: dpa
Vater und Sohn sitzen an einem Fluss Quelle: dpa
Besucher beim Kongress Altervorsorge 2011 Quelle: dpa

Das erste Beispiel in unserer Betrachtung ist ein verheirateter Mann mit zwei Kindern, der mitten im Berufsleben steht. Ihm stehen monatlich 2000 Euro netto für Ausgaben zur Verfügung. Bei einer geschätzten Inflation von zwei Prozent werden aus dem heutigen Ausgabenniveau 3.300 Euro - binnen 22 Jahren. Der Mann kann dann mit einer gesetzlichen Rente von 2000 Euro - und einer Versorgungslücke von 1000 bis 1500 Euro pro Monat - rechnen.

Die richtige Budgetplanung für die Rente

Finanzökonom Lange empfiehlt, bei einer Rentenlücke in Höhe von 1000 Euro bis zum Renteneintritt 300.000 Euro Kapital auf die Seite zu schaffen. Nur so sei die finanzielle Versorgung im Alter ausreichend. Wer beispielsweise 100.000 Euro auf der Hohen Kante hat, kann 35 Jahre lang monatlich 430 Euro beziehungsweise jährlich 5200 Euro abheben, bevor das Kapital restlos verbraucht ist.

Kapitalentwicklung in Abhängigkeit des Zinssatzes und der Sparrate - bei einer Anlage von 20 Jahren

Rendite netto

drei Prozent

vier Prozent

fünf Prozent

Sparrate p.a.
5000 Euro134.000 149.000165.000
10.000 Euro269.000 298.000 331.000
15.000 Euro403.000 447.000496.000
20.000 Euro537.000 596.000661.000

Um diese Summe von 300.000 Euro anzusparen, müsste der Familienvater bei vier Prozent Rendite aufs Anlagekapital monatlich 750 Euro für die private Altersvorsorge weglegen. Dabei spielt es keine Rolle, ob er diesen Betrag mittels einer Lebensversicherung oder einer anderen Anlageform anspart. Entscheidend ist, dass sein Anlageziel der langfristige Kapitalerhalt ist, so Lange.

Beispiel 2: Die alleinerziehende Mutter

So viel Rente bekommen Sie
DurchschnittsrentenLaut den aktuellen Zahlen der Deutschen Rentenversicherung bezogen Männer Ende 2014 eine Durchschnittsrente von 1013 Euro. Frauen müssen inklusive Hinterbliebenenrente mit durchschnittlich 762 Euro pro Monat auskommen. Quellen: Deutsche Rentenversicherung; dbb, Stand: April 2016 Quelle: dpa
Ost-Berlin mit den höchsten, West-Berlin mit den niedrigsten RentenDie Höhe der Rente schwankt zwischen den Bundesländern. Männer in Ostberlin können sich mit 1147 Euro Euro über die höchste Durchschnittsrente freuen. In Westberlin liegt sie dagegen mit 980 Euro am niedrigsten. Aktuell bekommen männliche Rentner: in Baden-Württemberg durchschnittlich 1107 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 1031 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 980 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1147 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 1078 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 1040 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 1071 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 1084 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 1027 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 1127 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 1115 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 1069 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 1098 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 1061 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 1064 Euro pro Monat Quelle: AP
Frauen mit deutlich weniger RenteFrauen im Ruhestand bekommen gut ein Drittel weniger als Männer. Auch sie bekommen in Ostberlin mit durchschnittlich 1051 Euro die höchsten Bezüge. Am wenigsten bekommen sie mit 696 Euro in Rheinland-Pfalz. Laut Deutscher Rentenversicherungen beziehen Frauen inklusive Hinterbliebenenrente: in Baden-Württemberg durchschnittlich 772 Euro pro Monat in Bayern durchschnittlich 736 Euro pro Monat in Berlin (West) durchschnittlich 861 Euro pro Monat in Berlin (Ost) durchschnittlich 1051 Euro pro Monat in Brandenburg durchschnittlich 975 Euro pro Monat in Bremen durchschnittlich 771 Euro pro Monat in Hamburg durchschnittlich 848 Euro pro Monat in Hessen durchschnittlich 760 Euro pro Monat in Mecklenburg-Vorpommern durchschnittlich 950 Euro pro Monat in Niedersachsen durchschnittlich 727 Euro pro Monat in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich 749 Euro pro Monat im Saarland durchschnittlich 699 Euro pro Monat in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 964 Euro pro Monat in Sachsen durchschnittlich 983 Euro pro Monat in Schleswig-Holstein durchschnittlich 744 Euro pro Monat in Thüringen durchschnittlich 968 Euro pro Monat Quelle: dpa
Beamtenpensionen deutlich höherStaatsdienern geht es im Alter deutlich besser. Sie erhalten in Deutschland aktuell eine Pension von durchschnittlich 2730 Euro brutto. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist das ein Zuwachs von knapp 27 Prozent. Zwischen den Bundesländern schwankt die Pensionshöhe allerdings. Während 2015 ein hessischer Staatsdiener im Ruhestand im Durchschnitt 3150 Euro ausgezahlt bekam, waren es in Sachsen-Anhalt lediglich 1940 Euro. Im Vergleich zu Bundesbeamten geht es den Landesdienern dennoch gut. Im Durchschnitt kommen sie aktuell auf eine Pension von 2970 Euro. Im Bund sind es nur 2340 Euro. Quelle: dpa
RentenerhöhungIm Vergleich zu den Pensionen stiegen die normalen Renten zwischen 2000 und 2014 deutlich geringer an. Sie wuchsen lediglich um 15,3 Prozent. Quelle: dpa
Reserven der RentenkasseDabei verfügt die deutsche Rentenversicherung über ein sattes Finanzpolster. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung betrug die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage Ende 2014 genau 35 Milliarden Euro. Das sind rund drei Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rechnerisch reicht das Finanzpolster aus, um fast zwei Monatsausgaben zu bezahlen. Nachfolgend ein Überblick, mit welcher Rente die Deutschen im aktuell im Durchschnitt rechnen können: Quelle: dpa
Abweichungen vom StandardrentnerWer 45 Jahre in den alten Bundesländern gearbeitet hat und dabei den Durchschnittslohn verdiente, bekommt pro Monat 1314 Euro ausgezahlt. Bei 40 Arbeitsjahren verringert sich die monatliche Auszahlung auf 1168 Euro. Wer nur 35 Jahre im Job war, bekommt 1022 Euro. Quelle: Fotolia

