Nach dem Rückzug vom SPD-Vorsitz zwingt die SPD Martin Schulz auch zum Verzicht auf den Posten des Außenministers. Schulz will damit den Weg freimachen für eine Zustimmung der Parteimitglieder für eine neue große Koalition. Schulz erklärte am Freitag nach massivem Druck aus den eigenen Reihen, er wolle nicht mehr in eine neue Bundesregierung eintreten. Zuvor drohte der geplante Wechsel von Schulz ins Auswärtige Amt zu einer großen Belastung beim Mitgliederentscheid über eine Neuauflage des in der SPD ungeliebten Bündnisses mit der Union zu werden.
Schulz hatte nach dem Debakel der SPD bei der Bundestagswahl im September ausgeschlossen, in ein Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einzutreten. Nach der Koalitionseinigung mit der Union hatte der 62-Jährige am Mittwoch aber erklärt, dass er Außenminister werden wolle. Viele in der SPD warfen ihm deshalb Wortbruch vor.
Hintergrund für Schulz' Verzicht ist offensichtlich der Unmut an der SPD-Basis und besonders im größten Landesverband Nordrhein-Westfalen. Auch der frühere Parteichef und geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel hatte Schulz massiv kritisiert. Gabriel hatte im Januar 2017 zugunsten von Schulz auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur verzichtet, um Außenminister zu werden.
Martin Schulz verzichtet auf Ministeramt
"Der von mir gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausverhandelte Koalitionsvertrag sticht dadurch hervor, dass er in sehr vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessern kann. Ich habe immer betont, dass - sollten wir in eine Koalition eintreten – wir das nur tun, wenn unsere sozialdemokratischen Forderungen nach Verbesserungen bei Bildung, Pflege, Rente, Arbeit und Steuer Einzug in diesen Vertrag finden. Ich bin stolz sagen zu können, dass das der Fall ist. Insbesondere ist die Neuausrichtung der Europapolitik ein großer Erfolg. Umso mehr ist es für mich von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen, weil sie von dessen Inhalten genauso überzeugt sind, wie ich es bin. Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurückstehen müssen."
Mehr als ein Jahr später steht Schulz nun vor einem Scherbenhaufen. Denn nach der Einigung mit der Union hatte er bereits angekündigt, nach dem SPD-Mitgliedervotum den Parteivorsitz an Fraktionschefin Andrea Nahles abzugeben.
Schulz erklärte am Freitag in Berlin, durch die Diskussion um seine Person sehe er ein erfolgreiches Votum für Schwarz-Rot als gefährdet an. „Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind.“
Zugleich erklärte Schulz, der von ihm gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausgehandelte Koalitionsvertrag könne in sehr vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessern. „Ich habe immer betont, dass - sollten wir in eine Koalition eintreten - wir das nur tun, wenn unsere sozialdemokratischen Forderungen nach Verbesserungen bei Bildung, Pflege, Rente, Arbeit und Steuer Einzug in diesen Vertrag finden. Ich bin stolz sagen zu können, dass das der Fall ist.“ Besonders die Neuausrichtung der Europapolitik sei ein großer Erfolg, erklärte der ehemalige EU-Parlamentspräsident Schulz.
Martin Schulz - ein Rückblick in Zitaten
„Ich habe von Anfang an vor dem Schulz-Hype gewarnt. Ich kann aber nicht ausschließen, dass ich mich selber davon habe beeindrucken lassen.“ (in der „Zeit“ auf die Frage, welche Fehler er bis dahin im Wahlkampf gemacht habe, Mai 2017)
„Frau Merkel wird in den letzten zehn Tagen wahrscheinlich noch von dem einen oder anderen immer noch für unschlagbar gehalten. Aber am 25. heißt der Bundeskanzler Martin Schulz.“ (in einem Interview der Sender Phoenix und Deutschlandfunk zu seinen Chancen bei der Bundestagswahl, August 2017)
„Mit dem heutigen Abend endet zugleich unsere Zusammenarbeit mit der CDU und der CSU in der großen Koalition (...) Angela Merkel hat in den vergangenen Wochen ihre Präferenz für eine Koalition aus Union, FDP und Grünen zu erkennen gegeben. Zu dieser Regierung steht die SPD in Opposition.“ (am Abend der Bundestagswahl, September 2017)
„Ja, ganz klar. In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten.“ (am Tag nach der Bundestagswahl, September 2017)
„In den Wochen nach der Wahl haben wir ein denkbar schlechtes Bild abgegeben. Öffentlich wurde bei uns mehr über Personalfragen als über Inhalte gestritten. Das darf uns so nie wieder passieren.“
„Wir müssen die Distanz zwischen oben und unten überbrücken. In der Gesellschaft und in der Partei.“ (beide Zitate auf dem SPD-Bundesparteitag in Berlin über Probleme der Partei, Dezember 2017)
„Man muss nicht um jeden Preis regieren. Das ist richtig. Aber man darf auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen. Das ist auch richtig. “ (beim Bonner SPD-Sonderparteitag zu Koalitionsverhandlungen mit der Union, Januar 2018)
Der SPD-Mitgliederentscheid wird vom 20. Februar bis 2. März stattfinden, das Ergebnis am 4. März verkündet. Auf einem Sonderparteitag in Bonn im Januar hatte die SPD nur mit einer dünnen Mehrheit Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU gebilligt.
