Noch ein Rentengesetz?
Nein. Wir legen politisch die Grundlagen für eine gute Rente. Dazu müssen wir viel früher anfangen – nicht erst bei der Rente selbst. Prekäre Beschäftigung bei der jüngeren Generation ist doch ein zentrales Thema – siehe Befristungen. Wir wollen außerdem jedem unter 35-Jährigen ohne abgeschlossene Berufsausbildung ermöglichen, dass er innerhalb von zehn Jahren einen Abschluss hinbekommt. Nicht nur, um diesen Menschen zu helfen, sondern auch, weil die deutsche Wirtschaft diese Menschen brauchen wird – schon sehr bald. Die Demografie schlägt zu. Und am Ende dreht sich doch alles wieder darum, dass Menschen sichere Arbeit haben.
Das sagen die Kritiker zum neuen Rentenpaket
Mit dem Kompromiss zur Beschäftigung über das Rentenalter hinaus zeigt sich der BDA zufrieden. Dennoch betonen die Arbeitgeber, dass die Rente ab 63 "insgesamt ein schwerwiegender und teurer Fehler bleibt".
Selbst aus den Reihen der CDU kommt Kritik an dem beschlossenen Gesetz. Jens Spahn, Mitglied der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, sagt: "Auch wenn die Rente mit 63 grundsätzlich ein falsches Signal bleibt, werde ich dem Paket mit diesen von uns erreichten Änderungen zustimmen."
Der rentenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Matthias Kuhrt, hält die Gesetzesänderungen für ungenügend. Er fordert, die Leistungen für die Erwerbsminderungsrente weiter auszubauen. "Mehr als jeder dritte Erwerbsgeminderte ist von Armut bedroht, jeder zehnte benötigt Grundsicherung. Das wird sich durch die Reform der Bundesregierung nicht ändern", so Kuhrt.
Bei der Mütterrente bestehen immer noch große Unterschiede zwischen Ost und West, moniert Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Bundestag. "Das Rentenpaket schließt alte Gerechtigkeitslücken nur unzureichend, reißt aber viele neue auf."
Im Wahlkampf spielte die Vermögensteuer eine große Rolle. Jetzt hat man den Eindruck, sie sei still begraben worden.
Wir haben bisher keinen Gesetzentwurf vorgelegt, das stimmt. Wir wollen ja Unternehmen in ihrer Substanz nicht antasten. Genau dieser Punkt hat im Wahlkampf für Debatten gesorgt, weil wir den Verdacht nicht ausräumen konnten, dass es doch anders kommt. Das hat uns gerade im Handwerk und bei Freiberuflern Vertrauen gekostet. Sie haben gedacht, wir wollten ihre Betriebe, Kanzleien oder Praxen wegnehmen. Genau das wollen wir aber nicht. Mit Blick auf die Wahl 2017 haben wir deshalb nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir nutzen die Zeit, um einen glasklaren Gesetzentwurf vorzulegen, der nicht denunziationsfähig und der verfassungsrechtlich wasserdicht ist. Oder aber wir müssen uns eben auf andere Instrumente für mehr Steuergerechtigkeit stützen. Uns nicht zu entscheiden bringt uns nicht weiter. Deshalb müssen wir es klären. Ich muss allerdings sagen, dass ich zunehmend Zweifel am ersten Weg habe.
Wofür plädieren Sie?
Die Bekämpfung von Steuerflucht bringt mehr in die Kasse als viele andere Instrumente. Das habe ich schon vor der Wahl gesagt. Damit können wir andere Instrumente fallen lassen.
Liegt dann die Priorität eher bei Steuerflucht à la Hoeneß oder bei global agierenden Konzernen wie Google?
Die verschiebt sich gerade. Der Druck auf Steuerhinterzieher muss hoch bleiben. Aber der Fokus geht klar in Richtung der Steuersparpraktiken internationaler Konzerne wie Google, Apple oder Starbucks. Das hat mit Unternehmertum im Geiste der sozialen Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Dem können wir uns aber auf nationaler Ebene allein gar nicht entgegenstemmen. Da ist die EU stärker gefragt.





Bleiben wir bei den Wendungen der Steuerpolitik. Plötzlich will die SPD die kalte Progression angehen – ein Thema, das im Herbst noch brüsk abgelehnt wurde. Das müssen Sie erklären.
Wir haben nie infrage gestellt, dass die kalte Progression für viele Angestellte ein Ärgernis ist. Man muss in einem Steuersystem darauf achten, dass Lohnzuwächse nicht einfach wegbesteuert werden. Aber wir werden genau darauf achten müssen, keine neuen Steuerausfälle zu generieren. Gerade Länder und Kommunen, die unsere Lehrer und Polizisten bezahlen, können sich das nicht leisten.
Keine Gegenfinanzierung durch einen höheren Spitzensteuersatz?
Für mich ist das weiterhin eine Möglichkeit, um notwendige öffentliche Aufgaben zu finanzieren und an anderer Stelle entlasten zu können.
Also was nun: Will die SPD mehr abkassieren oder nicht?
Eine ausbalancierende und gerechte Steuerpolitik auf die Frage „Abkassieren oder nicht“ zu reduzieren ist sehr polemisch. Am Ende ist die Frage: Wie finanzieren wir notwendige Aufgaben bei Bildung, Infrastruktur und sozialer Sicherheit ohne neue Schulden. Und zwar, ohne dass wir einfach auf breiter Front belasten. Sicherlich müssen wir hier unsere Pläne klarer machen. Im Wahlkampf haben wir viele Handwerker und Mittelständler einfach nicht überzeugt, dass wir sie mit unserer Steuerpolitik nicht treffen wollen und werden. Das will ich nicht erneut erleben.
Also schon mehr einnehmen, aber aus den – nach SPD-Sicht – richtigen Taschen?
(lacht) Genau.