Rund 2,7 Millionen Menschen in Deutschland sind alleinerziehend, ein Großteil davon sind Frauen. Wer seine Kinder ohne den anderen Elternteil großzieht, arbeitet in den wenigsten Fällen Vollzeit. Erziehung und 40 Stunden-Woche passen für die meisten Lebenssituationen nicht zusammen. Für unser zweites Rechenbeispiel sind wir deshalb von einer teilzeitarbeitenden, alleinerziehenden Frau mit einem Ausgabenniveau von 1.400 Euro pro Monat ausgegangen.

Wichtige Änderungen für Rentner im Jahr 2012

Bis zum 67. Lebensjahr der Frau, also dem Renteneintrittsalter, ist das Ausgabenniveau bei einer Inflation in Höhe von zwei Prozent auf 2800 Euro pro Monat angestiegen. Die Alleinerziehende bekommt mit 67 Jahren dann vermutlich 1.300 Euro gesetzliche Rente. Hierbei ist berücksichtigt, dass sie das Pensum sukzessive steigert (hier 75 Prozent mit 50 Jahren, 100 Prozent für die letzten Jahre ab 60 Jahre). Für die Kapitalentwicklung hätte das folgende Auswirkungen:

Kapitalentwicklung in Abhängigkeit des Zinssatzes und der Sparrate - bei einer Anlage von 30 Jahren

Rendite netto

drei Prozent

vier Prozent

fünf Prozent

Sparrate p.a.
5000 Euro238.000 280.000 332.000
10.000 Euro476.000 561.000664.000
15.000 Euro714.000 841.000997.000
20.000 Euro952.000 1.122.0001.329.000

Um die angenommene Versorgungslücke von 1500 Euro zu schließen, braucht auch die alleinerziehende Mutter laut Finanzökonom Lange Kapital in Höhe von 300.000 Euro. Um auf diesen Betrag zu kommen, muss sie monatlich etwa 300 Euro sparen.

Beispiel 3: Angestellter kurz vor Renteneintritt

Für wen sich die Riester-Rente lohnt
Piktogramm Fallbeispiel 1 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Piktogramm Fallbeispiel 2 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Piktogramm Fallbeispiel 3 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Piktogramm Fallbeispiel 4 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Piktogramm Fallbeispiel 5 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung
Piktogramm Fallbeispiel 6 Quelle: Institut für Vorsorge und Finanzplanung

Der Arbeitnehmer, der mit 60 feststellt, dass er eine Versorgungslücke in Höhe von 1400 Euro pro Monat hat, ist sehr spät dran. Die Chance, dieses Loch noch zu stopfen, ist verschwindend gering.

