SPD Der Kater nach dem Schulz-Rausch

Erst will die SPD Eckpunkte ihres Programms vorstellen, dann nicht, dann doch, dann wird die Parteizentrale wegen eines auffälligen Gegenstands geräumt. Nach dem Schulz-Hype versinken die Genossen in Orientierungslosigkeit.

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Das Zurückziehen des SPD-Programms zeichnet das Bild einer tief verunsicherten Partei, die nun nicht einmal mehr bei den groben Linien einen Konsens finden kann, meinte unsere Redakteurin Heike Anger. Quelle: dpa

Berlin Konfus und orientierungslos – diesen Eindruck erweckt derzeit die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Vom Schulz-Effekt ist nichts mehr übrig. Schlimmer noch: Statt nach den krachenden Wahlniederlagen in den Ländern nun Entschlossenheit und Kampfeswillen zu demonstrieren, gab es zum Wochenstart zunächst das große Zaudern und Zurückrudern.

Bei den Genossen geht es gehörig drunter und drüber: Eigentlich wollte die SPD an diesem Montag Kerninhalte ihres Wahlprogramms vorstellen. An dem Leitantrag wird seit Monaten gebastelt, seit einer Woche liegt ein fertiger Entwurf vor. Der Beschluss des Parteivorstandes schien da nur noch eine Formalie, zumal die eigentlichen Top-Themen wie Rente und Steuern noch gar nicht im Konzept enthalten sind. Der inhaltliche Aufschlag ist dringend nötig, denn mit den Eckpunkten möchte Schulz die heiße Wahlkampfphase einläuten und wieder in die Offensive kommen.

Doch dann die große Verwirrung. Am späten Sonntagabend sagte die SPD zunächst die für den Montag geplante Verkündung des Wahlprogramms ab. Es gebe erhöhten Gesprächsbedarf, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, hieß es. Aus dem Parteivorstand soll es zahlreiche Änderungsanträge geben, die noch beraten werden müssten.

Eine solche Entscheidung kann nur Kopfschütteln auslösen. Das Zurückziehen des SPD-Programms zeichnet das Bild einer tief verunsicherten Partei, die nun nicht einmal mehr bei den groben Linien einen Konsens finden kann. Denn große Neuigkeiten oder wirkliche Kracher finden sich in dem 67-seitigen Papier kaum. Bei einem ohnehin angeschlagenen Kandidaten dürfte ein solches Lavieren die denkbar schlechteste Variante sein.

Das ist dann wohl auch den Parteistrategen im Willy-Brandt-Haus aufgefallen. Am Montagmorgen hieß es plötzlich, die Eckpunkte des SPD-Wahlprogramms würden nun doch im Parteivorstand beschlossen und danach der Öffentlichkeit präsentiert. Schulz wollte einen „großen Wurf“ wie er beteuerte. Doch nun sieht es eher nach einem ordentlichen Reinfall aus.

Am Wochenende sprach der SPD-Kanzlerkandidat auf dem Parteitag der Bayern-SPD von einer „Durststrecke“ und „harten Tagen“. Er und seine Partei tun derzeit alles dafür, dass sich dieser Zustand verstetigt – vielleicht bis zur Bundestagswahl am 24. September.

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