SPD GroKo-Befürworter trommeln für Koalitionsgespräche

Die Union würde gerne mit der SPD regieren – aber gilt das auch umgekehrt? Ob es überhaupt zu Koalitionsgesprächen kommt, entscheidet der SPD-Parteitag am Sonntag. Die Anhänger legen sich dafür ins Zeug.

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SPD: GroKo-Befürworter trommeln für Koalitionsgespräche Quelle: dpa

Berlin Kurz vor der mit Spannung erwarteten SPD-Entscheidung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union werben sozialdemokratische Befürworter massiv um die Skeptiker. Rund 40 SPD-Politiker aller Flügel plädieren in einem Aufruf für Koalitionsgespräche - „aus Verantwortung für Deutschland, Europa und die SPD“, wie es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Appell heißt. Zu den Unterzeichnern zählen auch die ehemaligen Juso-Vorsitzenden Niels Annen und Björn Böhning.

Zumindest bei den Wählern macht die Partei mit ihrem Kurs aber wenig Punkte. In dem am Freitag veröffentlichten ZDF-„Politbarometer“ stürzte die SPD auf 20 Prozent ab.

Das sind drei Prozentpunkte weniger als noch Anfang Dezember. Und das Ergebnis ist noch schlechter als bei der Bundestagswahl, bei der die SPD auf den historischen Tiefpunkt von 20,5 Prozent abgerutscht war. Die Werte seien vor dem Hintergrund einer durchwachsenen Bewertung der in den Sondierungsgesprächen mit der CDU und CSU erreichten Ergebnisse zu sehen, heißt es. Insgesamt finden diese Ergebnisse 38 Prozent der Befragten gut und 41 Prozent nicht gut.

Wenn am nächsten Sonntag gewählt würde, käme die CDU/CSU laut „Politbarometer“ auf 33 Prozent (plus 1 im Vergleich zu Anfang Dezember), das entspricht dem Bundestagswahlergebnis der Union. Die AfD würde 12 Prozent erreichen (unverändert im Vergleich zum Dezember, Bundestagswahl: 12,6). Die FDP käme auf 8 Prozent (unverändert, Bundestagswahl: 10,7), die Linke auf 10 Prozent (plus 1, Bundestagswahl: 9,2). Die Grünen könnten mit 12 Prozent rechnen (unverändert, Bundestagswahl: 8,9).

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) räumte am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“ ein, die Situation sei „eine sehr schwierige für die SPD. „Aber ich würde Umfragen zurzeit nicht als Kompass nehmen.“ Gegnern einer großen Koalition warf sie „Oppositionsromantik“ vor. „Für mich steht außer Frage: Die Partei muss sich erneuern“, sagte sie dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. „Das ist aus meiner Sicht auch als Teil einer Regierung möglich.“ Auch bei einer YouGov-Umfrage im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur stellen die Befragten der SPD kein gutes Zeugnis aus. Die überwiegende Mehrheit sieht sie als Verliererin der Sondierungsgespräche mit der Union. Demnach vertreten nur 9 Prozent die Auffassung, dass die Sozialdemokraten am meisten durchgesetzt haben. 29 Prozent meinen dagegen: die CDU. Immerhin noch 15 Prozent sagen das über die CSU. 17 Prozent finden, alle drei Parteien haben gleich gute Ergebnisse erzielt. 30 Prozent machen keine Angaben. Bei einem SPD-Sonderparteitag in Bonn stimmen am Sonntag 600 Delegierte darüber ab, ob das Sondierungsergebnis ausreicht und ihre Partei in förmliche Vertragsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigen soll.

Den Widerstand gegen eine Neuauflage der GroKo führt die SPD-Nachwuchsorganisation mit ihrem Vorsitzenden Kevin Kühnert an. Die Jusos fürchten nach dem desaströsen Bundestagswahlergebnis eine Verwässerung des Profils der Partei und einen weiteren Niedergang. Das Sondierungsergebnis unterstreiche die generellen Bedenken gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot, sagte Kühnert in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. „Denn viele zentrale Forderungen der SPD konnten dort nicht durchgesetzt werden.“ Trotz der konträren Ansichten in der SPD drohe der Partei aber kein Auseinanderbrechen.

Zuvor hatte die Vizevorsitzende Manuela Schwesig vor einer Spaltung gewarnt. Parteichef Martin Schulz trommelte bei den SPD-Mitgliedern erneut für die Große Koalition. In einem Rundschreiben per Mail, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, erklärt er, die Entscheidung beim Bundesparteitag am Sonntag in Bonn sei „von enormer Bedeutung für die Zukunft in Deutschland (...), in ganz Europa - und für die SPD“. Er betont: „Ich selbst bin überzeugt, dass es sich lohnt, mit CDU und CSU Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.“ Auch im „Spiegel“ warnte Schulz vor einer Absage an Koalitionsgespräche. „Dann würde es zu Neuwahlen kommen, und zwar ziemlich rasch“, sagte er. Auch die SPD müsse dann mit einem schlechteren Ergebnis rechnen. Zudem müsse die SPD dann mit einem Programm in den Wahlkampf ziehen, das in großen Teilen mit dem Sondierungsergebnis identisch sei, sagte Schulz und fügte hinzu: „Wie absurd wäre das denn?“

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