Realisierbare jährliche Entnahme aus 100.000 Euro

Kapitalhaltedauer

25 Jahre

35 Jahre

Erhalt

Rendite netto
zwei Prozent 5.000 3.900 2.000
vier Prozent6.200 5.200 4.000
sechs Prozent7.4006.500 6.000

Ist der Angestellte alleinstehend und gibt monatlich 2500 Euro aus, werden daraus bis zum Renteneintritt in fünf Jahren - bei einer Inflation von zwei Prozent - 2900 Euro monatliches Ausgabenniveau. Wenn der Angestellte in Rente geht, kann er mit einer gesetzlichen Versorgung von 1500 Euro pro Monat rechnen, es klafft also eine monatliche Lücke von 1400 Euro. Um seine Versorgungslücke für die nächsten 25 Jahre zu schließen, benötigt er einen Kapitalstock von 270.000 Euro (ausgehend von vier Prozent Rendite netto auf Spareinlagen und mit der Vorgabe, dass das Kapital ab dem 66. Lebensjahr zur Verfügung stehen soll).

Was Sie bei vorzeitigen Ruhestand wissen müssen

Dieser ist jedoch sehr schwierig zu erreichen, wenn in der Vergangenheit kaum Vermögen gespart wurde. Selbst bei vier Prozent Rendite auf Ersparnisse in Höhe von 35.000 Euro, müsste er in den kommenden fünf Jahren rund 45.000 Euro jährlich ansparen. Dies ist aussichtlos.

Was arbeitswillige Rentner wissen sollten

Laut Lange bleibt nur eisernes Sparen. Auch sollten sich Arbeitnehmer dieses Alters überlegen, ob sie freiwillig länger arbeiten oder sich in den ersten Jahren des Ruhestandes eines Teilzeitjob suchen.

Beispiel 4: Berufseinsteiger mit Hochschulabschluss


Nicht mal 40 Beschäftigungsjahre reichen aus, um die Grundversorgung der Rente zu erreichen. Auch viele private Vorsorge-Angebote taugen nichts. Die wichtigsten Tipps, wie Sie Ihre Rentenlücke rasch schließen können.

Der letzte Prototyp unseres Rechenbeispiels kommt frisch von der Universität und steigt jetzt ins Berufsleben ein. Dementsprechend wenig aussagekräftig sind Annahmen zu seinem heutigen Ausgabenniveau. Das Einkommen unseres Berufseinsteigers wird sich im Laufe der Jahre stark verändern. Gleichzeitig werden mit steigendem Einkommen auch die Lebenshaltungskosten steigen.

Ausgangslage ist, dass 1000 Euro monatlich ausgegeben werden, die im Alter von 67 rund 2200 Euro monatlicher Ausgaben entsprechen. Dann würde der heute junge Akademiker später 2500 Euro gesetzliche Rente bekommen.

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Wenn sich unser Prototyp einen Lebensstandard von 3500 Euro (heutige Kaufkraft) leisten will, muss er, die Inflation berücksichtigt, im Alter von 65 schon 7700 Euro ausgeben, um sich die gleichen Wünsche zu erfüllen. Geht man von den für den Berufseinsteiger veranschlagten 1000 Euro Ausgaben jetzt, beziehungsweise 2200 Euro Ausgaben im Alter von 67, aus, hätte er eine Versorgungslücke von 5200 Euro im Monat und müsste mehr als eine Million Euro Kapital aufbauen, um diese Lücke zu schließen.

Fazit: Auch wenn die abgebildeten Lebenssituationen nur beispielhaft wiedergeben, wie es um die Rentenlücke und das notwendige Sparvolumen bestellt ist, haben sie doch eines gemeinsam: Rasches Handeln in Bezug auf die private Vorsorge ist zwingend notwendig, um einer möglichen Altersarmut zu entgehen. Da aber gerade beim zuletzt dargestellten Berufsanfänger die Einkommensentwicklung noch ungewiss ist, lassen sich keine klaren Sparziele formulieren. Doch auch hier ist klar, dass so früh wie möglich mit der privaten Altersvorsorge begonnen werden sollte. Laut Finanzexperten Christian Lange reichen dabei auch schon kleinere Summen zwischen 50 und 100 Euro monatlich aus.

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