Soziale Verantwortung Qualität schlägt Moral

Unternehmen, die sich mit ihrer sozialen Verantwortung anpreisen, können nicht mit der Dankbarkeit der Verbraucher rechnen. Der Stellenwert, den Kunden der Corporate Social Responsibility zumessen, variiert zudem von Produkt zu Produkt.

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Qualität schlägt Moral Quelle: Universität Gießen

Der Ruf, Unternehmen sollten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, ist laut.

Viele Berater versprechen den Unternehmen nicht nur ein besseres Image, sondern auch tolle Verkaufserfolge, wenn sie mehr gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility oder kurz CSR) an den Tag legen.

Umfragen zufolge fordern sozial sensibilisierten Verbraucher von den Unternehmen soziale Verantwortung ein.

Doch honorieren sie dies auch an der Ladenkasse? Und ist schon allein die Frage danach politisch inkorrekt?

Da hält die praktische Erfahrung Überraschungen bereit: So gab in einer Untersuchung der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie jeder fünfte Verbraucher an, er kaufe lieber Bioprodukte.

Doch deren Marktanteil beträgt gerade mal 3,1 Prozent.

Fast jeder zweite Befragte bevorzugt angeblich umweltverträgliche Produkte bei Waschmittel und Haushaltsreiniger.

Doch auch diese Präferenz schlägt sich nicht in einem entsprechenden Marktanteil nieder – er liegt bei 5,4 Prozent. Nach der Schließung des Nokia-Werkes in Bochum wurde sogar zum Boykott aufgerufen. Nur vergaßen viele Menschen beim Anblick eines schönen Nokia-Handys solche Aufrufe – und kauften sich eins.

Rückschlüsse auf Qualität

Das Institut für Marken- und Kommunikationsforschung (IMK) an der Justus-Liebig-Universität Gießen untersucht derzeit, ob CSR das tatsächliche Kaufverhalten befördert.

Mehr als 420 Konsumenten wurden gefragt, welche Kriterien sie bei einer Kaufentscheidung heranziehen. Und zwar für eine Reihe unterschiedlicher Produktkategorien wie Milch, Kaffee, Körperpflegeprodukte, Reinigungsmittel, Elektrogeräte und Automobile.

Neben Kriterien wie Preis, Qualität und Marke ging es um CSR-Kriterien wie artgerechte Tierhaltung, umweltverträgliche Herstellung sowie soziale Aktivitäten.

Das Ergebnis ist erstaunlich: Dem Käufer von Kleidungsstücken sind die „faire Bezahlung und Behandlung der Mitarbeiter“ oder eine „umweltverträgliche Herstellung“ schlichtweg egal. Er legt Wert auf die Passform, auf gutes Design, Qualität, Preis und Marke.

Beim Kauf von Elektrogeräten, Milch, Fleisch- und Wurstwaren, Bananen, Möbeln, Kaffee, Reinigungsmitteln und Autos genießen CSR-Kriterien dagegen durchaus einen höheren Stellenwert. Allerdings mit der Einschränkung, dass sie in keiner Branche an erster, sondern bestenfalls an dritter Stelle stehen, zumeist hinter der Qualität und dem Preis.

Zentrales Ergebnis der Studie ist also, dass CSR oftmals überschätzt wird. Zwar kann ein Unternehmen durch solche Maßnahmen vielfach sein Image aufpolieren.

Das heißt allerdings nicht, dass der Konsument dafür bereit ist, tiefer in die Tasche zu greifen. Allerdings kann CSR indirekt einen zusätzlichen Ausschlag in der Kaufentscheidung geben, wenn die zentralen Produktcharakteristika erfüllt sind.

Auf eine artgerechte Tierhaltung bei der Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren oder auf den Verzicht auf chemische Pestizide und Düngemittel bei Bananen legen Konsumenten nicht nur aus Gründen eines verantwortlichen Umgangs mit der Natur viel Wert, vielmehr schließen sie davon auch auf eine bessere Qualität der Produkte.

In der Gießener Studie wurde zudem untersucht, ob es sich auszahlt, wenn CSR-Maßnahmen aktiv mit dem Verkauf verknüpft werden.

So unterstützt der Konsument mit dem Kauf einer Flasche Mineralwasser von Volvic den Brunnenbau in Äthiopien. Krombacher verspricht dem Konsumenten, durch den Kauf eines Kasten Bieres einen Quadratmeter Regenwald zu retten.

Das Ergebnis der Universität Gießen ist ernüchternd: Zwar fanden 79 Prozent der Befragten das Regenwald-Projekt von Krombacher gut.

Allerdings sind lediglich 51 Prozent der Meinung, dass diese Hilfe mit dem Produktverkauf verknüpft sein sollte. Einige Konsumenten halten Aktionen wie bei Krombacher für eher scheinheilig. Deren Aktion war dennoch erfolgreich. Vielleicht hatte der eine oder andere Mann zu Hause ja nun eine gute Begründung, wenn er einen Kasten mit nach Hause brachte.

Generell gilt jedoch: Nur wenn das nach außen demonstrierte gesellschaftliche Engagement in sich stimmig ist und zur Marke passt, können Kunden zum Kauf angeregt werden. Die einstige Debatte nach dem „ob“ hat sich in ein „wie“ verwandelt.

Zudem muss CSR nicht nur nach außen kommuniziert, sondern auch nach innen gelebt werden und sich über die gesamte Wertschöpfungskette erstrecken. Aktuellstes Negativbeispiel sind die Banken. Ihr CSR-Engagement von ökologisch korrekten Bürotürmen bis hin zu sozialem Sponsoring verpufft vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise.

 Am Ende müssen sich die Unternehmen darüber klar werden, welche Außenwirkung sie mit ihrem CSR-Engagement erreichen wollen. Grundsätzlich lassen sich drei Strategien unterscheiden:

-   Erstens kann CSR untrennbar mit der Markenidentität verknüpft sein, so bei der Kosmetikkette Body Shop. Der Gründerin lagen Umwelt, Tierschutz und soziale Verantwortung am Herzen. Dies setzte sie in ihren Produkten und Shops um.

-   Zweitens können CSR-Maßnahmen die Markenidentität ergänzen. So setzen Krombacher und Volvic auf eine zusätzliche soziale oder ökologische Dimension.

-   Drittens kann CSR den Verantwortlichen im Unternehmen einfach nur wichtig sein. So betreibt beispielsweise das Unternehmen Würth sein soziales und kulturelles Engagement unabhängig von seinem Schrauben- und Dübelgeschäft.

Natürlich gibt es weitere unternehmerische Gründe für CSR. Schließlich gibt es diverse Stakeholder, angefangen von den Mitarbeitern über Geschäftspartner bis hin zu Nichtregierungsorganisationen, bei denen sich besonderes gesellschaftliches Engagement auszahlen kann. Als Verkaufsargument dient CSR allen Versprechen zum Trotz nur bedingt.

Esch ist Professor für Marketing an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung sowie Gründer von ESCH Consultants.

Brunner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marken- und Kommunikationsforschung an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

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