Sozialdemokraten Der SPD-Sozialplan würde die Bürokratie aufblähen

Andrea Nahles, Bundesvorsitzende der SPD, nach der Klausurtagung der Spitze und des Vorstandes der SPD im Willy-Brandt-Haus Quelle: dpa

Die Pläne für einen "neuen Sozialstaat" der SPD wären vermutlich mit einem deutlichen Ausbau der Verwaltung verbunden. Vor allem in drei konkreten Vorhaben steckt viel Potenzial für mehr Bürokratie.

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Ob die Pläne der SPD für einen „neuen Sozialstaat für eine neue Zeit“ jemals umgesetzt werden, ist vor der Sitzung des Koalitionsausschusses höchst ungewiss. Zu der grundsätzlichen Kritik an den SPD-Plänen, die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer unmittelbar nach deren Veröffentlichung äußerte, ließe sich allerdings noch ein wesentlicher Punkt ergänzen: Was die SPD unter Schlagworten wie „Solidarität“, „Menschlichkeit“ und „Staat als Partner“ anpreist, bedeutete in der Umsetzung vermutlich nicht nur zusätzliche Leistungen für Arbeitslose, sondern auch ein weiteres Wachstum des Verwaltungsaufwands. Der neue Sozialstaat der SPD wäre ein Staat, der sich selbst mehr Aufgaben gibt, also wohl auch mehr Personal gönnt.

Das moralische Fundament für die bürokratische Expansion des Sozialstaats legt das SPD-Papier schon auf der ersten Seite: „Der Sozialstaat hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine Bringschuld, nicht andersrum die Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Sozialstaat eine Holschuld. … Der Sozialstaat muss den Einzelnen und sein Schicksal respektieren. Er muss Instrumente schaffen, die den individuellen Anforderungen und unterschiedlichen Problemstellungen der Menschen gerecht werden…  Der Sozialstaat muss Abstiegsängsten entgegenwirken und neue Aufstiege ermöglichen.“

Die Botschaft des Papiers lautet: Der (Sozial-)Staat muss mehr, die Leistungsempfänger müssen weniger. Konkret würden die Mehraufgaben vor allem in folgenden Feldern zu einem Ausbau des Staatsapparates führen:

  • Das SPD-Papier fordert, „dass der Staat für jede Bürgerin und jeden Bürger ein Zeitkonto einrichtet“, um „mehr Gestaltungsfreiheit im Lebensverlauf zu ermöglichen“. Auf diese Weise sollen Überstunden nicht mehr (nur) beim Arbeitgeber geführt werden, sondern „sie wandern, staatlich abgesichert, mit zum neuen Arbeitgeber“. Der Staat würde damit zum Verwalter von „Zeitguthaben“, das, so der SPD-Plan „Im Lebensverlauf mehr Freiheit ermöglicht.“ Der Staat würde also zum Verwalter der Lebenszeit der Bürger. Jeder, der ein (Geld-)Konto bei einem Kreditinstitut hat, weiß, dass seine Bank dies nicht aus reiner Nächstenliebe tut – und außerdem dadurch ein nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand entsteht.

  • Die SPD will einen „gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Weiterbildung“ schaffen – und zusätzlich eine „Qualifizierungsgarantie“ für „diejenigen, deren Jobs durch den technologischen Wandel wegfallen“. Schon wenn dieses Wegfallen nur droht, soll es einen „Anspruch auf Umschulung“ geben und vor allem: „gepaart mit der Absicherung durch eine Lohnersatzleistung“. In der Praxis erfordert das, wie es im Papier heißt, also „den Ausbau eines flächendeckenden, qualitativ hochwertigen Beratungsangebotes durch eine Bundesagentur für Arbeit, die zur Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiterentwickelt wird“. Gute Berufsaussichten also vor allem für staatliche Qualifizierer.

  • Damit verbunden ist auch ein ganz neuer „Leistungsanspruch für Qualifizierung“, den alle Arbeitslosengeld-I-Empfänger erhalten, die nach drei Monaten keine Arbeit gefunden haben. Das „Arbeitslosengeld Q“ soll bis zu 24 Monaten gewährt werden. Auch hier dürften neben den Zahlungsempfängern selbst nicht zuletzt die Anbieter von Qualifizierungsmaßnahmen von einem neuen staatlichen Geldsegen profitieren.

Während die Maßnahmen, mit denen Nahles nach eigener Aussage „Hartz IV hinter uns lassen“ will, den arbeitenden Steuerzahler viel Geld kosten und die Sozialbürokratie aufblähen dürften, könnte ein anderes Vorhaben der SPD möglicherweise bürokratiemindernd wirken: In einer „Kindergrundsicherung“ sollen „bislang einzeln ausgezahlte, einzeln zu beantragende und zum Teil aufeinander anzurechnende Leistungen (wie etwa Kindergeld, Kinderfreibetrag, Kinderzuschlag, Bildungs- und Teilhabepaket oder Leistungen aus dem SGB II)“ zusammengeführt werden. Das würde immerhin die Möglichkeit zum Abbau von Verwaltungsaufwand bieten.

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