SPD-Steuerpolitik Politisches Un-Vermögen

Die SPD will in den kommenden Monaten ein neues Steuerkonzept erarbeiten. Schon in den vergangenen Wahlkampf zogen die Genossen einmal mehr mit der Forderung nach einer Vermögensteuer. Quelle: imago images

Die SPD will einfach nicht von der Vermögensteuer lassen. Dabei sollte den Sozialdemokraten das Grundsteuerdesaster eine Lehre sein. Fortschritt sieht jedenfalls anders aus. Ein Kommentar.

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Olaf Scholz wohnt in Potsdam zur Miete. Dass der Kanzler eine Wohnung oder ein Haus besäße, ist nicht überliefert. Sehr wahrscheinlich also, dass er in den vergangenen Monaten nicht das Vergnügen hatte, eine Grundsteuererklärung abzugeben. Schade eigentlich. Denn sonst wüsste Scholz, dass das mit der genauen Dokumentation von Immobilienvermögen eine ziemlich vertrackte Nummer sein kann.

Und dann würde er seiner Partei davon erzählen. Die SPD will in den kommenden Monaten ein neues Steuerkonzept erarbeiten. Schon in den vergangenen Wahlkampf zogen die Genossen einmal mehr mit der Forderung nach einer Vermögensteuer. Wenn die Juso-Chefin nun „eine Schippe drauflegen“ will, dürfte klar sein, was damit gemeint ist: ein Comeback der Reichenbesteuerung.

Warum nur, SPD? Warum immer dieselben alten Rezepte? Das Grundsteuerexperiment sollte doch schon jetzt allen eine Warnung sein.

Eine Besteuerung aller Vermögen, die umfassend, fair und auch noch irgendwie administrabel sein soll? Erscheint nach den jüngsten Erfahrungen wie ein Ding der Unmöglichkeit. Mit Grundstücken, Häusern und Eigentumswohnungen, mit Gemarkungen, Flurstücken und Bodenrichtwerten geht es ja erst los. Womöglich endet das Ganze bei Antiquitäten oder Omas Meissner Porzellan. Oder auch noch nicht. 

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Wer glaubt, steuerpolitisch „mehr Gerechtigkeit“ herstellen zu müssen, hat in Wahrheit längst alle Instrumente an der Hand, die er benötigt. Die wichtigsten sind Einkommen- und Erbschaftsteuer. Spürbare Entlastung der Arbeit und im Gegenzug höhere Steuern für Erbinnen und Erben: Warum eine Koalition, die sich für progressiv hält, diesen Weg nicht geht, ist mir schleierhaft.

Für die Erbschaftsteuer gibt es Reformvorschläge der Wirtschaftsweisen, die nicht des Sozialismus verdächtig sind. Und die auch nicht das Weltmarktführerland sofort über die Wupper führen. Die Steuersätze gerade für mittlere bis leicht überdurchschnittliche Einkommen dagegen stehen mittlerweile im offenen Gegensatz zum Mantra des „Leistung soll sich lohnen“. Wir zahlen Michelin-Preise für unser Staatswesen – und bekommen bestenfalls lauwarme bürgerliche Küche dafür zurück. 

Außerdem zucken leider gerade Sozialdemokraten meistens nur mit den Schultern, wenn die Sozialbeiträge steigen. Dabei wirken sie wie eine Flat Tax: fette 40 Prozent auf alles – außer die Gehälter, die jenseits der Bemessungsgrenzen liegen. Was bitte ist daran gerecht, liebe Genossen? 

Steuerpolitik anno 2023 heißt, dass uns eine Selbstverständlichkeit wie der Abbau der kalten Progression bereits als große Leistung, gar als Steuerreform verkauft wird. Sie bedeutet Wirrwarr um den Soli. Zu schlechter Letzt steht die Ampel leider eben auch für steigende Lohnnebenkosten ohne erkennbaren Reformwillen. „Mehr Fortschritt wagen“? Mehr Ehrlichkeit wäre ein Anfang. Gefolgt von mehr Ehrgeiz.

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