Als 2010 herauskam, dass die nordrhein-westfälische CDU Gesprächs- und Fototermine mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers an zahlungskräftige Sponsoren verkauft hatte, schlugen die Wellen hoch. Das Ganze ging als „Rent-a-Rüttgers“-Affäre in die Annalen ein. Nun könnte die SPD ein ähnliches Debakel erleben.
Nach einem Bericht des ZDF-Magazins „Frontal21“ soll eine SPD-Agentur gegen Geld Termine mit SPD-Bundesministern und anderen Spitzenfunktionären anbieten. Solche Treffen können demnach von Unternehmen oder Lobbygruppen für 3000 bis 7000 Euro bei der SPD-Agentur Network Media GmbH (NWMD) gebucht werden. Experten äußerten dem Magazin gegenüber den Verdacht, es könne möglicherweise ein Verstoß gegen das Parteiengesetz vorliegen.
Teilnehmer gesponserter Gespräche waren laut „Frontal21“ in der Vergangenheit unter anderem die SPD-Politiker Justizminister Heiko Maas, Arbeitsministerin Andrea Nahles, Umweltministerin Barbara Hendricks, Familienministerin Manuela Schwesig, Bundestags-Fraktionschef Thomas Oppermann sowie Generalsekretärin Katarina Barley. Auch der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Matthias Machnig und der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sollen an „vorwärts-Gesprächen“ teilgenommen haben. „Vorwärts“ ist die hauseigene SPD-Zeitung.
Die SPD-Agentur NWMD bestätigte dem Magazin zufolge, dass gesponserte Gespräche mit SPD-Spitzenpolitikern stattgefunden haben. Die genaue Anzahl will die Agentur jedoch nicht nennen. In den vergangenen fünf Jahren habe es im Schnitt „weniger als zehn Gespräche dieser Art pro Jahr gegeben“, schreibt die Agentur. Auf Nachfrage erklärte die SPD-Agentur, dass weder Vorwärts noch NWMD Gesprächstermine mit Entscheidern gegen Geld „verkaufen“. Es gehe darum, Partner zu finden, die die durch eine Veranstaltung entstehende Kosten übernehmen. NWMD ist eine SPD-Tochterfirma, die unter dem Dach der SPD-geführten Druck- und Verlagsgesellschaft (dvvg) agiert.
Die SPD-Führung
Seit 2009 Parteichef, macht die SPD in regelmäßigen Abständen mit Alleingängen nervös. War im Sommer in der Krise, bekam beim Ja zur Vorratsdatenspeicherung reichlich Gegenwind. Punktete in der Flüchtlingskrise aber wieder. Hat Anspruch auf Kanzlerkandidatur 2017 angemeldet. Bei seiner Rede gab er sich staatsmännisch und warb für einen Kurs der Mitte. Die Linke goutierte das nicht. Die herbe Quittung: Nur 74,3 Prozent nach 83,6 Prozent vor zwei Jahren.
Landesmutter in Nordrhein-Westfalen, lange als Gabriel-Konkurrentin gehandelt, will von Bundespolitik aber nichts mehr wissen. Konzentriert sich voll auf die Landtagswahl 2017 an Rhein und Ruhr. In der Flüchtlingskrise wieder präsenter. Parteivize seit 2009, bei der letzten Parteitagswahl vor zwei Jahren 85,6 Prozent. Am Freitag fehlte sie wegen Fieber und Schüttelfrost. Geschadet hat es nicht: Sie kam auf 91,4 Prozent Zustimmung.
Seit 2011 SPD-Vize (Wahl 2013: 79,9 Prozent). Die Flüchtlingskrise wäre für die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung eigentlich die große Zeit, um Akzente zu setzen. Sie blieb bislang aber eher blass - auch als Parteivize. Geht mit ihrer zurückhaltenden Art im SPD-Gefüge etwas unter. Als einzige Migrantin unter den Vizes hat die Tochter türkischer Kaufleute in diesen Zeiten dennoch einen festen Platz. Der Lohn: 83,6 Prozent.
Landes- und Fraktionschef der hessischen SPD, wird oft unterschätzt, müht sich um bundespolitisches Profil. „TSG“ kümmert sich auch um die internationalen SPD-Kontakte. Der Mann mit den dicken Brillengläsern - in der Jugend drohte er zu erblinden - ist glühender Bayern-Fan, trat aus Protest gegen die Hoeneß-Steueraffäre aber beim Rekordmeister aus. Bekam 2013 als Vize 88,9 Prozent. Schaffte das Resultat diesmal fast: 88,0 Prozent.
Wird als kluger Verhandler in der SPD geschätzt, wie bei den Bund-Länder-Finanzen. Für den Fall, dass Gabriel irgendwann nicht mehr will oder darf, fällt stets auch sein Name. Hat bei den Delegierten aber oft einen eher schweren Stand. Vor zwei Jahren bekam er als Vize nur 67,3 Prozent. Das Nein seiner Hamburger zur Olympia-Bewerbung der Hansestadt war für Scholz ein Dämpfer. Der Parteitag leistete etwas Aufbauarbeit: 80,2 Prozent.
Seit 2009 Parteivize (Wahl 2013: 80,1 Prozent). Die Bundesfamilienministerin hat sich in der SPD einen guten Stand erarbeitet - gerade mit ihrem Thema Frauen und Familie. Früher intern mitunter belächelt, gilt sie heute als wichtige Figur im Parteiengefüge, mit Aussicht auf höhere Aufgaben. Mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann soll sie das Wahlprogramm für 2017 erarbeiten. Erwartet derzeit ihr zweites Kind. Die Delegierten bescherten ihr mit 92,2 Prozent das beste Ergebnis aller Vizes.
Allzweckwaffe vom linken Flügel, SPD-Erklärbär auf allen Kanälen. Träumt seit Jahren davon, Generalsekretär zu werden - darf aber nicht, weil es nach dem Fahimi-Rückzug wieder eine Frau sein sollte. Der Kieler Landeschef erhielt 2013 bei seiner Wahl zum Vize 78,3 Prozent. Auch er kann sein Niveau in etwa halten: 77,3 Prozent.
Von Gabriel als Generalsekretärin ausgeguckt. Bislang in der Bundespolitik kaum in Erscheinung getreten. Sitzt seit 2013 im Bundestag, muss nun den nächsten Wahlkampf vorbereiten. Machte vor der Politik Karriere als Juristin. Kein Wadenbeißer-Typ, eher ruhig, zurückhaltend. Muss sich in der SPD erst noch einen Namen machen. Der Parteitag gibt ihr mit 93 Prozent eine großen Vertrauensvorschuss. Fast 20 Punkte mehr als ihr künftiger Chef Gabriel.
„Es liegt der Anfangsverdacht vor, dass hier gegen das Parteienrecht verstoßen worden ist“, zitierte „Frontal21“ gleichwohl den Münchner Rechtsexperten Frank Saliger. Diese Art des Sponsorings sei „eine sehr intelligente, aber im Endeffekt trotzdem rechtswidrige Umgehung der Parteienfinanzierung“, sagte demnach auch die Konstanzer Verwaltungsrechtlerin Sophie Schönberger.