Erhards Ziel lautete „Wohlstand für alle“. Ist dieses Ziel erreicht?
In unserem Land in weiten Teilen ja, aber wir müssen noch besser werden. Das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft muss unbedingt erneuert werden. Wir müssen noch viel mehr für Durchlässigkeit in der Gesellschaft und für Bildungschancen unabhängig vom Elternhaus tun. Auch die Rahmenbedingungen für breite Vermögensbildung müssen dringend verbessert werden, etwa durch ein entsprechendes Steuerrecht. Durch eine Grunderwerbsteuer von bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises wird der Traum von den eigenen vier Wänden unnötig erschwert. Wir brauchen kein Volkseigentum, sondern ein Volk von Eigentümern.
Welche Rolle spielt die wachsende Ungleichverteilung von Vermögen? Rund die Hälfte der Bevölkerung hat keine Immobilie und auch sonst kein Vermögen, während die Konzentration großer Vermögen in der Hand weniger Menschen zunimmt.
Wir müssen die Bildung von Eigentum konsequent erleichtern. Nehmen Sie nur den Sparerfreibetrag. Der ist immer weiter abgesenkt worden, obwohl der Bedarf an privater Altersvorsorge eher gestiegen ist. Der Staat muss umdenken – wir müssen den Menschen mehr übriglassen und dürfen es ihnen nicht so schwer machen, aus ihrem selbst verdienten Geld Eigentum und Vermögen aufzubauen. Die Nebenkosten des Immobilienerwerbs müssen dringend reduziert werden. Sie hindern Menschen aus der Mittelschicht daran, Wohneigentum zu erwerben und fördern damit gerade die Konzentration von Eigentum bei wenigen Großinvestoren.
Was Erhard in sein Modell der sozialen Marktwirtschaft nicht einbezogen hat ist die ökologische Dimension. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ taucht bei ihm nicht auf.
Der progressive Stilgedanke der sozialen Marktwirtschaft muss ausgestaltet und auf neue Herausforderungen angewendet werden. Dabei ist das Prinzip von Effizienz durch Wettbewerb auch auf den Klimaschutz anwendbar, vor allem durch den Einsatz der marktwirtschaftlichen Steuerungselemente von Angebot, Nachfrage und Preis.
Geht es etwas genauer?
Die natürlichen Ressourcen sind ein knappes Gut und wir müssen dazu kommen, die oft noch externen Kosten, die durch Umweltverbrauch entstehen, in die Preise mit einzubeziehen. Dafür bildet der Handel mit Emissionszertifikaten gute Möglichkeiten. Derzeit wird er nur bei der Energieerzeugung angewendet, aber wir müssen ihn auch auf den Bereich Gebäude und Wärme anwenden und auf den Verkehrssektor erstrecken. Da ist noch einiges zu tun. Klar ist aber, dass sich nur mit mehr Marktwirtschaft mehr Umweltschutz erreichen lässt und nur so dem Klimawandel erfolgreich entgegengewirkt werden kann.
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