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So wählt das Netz Die SPD setzt auf die falschen Themen

Rot-Grün sackt in Umfragen weiter ab. Auch bei Twitter und Facebook stockt die Aufholjagd der Sozialdemokraten. Sie punkten immer dann, wenn sie Klartext reden. Das passiert aber zu selten.

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Wenn Peer Steinbrück Klartext spricht
Die Grünen stoßen mit ihrer Idee eines fleischlosen Tags in den Kantinen auf Widerspruch. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte sich im Zuge eines Wahlkampfauftritts im BR-Fernsehen von seinem Wunschpartner Grüne mit dem ironischen Satz distanziert: "Die haben noch nicht mitgekriegt, dass es jetzt um die Wurst geht." Quelle: dpa
Zurück aus dem Urlaub gab Steinbrück der „Süddeutschen Zeitung“ Mitte August 2012 ein ausführliches Interview. Thema Nummer 1 war selbstverständlich die Euro-Krise. Zu dem Vorstoß von SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass die Euro-Länder auf längere Sicht gemeinsam für ihre Schulden haften sollten, sagte Steinbrück: „Wenn Europa die richtige Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts ist, und wenn Europa die richtige Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ist, dann wird sich dieses Europa einig aufstellen müssen.“ Quelle: rtr
Wenig später greift Steinbrück in dem Interview die Regierungskoalition an: „Wir sind im Zeitalter der Rettungsschirme längst in einer Haftungsgemeinschaft, an der die verbalen Kraftprotze von Union und Liberalen mitgewirkt haben. Umso dümmlicher sind die Vorwürfe von FDP und CSU, die SPD plädiere für einen ,Schuldensozialismus’.“ Quelle: dapd
Mit seinen 65 Lenzen sieht Peer Steinbrück in seinem Alter kein Hindernis für eine Kanzlerkandidatur. „Erfahrung und ein gutes Rüstzeug sind vielleicht mehr denn je nachgefragte Qualitäten. Offensichtlich erscheine ich vielen noch nicht als politisches Auslaufmodell“, sagte er Ende Juli der Zeitung „Bild am Sonntag“. Quelle: rtr
Auf dem SPD-Parteitag in Berlin Äußerte sich Peer Steinbrück zu den Steuersenkungsplänen der schwarz-gelben Regierung: „Diese sind nichts anderes als ein Pausentee für die FDP auf der Wegstrecke zur nächsten Wahl – manche sagen Abführtee. Ich nehme an, dass sich Wolfgang Schäuble jeden Tag in der Adventszeit eine, vielleicht zwei Kerzen ins Fenster stellt, damit die SPD im Bundesrat diesen Schwachsinn verhindert“. Quelle: rtr
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach Steinbrück ab, die europäische Geschichte zu verstehen. Sie habe keinen Zugang zur „europäischen Story“, sagte er auf dem Parteitag im Dezember 2011 in Berlin. Mit Blick auf Merkels Studium ätzte er: „Europa ist nicht Physik“. Quelle: rtr
Steinbrück über die FDP und ihren neuen Vorsitzenden Philipp Rösler ("Bild" vom 26.09.2011): "Eine Primanerriege, Leichtgewichte wohin man blickt. Bei manchem Interview von FDP-Chef Rösler denke ich: Das ist eine alte Loriot-Aufnahme. Diese Unbedarftheit und Naivität – Entschuldigung, wir reden hier vom deutschen Wirtschaftsminister und Vizekanzler." Quelle: rtr

Die Führung hatte nur kurz Bestand. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück lag in der Gunst der Twitter- und Facebook-User zu Beginn der vergangenen Woche kurz vorne, doch inzwischen hat Angela Merkel ihren Widersachen erneut überholt. Mit knapp 58 Prozent Zustimmung liegt sie vor dem SPD-Herausforderer (42 Prozent). Auch bei den Wahlumfragen verharrt die Sozialdemokraten bei schwachen 22 Prozent. Grüne verlieren sogar. Die Aufholjagd der Sozialdemokraten stockt damit – abgeblasen ist sie noch nicht.

Die Ergebnisse der vergangenen Woche zeigen, dass sich die SPD Hoffnung auf eine Trendwende machen kann. Das heißt nicht, dass sie in den Umfragen der CDU gefährlich werden kann – doch für eine Annäherung könnte es reichen. Und nur zwei oder drei Prozentpunkte mehr, und Schwarz-Gelb hat im neuen Bundestag keine Mehrheit mehr. Damit dem so ist, muss die SPD Klartext sprechen. Das jedenfalls ist die Lehre unserer Analyse von Twitter und Facebook. Steinbrück kommt in den Sozialen Netzwerken immer dann gut an, wenn er kein Blatt vor dem Mund nimmt. So gehört sein Statement zur Rüstungspolitik zu den Exportschlagern. "Es wird mit mir als Bundeskanzler keine Waffenexporte in Krisengebiete geben", twitterte Steinbrück über seinen Account @peersteinbrueck am 25. August. 43 Mal wurde der Beitrag seitdem retweetet (also weitergetragen), 28 Mal mit dem Button "Favorisieren" positiv hervorgehoben.

Viel Resonanz und Lob gab es auch auf Steinbrücks Tweet zur Späh-Affäre, ebenfalls von 25. August. "Bei NSA-Affäre schwafelt Herr Pofalla rum. Ich möchte wissen welche Daten die NSA in Deutschland abschöpft", sendete der SPD-Mann (bzw. sein Presseteam) in die Twitter-Welt. 23 User teilten den Beitrag, 16 favorisierten ihn.

Während der Bundestagswahlkampfs analysieren die WirtschaftsWoche und der Datenspezialist Attensity mit einer Sprachanalysetechnik, wie das Netz über Parteien und Politiker diskutiert.

Allgemeinplätze wie "Ich will, dass wir mehr Geld in Bildung investieren" oder "Es geht uns nur so gut, wie es unseren Nachbarn gut geht", reißen hingegen kaum jemand vom Hocker. Ebenfalls bemerkenswert: Auch auf klassische sozialdemokratische Themen gibt es kaum Resonanz. Der vermeintliche SPD-Wahlkampfschlager, die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns und eine Mietpreisbremse, werden auf Twitter und Facebook deutlich öfter kritisch als positiv besprochen. Punkten kann die SPD hingegen mit den Themen Demokratie, Jugend und Außenpolitik.

"Die Analyse der Tweets zeigt, dass die SPD bei den Twitter-Usern, die im Durchschnitt jünger und besser ausgebildet sind und ein höheres Einkommen haben als der durchschnittliche Deutsche, vor allem mit diesen Themen punkten kann und weniger mit klassischen sozialdemokratischen Themen“, bilanziert Holger Rath, Analyst beim Datenspezialisten Attensity, der die Sprachanalyse für die WirtschaftsWoche durchführt.

Das freilich gilt auch für den Straßen-Wahlkampf. Zwar wird Peer Steinbrück ähnlich viel Wirtschaftskompetenz unterstellt wie der Amtsinhaberin von der CDU. Für Wechselstimmung sorgt dieses Patt aber nicht. Die SPD muss Klartext sprechen. Nur so kann sie der Kanzlerin gefährlich werden. In den Sozialen Netzwerken. Und bei der Wahl.

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