Vor allem der SPD-Nachwuchs ist gegen ein neues Bündnis mit der Unkion. Juso-Chef Kevin Kühnert beginnt am Freitagabend offiziell mit einer Kampagne gegen eine neue GroKo.
Mit dem doppelten Verzicht von Schulz wachsen nun die Chancen, dass die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag zustimmen. Andernfalls hatte es große Befürchtungen gegeben, dass der Personalstreit die Debatte über die sozialdemokratische Handschrift im Koalitionsvertrag überlagert.
Nahles: "Beachtliche menschliche Größe"
Die designierte SPD-Vorsitzende Nahles bescheinigte Schulz „beachtliche menschliche Größe“. „Wir alle wissen, wie schwer ihm diese Entscheidung nun gefallen ist“, erklärte die SPD-Fraktionschefin. „Die Entscheidung von Martin Schulz verdient höchsten Respekt und Anerkennung.“ Mit Schulz an der Spitze habe die SPD einen großen Erfolg in den Koalitionsverhandlungen erzielt. „Er selbst hat einen Durchbruch für eine neue Europapolitik erreicht.“
Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Berufung auf SPD-Kreise über Schulz' Verzicht berichtet. Die „Bild“-Zeitung hatte geschrieben, es gebe aus der SPD-Führung ein Ultimatum an Schulz, bis Freitagnachmittag auf das Außenamt zu verzichten. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gab es in der mächtigen SPD Nordrhein-Westfalens starke Bestrebungen, Schulz zu einem Ministeriumsverzicht zu bewegen - auch wenn es keine einheitliche Haltung gab. Der Chef des größten SPD-Landesverbandes NRW, Mike Groschek, hatte mit Blick auf Schulz' geplanten Wechsel ins Auswärtige Amt betont: „Es gibt Diskussionen um die Glaubwürdigkeit.“ Er verstehe die „Gefühlswallung und manche Faust auf dem Tisch“.
Wer für die SPD nun Außenminister werden soll, war zunächst unklar. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sprach sich dafür aus, dass Gabriel bleibt.
Gabriel hatte am Freitag Handlungsbereitschaft demonstriert. Nach seiner heftigen Kritik an Schulz teilte das Auswärtige Amt mit, dass der geschäftsführende Minister jetzt doch am kommenden Wochenende an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnimmt. Ein Konferenzsprecher hatte am Donnerstag gesagt, dass Gabriel seinen geplanten Auftritt abgesagt habe. Schulz habe zugesagt; dies dementierte die SPD später.
Der frühere SPD-Chef Gabriel hatte der Parteiführung am Donnerstag schwere Vorwürfe gemacht. In Zeitungen der Funke-Mediengruppe beklagte er, „wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt“. Es wird kolportiert, dass Schulz Gabriel bei dessen Verzicht auf den Vorsitz für den Fall einer neuen großen Koalition versprochen habe, dass er das Außenamt behalten dürfe. Ob das stimmt, ist unklar.
Unterdessen reißt auch in der CDU die Kritik am Koalitionsvertrag nicht ab. Im Zentrum steht der Verlust des Schlüsselressorts Finanzen an die SPD. Außerdem werden die Stimmen lauter, die von CDU-Chefin Merkel eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung der Partei fordern. „Es brodelt eigentlich an allen Stellen“, sagte der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak, im Deutschlandfunk. Ziemiak forderte noch vor dem CDU-Parteitag am 26. Februar - auf dem über die große Koalition abgestimmt werden soll - von der Parteispitze um Merkel ein Zeichen der Erneuerung. Die Union müsse sich wiederfinden auch in ihrer Aufstellung und ihrem Markenkern.