Social Bots Kampf gegen die Meinungsroboter

Justizminister Maas will härter gegen Falschnachrichten im Internet vorgehen. Sogenannte Meinungsroboter, die automatisch Inhalte verbreiten, hat er dabei aber nicht im Blick. Das sorgt für Unmut in den Ländern.

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Laut einer Studie der University of Southern California und der Indiana University stecken hinter bis zu 15 Prozent der weltweit rund 319 Millionen Twitter-Nutzer Social Bots. Quelle: Reuters

Berlin Selbst die Kanzlerin lässt die Debatte um Falschnachrichten in sozialen Netzwerken nicht kalt: „Ich glaube, wir dürfen das, was da im Zusammenhang mit dem Internet, mit der Digitalisierung passiert – und das ist Teil unserer Realität –, nicht unterschätzen“, sagte Angela Merkel im November im Bundestag. Meinungsbildung funktioniere heute grundsätzlich anders als vor 25 Jahren. Und sie fügte kritisch hinzu, „dass heute Fake-Seiten, Bots, Trolle Meinungsbilder verfälschen können, dass heute sich selbst regenerierende Meinungsverstärkungen durch bestimmte Algorithmen stattfinden“. Merkel gab seinerzeit zu erkennen, dass sie hier seitens der Politik Regelungsbedarf sieht. Entsprechend deutlich sicherte sie Justizminister Heiko Maas (SPD) ihre Unterstützung zu.

Inzwischen hat der SPD-Politiker einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem er Hasskriminalität und Fake News in sozialen Netzwerken Einhalt gebieten will. Die Stoßrichtung der Pläne, Facebook & Co. unter Androhung drastischer Geldbußen zum Löschen strafbarer Inhalte zu zwingen, löste überwiegend ein positives Echo aus. Aber wie bei jedem neuen Gesetz stecken die Tücken im Detail. Gegenwind bekommt Maas deshalb nun aus den Ländern. Die Justizminister von Nordrhein-Westfalen und Hessen, Thomas Kutschaty (SPD) und Eva Kühne-Hörmann (CDU), bemängeln, dass der Minister in seinem Gesetzentwurf von Computern erzeugte künstliche Identitäten (Social Bots), die in sozialen Netzwerken Zustimmung oder Ablehnung von politischen Meinungen vortäuschen, ausgespart habe.

Kühne-Hörmann fordert daher, auch gegen die Verbreitungswege von Fake-News über Social Bots vorzugehen – „und zwar noch vor der Bundestagswahl“, wie die CDU-Politikerin dem Handelsblatt sagte. „Man muss den Tätern die Instrumente nehmen, ihre Falschmeldungen in sozialen Medien zu verbreiten.“ Dass der Bundesjustizminister diesen Punkt nicht mit in seinem Vorschlag aufgenommen habe, sei nicht nur bedauerlich. „Es beinhaltet auch das Risiko, dass diese Lösung am Ende zu einem Konjunkturprogramm für Social Bots wird.“

Denn wenn jemand 10.000 oder 100.000 Fake-Profile gleichzeitig betreibe, so Kühne-Hörmann,  könne er „mit einem Klick einen Tsunami an Falschmeldungen, Hassbotschaften oder Meinungsäußerungen auslösen“. Da helfe dann auch kein staatliches Lösch-Gebot innerhalb von 24 Stunden mehr, wie im Entwurf von Maas vorgesehen. „Denn bei knapp 30 Millionen Nutzern allein bei Facebook in Deutschland sind solche Meldungen dann bereits an den Mann oder die Frau gebracht.“ Man müsse deshalb auch die Verbreitungswege in den Blick nehmen, zumal Fake-News oder auch nur computergesteuerte Meinungsäußerungen unmittelbar Auswirkungen auf Wahlergebnisse in Deutschland haben könnten.

Die Sorge der Ministerin kommt nicht von ungefähr. Zwar war das Internet immer schon Sammelbecken für Gerüchte, für Lügen, Spam und Datenmüll. Doch der US-Wahlkampf im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass Falschnachrichten vor allem zu Gunsten von Donald Trump erfolgreich gestreut wurden. In Deutschland haben sich mittlerweile zwar alle großen politischen Parteien gegen den Einsatz der Socials Bots ausgesprochen. Das hindert aber Dritte nicht, davon Gebrauch zu machen.


Strafmaß von Geldstrafen bis Freiheitsentzug

Neben Hessen sieht auch NRW Handlungsbedarf. „Hier gibt es tatsächlich noch eine Strafbarkeitslücke, die es zu füllen gilt“, sagte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) dem Handelsblatt. Das Problem besteht seiner Ansicht nach darin, dass die von Meinungsbots betriebenen Nutzer-Accounts im Internet käuflich erworben werden und somit ins Visier krimineller Anbieter geraten können. Die böten dann im sogenannten Darknet Zugangsdaten zu gehackten Accounts an, erläuterte der Minister. Nach geltendem Recht ist es aber derzeit nicht strafbar, wenn sich ein Dritter den Zugriff auf ein infiltriertes informationstechnisches System kauft. „Das sollten wir ändern“, betonte der SPD-Politiker.

Der Bundesrat hat dazu auf Initiative Hessens einen konkreten Vorschlag für einen neuen Straftatbestand „Digitaler Hausfriedensbruch“ auf den Weg gebracht. Nachdem die Bundesregierung in einer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf bereits erklärt hat, gesetzgeberisch nicht gegen Social Bots vorzugehen, ist nun der Bundestag am Zug, die Details der Initiative zu bewerten und womöglich ein entsprechendes Gesetz zu beschließen.

