SPD-Personalpolitik Olafs rote Kämpferinnen

2019 saßen die beiden SPDlerinnen noch gemeinsam im Bundestag: Andrea Nahles (links) und Yasmin Fahimi. Quelle: imago images

Keine gesellschaftliche Gruppe ist für die SPD bedeutsamer als die Arbeitnehmer. Mit zwei wichtigen Personalien festigt Olaf Scholz jetzt seine Macht im sozialdemokratischen Kernbereich – gegen die Arbeitgeber.

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Die Ex-SPD-Vorsitzende Andrea Nahles rückt an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit und die frühere SPD-Generalsekretärin und Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Yasmin Fahimi, wird neue DGB-Chefin. Besser hätte es für Bundeskanzler Olaf Scholz und seine sozialdemokratischen Strategen nicht laufen können. Zwar ist das Votum der acht großen Einzelgewerkschaften für die Neubesetzung der DGB-Spitze keine Entscheidung der Bundesregierung. Aber für das in den vergangenen Jahren doch recht wechselhafte Verhältnis zwischen SPD und Arbeitnehmervertretern kann es nur gut sein, wenn der Vorsitz des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum ersten Mal von einer Frau und dann auch noch von einer aktiven Berufspolitikerin in Diensten der Genossen übernommen wird.

Eingefädelt hat den Deal der heutige Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der ebenfalls eine Zeit lang Generalsekretär der SPD war und der in der Partei bis heute die Strippen zieht.

Die 54-jährige Fahimi, frühere Gewerkschaftssekretärin der IG BCE, ist seit 2017 Bundestagsabgeordnete, davor war die Diplom-Chemikerin beamtete Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, das zu dieser Zeit von Andrea Nahles geführt wurde. Davor war Fahimi, deren Lebensgefährte IG-BCE-Chef Michael Vassilliadis ist, knapp zwei Jahre lang Generalsekretärin der SPD.

Neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit wird Andrea Nahles. Die Ex-Bundesministerin wird sich bald um einen Arbeitsmarkt kümmern müssen, der sich durch Corona ziemlich gewandelt hat.
von Sophie Crocoll

Erfolg erst im zweiten Anlauf

Fahimi gilt als absolut parteitreu, was in der Kommunikation gelegentlich als hölzern wahrgenommen wurde und was ihr in der medialen Wahrnehmung als SPD-Managerin manchmal auf die Füße fiel. Ihre Kritiker halten ihr „ein fast schon stalinistisches Freund-Feind-Denken“ vor, wie ein Gewerkschaftskollege sagt. Obwohl Fahimi erst im zweiten Anlauf ausgesucht wurde, gilt ihre Wahl zur ersten weiblichen DGB-Chefin auf dem Gewerkschaftskongress im Mai als sicher – vielleicht auch wegen des bis dato recht holprigen Nominierungsverfahrens. Es war nämlich ausgerechnet ihr Lebensgefährte Michael Vassilliadis, dem als dienstältester Gewerkschaftschef die Aufgabe der Kandidatenfindung zufiel. Als er sich nach mehreren vergeblichen Anläufen schließlich selbst für die DGB-Spitze ins Spiel brachte, verweigerten die anderen Vorsitzenden ihm die notwendige Zustimmung. Dass Vassilliadis dann bei der anschließenden erneuten Suche ausgerechnet auf seine Lebensgefährtin kam, hat auch komische Züge.

Eigentlich hätte das Vorschlagsrecht für die Nachfolge des aus Altersgründen ausscheidenden DGB-Chefs Reiner Hoffmann der IG-Metall zugestanden, der mit 2,3 Millionen Mitgliedern größten und einflussreichsten Einzelgewerkschaft. Deren Vorsitzender Jörg Hofmann wollte in Vorbereitung des 2023 anstehenden Führungswechsels eigentlich seine heutige Stellvertreterin Christiane Benner an die DGB-Spitze wegloben, um intern Platz für seine Wunschnachfolger zu schaffen: den Hauptkassierer Jürgen Kerner und den baden-württembergischen Bezirksleiter Roman Zitzelsberger, ein erfahrener Tarifpolitiker. Doch Benner weigerte sich – man darf dahinter die Absicht vermuten, dass sie selbst an die Spitze der IG-Metall strebt.

Arbeitgeber waren gegen Nahles

Für das Lager der Arbeitgeber, die gerade schon 12 Euro Mindestlohn schlucken müssen, bedeuten die neuen Personalien in Verbindung mit der größten Regierungspartei mehr Stress; in der Wirtschaft stellt man sich auf eine härtere Gangart ein. Dort gab es vor allem gegen die Berufung von Ex-SPD-Chefin Andrea Nahles hinhaltenden Widerstand. Im Sommer hatten die Arbeitgeber versucht, die Nachfolge von BA-Präsident Detlef Scheele noch vor der Bundestagswahl zu regeln. Als Scholz und Heil dann nach der Wahl Nahles vorschlugen, setze ein intensives Ringen ein – die im Verwaltungsrat vertretenden Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politiker müssen für die Spitze der BA einen einvernehmlichen Vorschlag machen. Nahles sei „zu links“, hieß es in Wirtschaftskreisen, die 51-Jährige polarisiere zu stark.

Doch Scholz und Heil setzten sich durch – als Gegenleistung dürfen die Arbeitgeber nun zwei neue Vorstandsmitglieder vorschlagen. Das ist zum einen Vanessa Ahuja, Abteilungsleiterin im Bundesarbeitsministerium sowie zum anderen die Personalmanagerin Katrin Krömer, Leiterin der Personal- und Führungskräfteentwicklung bei der Deutschen Bahn.

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Nahles war 2019 nach langen Querelen mit ihrer Partei und einer historischen Niederlage bei der Europawahl aus der Politik ausgeschieden und hat seitdem in Bonn die Bundesanstalt für Post und Telekommunikation geleitet. Die BA ist nun eine wesentlich größere Herausforderung. Die mit 100.000 Beschäftigten größte deutsche Behörde soll nicht nur Arbeitslose unterstützen und dabei helfen, die Qualifizierung der Arbeitnehmer für die sich rasch wandelnde Berufswelt zu sichern. Nahles wird bald das Bürgergeld der Ampelkoalition umsetzen müssen und ihr wird die politisch heikle Aufgabe zufallen, das Kurzarbeitergeld nach dem Ende der Pandemie wieder zurückzufahren.

Mehr zum Thema: Neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit wird Andrea Nahles. Die Ex-Bundesministerin wird sich bald um einen Arbeitsmarkt kümmern müssen, der sich durch Corona ziemlich gewandelt hat.

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