
„Wir dürfen im Idealfall keine Umgehungsmöglichkeiten mehr zulassen“, sagt Binding der WirtschaftsWoche. Kommende Woche verhandelt das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage. „Bleibt es aber bei einer Besserstellung von Betriebsvermögen, muss der Erhalt von Arbeitsplätzen auch nach dem Erbfall garantiert werden“, sagte Binding weiter. „Wichtig ist, dass die anfallende Steuer arbeitsplatzneutral beglichen werden kann.“
Genau das bezweifeln jedoch die Finanzexperten der Union. So verweist der CDU/CSU-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus gegenüber der WirtschaftsWoche auf das Problem der Unternehmensbewertung im Erbschaftsfall: „Sollte Betriebsvermögen nicht mehr freigestellt werden, erhält die Unternehmensbewertung eine entscheidende Bedeutung.“ Das berge jedoch Risiken: Während früher Unternehmen im Erbfall nach ihrem sehr niedrigen Bilanzwert beurteilt wurden, zählt heute der Verkehrswert. Der ist nicht nur schwerer zur ermitteln, weil auch Markenwerte oder erwartete zukünftige Erträge mit einfließen. „Es geht darum, die Belastung für Betriebe und Arbeitsplätze – nicht für einzelne Personen – möglichst gering zu halten.“
Die Warnung vor dem Verlust von Arbeitsplätzen hält der Wirtschaftsweise Lars Feld währenddessen für überzogen. „Die Warnung vor Arbeitsplatzverlusten ist absichtliche Panikmache“, sagte Feld der WirtschaftsWoche. „Die derzeitige Befreiung von Betriebsvermögen ist zu generös. Es gibt zu viele Gestaltungsmöglichkeiten, die dazu führen, dass gerade besonders große Privatvermögen bei Vererbung verschont werden.“
Zu mehr Gelassenheit rät auch der Chef des Sportbekleidungsherstellers Trigema, Wolfgang Grupp: „Ich habe noch nie gehört, dass ein Unternehmen wegen der Erbschaftsteuer pleite ging“, sagte Grupp der WirtschaftsWoche.
Wie Betriebsnachfolger ihren Steuervorteil selbst berechnen können
Das Betriebsvermögen entspricht dem letzten Jahresgewinn x 14.
Der Faktor 14 ist der sogenannte Kapitalisierungsfaktor, der für jedes Steuerjahr vom Bundesfinanzministerium bestimmt wird.
Das steuerpflichtige Vermögen entspricht dem Betriebsvermögen, abzüglich der 85 % Verschonungsbetrag. Künftig soll es ab einem Betriebsvermögen von 20 Millionen Euro eine sogenannte Bedürfnisprüfung geben. Wird dabei festgestellt, dass das Unternehmen durch Steuerschuld auf die Übertragung (Erbe oder Schenkung) gefährdet wäre, soll die Steuerzahlung auch gestundet werden.
Die Steuerschuld ergibt sich aus dem steuerpflichtigen Vermögen minus 150.000 Euro Abzugsbetrag. Der Abzugsbetrag von 150.000 Euro ist degressiv. Bleiben nach Abzug der 85 Prozent höchstens 150.000 Euro übrig, greift er voll. Bei höherem Rest, von diesem 150.000 Euro abziehen, durch zwei teilen, diesen Betrag von 150.000 Euro abziehen und das Ergebnis als Abzugsbetrag nehmen.
Von der in Schritt drei ermittelten Steuerschuld muss nur noch der persönliche Freibetrag abgezogen werden. Das Ergebnis ist endgültig zu versteuern. Der persönliche Freibetrag beträgt zum Beispiel für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner 500.000 Euro, für Kinder 400.000 Euro Die Steuersätze liegen in ihrer Steuerklasse bei sieben Prozent (bis 75.000 Euro), elf Prozent bis 300.000 Euro, 15 Prozent bis 600.000 Euro und 19 Prozent bis sechs Millionen Euro.
SPD-Vize Stegner stellt Vermögensteuer in Frage
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner bietet einen Verzicht der Vermögensteuer an, falls die große Koalition die Erbschaftsteuer überarbeitet: „Wenn wir eine Erbschaftsteuerreform hinbekommen, die robust ist und Mehreinnahmen in Milliardenhöhe bringt, könnten wir auf die Vermögensteuer verzichten“, sagte Stegner der WirtschaftsWoche. Eine stärkere Besteuerung von Vermögen gehörte bisher zu den Kernforderungen der SPD-Linken.
Hintergrund von Stegners Vorschlag ist die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer in der kommenden Woche. Derzeit werden betriebliche Vermögen bei Vererbung weitgehend geschont. Stegner hält dies für falsch: „Wir besteuern Arbeit stärker als Kapital und Vermögen. Das ist leistungsfeindlich und ungerecht“, sagte er der WirtschaftsWoche.