Die Idee dahinter ist, Social Bots unter Strafe zu stellen, wenn ihr Einsatz gegen die Geschäftsbedingungen sozialer Netzwerke verstoßen. Sowohl Facebook und Twitter verbieten grundsätzlich die Nutzung von Fake Accounts beziehungsweise Social Bots. Ein Verstoß gegen ihre Regeln würde demnach, so sieht es die Gesetzesinitiative der Länder vor, als „unbefugtes In-Gang-Setzen eines informationstechnischen Ablaufs auf einem informationstechnischen System“ gewertet. Das vorgesehene Strafmaß würde von Geldstrafen bis zu einem Freiheitsentzug bis zu zehn Jahren reichen. Vorausgesetzt ein Nutzer wird auf eine solche softwarebasierte Meinungsmaschine aufmerksam und stellt Strafanzeige gegen den Urheber.

Die Umsetzung einer solchen Regelung könnt aber schnell an ihre Grenzen kommen. Darauf weist Simon Hegelich von der TU München hin. „Ein Problem bei dem Gesetzentwurf zum Digitalen Hausfriedensbruch ist, dass da Social Bots und Botnetze zur Verbreitung von Maleware nicht klar unterschieden werden“, sagte der Professor für „Political Data Science“ dem Handelsblatt.

Ursprünglich war die Gesetzesinitiative gegen Kriminelle gerichtet, die Computer anderer Nutzer für ihre Zwecke kapern. Ein Netzwerk solcher Rechner wird als Botnetz bezeichnet. Hacker infizieren die Computer mit einem Schadprogramm und können sie dann aus der Ferne steuern. Die eigentlichen Besitzer der Rechner merken oft nichts davon. Botnetze werden zum Beispiel verwendet, um Internetseiten mit massenhaften Anfragen lahmzulegen (DDoS). Auch Millionen Passwörter und Bankdaten wurden nach Ermittlungen der europäischen Polizeibehörde Europol bereits mithilfe von Botnetzen erbeutet.

Die dazu nötigen Schadprogramme, Bots genannt, werden häufig versteckt in E-Mail-Anhängen verbreitet. Die hessische Ministerin will mit ihrer Gesetzesinitiative gegen „digitalen Hausfriedensbruch“ bereits das Infizieren der Computer mit solchen Programmen unter Strafe stellen.


„Eigentlich sind Bots eine tolle Idee“

Experte Hegelich warnte in diesem Zusammenhang vor überzogenen Regelungen für Social Bots. Denn: „Eigentlich sind Bots eine tolle Idee, die uns die Kommunikation in den sozialen Netzen erleichtern“, erläuterte er. „Es sollte daher nicht gegen die Technik vorgegangen werden, sondern gegen die bewusste Täuschung: Ich möchte wissen, ob ich mit einer Maschine kommuniziere oder mit einem Menschen - auch wenn selbst das nicht immer eindeutig zu trennen ist.“

Ob allerdings der missbräuchliche Einsatz von Social Bots mit einem gesetzlichen Verbot „schnell eingedämmt“ werden kann, wie Hessens Justizministerin Kühne-Hörmann glaubt, ist fraglich. Denn das Problem scheint gewaltig, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie der University of Southern California und der Indiana University nahelegt. Danach stecken hinter bis zu 15 Prozent der weltweit rund 319 Millionen Twitter-Nutzer Social Bots. Also bis zu 48 Millionen Bot-Profile, die teilweise, so die Beobachtung der Wissenschaftler, gepostete Inhalte nicht nur retweeten, also weiterverbreiten, sondern durch Erwähnungen auch andere Nutzer bestimmter Zielgruppen ansprechen.

Kühne-Hörmann vertraut daher auch nicht nur auf einer gesetzlichen Regelung. Notwendig sei zudem, „dass die sozialen Medien besser mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten“, sagte die CDU-Politikerin. Allgemeine Geschäftsbedingungen zu haben, die den Einsatz von Social Bots verböten, sei das Eine. Die „konsequente Verfolgung“ des missbräuchlichen Einsatzes und eine „ernstgemeinte Kooperation“ mit den Strafverfolgungsbehörden das Andere. Da müssten die sozialen Netzwerke noch ihre Hausaufgaben machen.

Im Bundestag scheinen die Koalitionsfraktionen aber wenig geneigt, dem Länder-Vorstoß zu folgen. In Positionspapieren vertreten Union (Link zum Papier) und SPD (Link zum Papier) vielmehr die Auffassung, der beste Weg, Manipulationen wie im US-Wahlkampf in Deutschland und Europa wirkungslos zu machen, sei Transparenz. „Dazu gehört für mich unter anderem, dass Social Bots gekennzeichnet werden müssen“, sagte Unions-Fraktionsvize Nadine Schön dem Handelsblatt.  Politik solle von Menschen und nicht von Programmen vermittelt werden, erst recht nicht von Programmen, die sich als Menschen ausgeben, betonte die CDU-Politikerin. Zudem hätten Social Bots das Potenzial, allein durch ihre Masse Statistiken und politische Trends bewusst zu manipulieren. Umso wichtiger sei, dass Justizminister Maas in seinen Gesetzentwurf zu Hasskommentaren eine verpflichtende Kennzeichnung von Social Bots aufnehme.

Schön riet aber zu einer Regelung mit Augenmaß, denn Bot sei nicht gleich Bot. „Wir müssen immer auch die Chancen und Nutzen von Technologien im Auge behalten“, sagte sie, denn beispielsweise seien Chatbots im Servicebereich keine Seltenheit und durchaus sinnvolle Anwendungen.

Das schließt aber eine generelle Regulierung solcher neuen Phänomene der Meinungsmache nicht aus. Uni-Experte Hegelich geht sogar noch weiter. „In Zukunft werden wir bestimmt ein umfassendes Internetgesetz sehen, dass sich mit verschiedenen Aspekten des Missbrauchs beschäftigt“, sagte er.

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