Eigentlich wäre die Initiative der SPD zu begrüßen: Das de-facto-Einwanderungsland Deutschland bräuchte längst ein klares und umfassendes Einwanderungsgesetz. Doch was die SPD vorschlägt, ist nicht nur im Detail zu kritisieren, sondern auch grundsätzlich unglaubwürdig. Und dass sie damit gegenüber dem Koalitionspartner CDU/CSU durchkommt, ist mehr als unwahrscheinlich.
Zunächst zu den inhaltlichen, technischen Schwächen: Nach dem Vorschlag der SPD soll man auch ohne ein Arbeitsplatzangebot legal nach Deutschland einwandern dürfen – unter der Bedingung der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen, die in einem Punktesystem geregelt werden sollen.
Von einem solchen Punktesystem – Punkte gibt es zum Beispiel für Sprachkenntnisse und berufliche Qualifikationen – hat sich das immer wieder genannte Vorbild Kanada mit gutem Grund verabschiedet. Es funktioniert nämlich nicht, sondern schafft Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme. Aber das zu vermeiden ist Grundlage vernünftiger Einwanderungspolitik.
Asylanträge nach Bundesländern 2017
Nirgendwo sonst wurden so vielen Asylanträge gestellt wie in Nordrhein-Westfalen. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bisher 32.122 Menschen.
Hinweis: Alle Daten beziehen sich auf Erst- und Folgeanträge in den Monaten Januar bis Juni 2017.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Statista
Stand: August 2017
12.921 Menschen haben in der ersten Hälfte des Jahres 2017 in Bayern einen Asylantrag gestellt.
In Baden-Württemberg wurden 2017 bisher 11.290 Asylanträge gestellt.
In Niedersachsen stellten 10.003 Menschen im Januar bis Juni 2017 einen Antrag auf Asyl.
In Rheinland-Pfalz beantragten 2017 bislang 7.610 Menschen Asyl.
In Hessen stellten in den ersten sechs Monaten 2017 7.508 Bewerber einen Asylantrag.
In Berlin wurden von Januar bis Juni 2017 5.535 Anträge auf Asyl gestellt.
Bis Mitte 2017 stellten 4.205 Menschen einen Asylantrag in Sachsen.
3.346 Asylanträge verzeichnet Schleswig-Holstein für die ersten sechs Monate 2017.
Einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt stellten bis Juni 2017 3.304 Menschen.
Asyl in Brandenburg beantragten in der ersten Jahreshälfte 3.162 Menschen.
In Thüringen wurden in den Monaten Januar bis Juni 2017 3.049 Asylanträge gestellt.
In Hamburg stellten bis Ende Juni 2017 2.633 Menschen einen Antrag auf Asyl.
In Mecklenburg-Vorpommern stellten 2.104 Menschen einen Asylantrag (Januar bis juni 2017).
Bis Juni 2017 stellten im Saarland 1.538 Menschen einen Asylantrag.
In Bremen beantragten bis Ende Juni 1.192 Menschen Asyl.
Bei 94 Asylanträgen bis Mitte 2017 ist das Bundesland, in dem der Antrag gestellt wurde, anscheinend unbekannt.
Die Jobsuche sollte der Einwanderung grundsätzlich vorangehen. Für Bewerbungsgespräche kurzfristig nach Deutschland zu kommen, ist heute in aller Regel ohnehin schon möglich.
Wichtiger ist ein anderer, grundsätzlicher Aspekt: Eine vernünftige, an deutschen Interessen orientierte und durch konsequente Gesetze geregelte Einwanderungspolitik hätte zur Voraussetzung, dass zunächst der Wildwuchs der Asyl- und Flüchtlingszuwanderung beendet würde. Ein Einwanderungsgesetz, das auf dem Papier Tore öffnet, die ohnehin sperrangelweit offen stehen, braucht niemand. Warum sollte sich zum Beispiel ein Architekturstudent wie Nadim aus dem iranischen Isfahan um seine gesetzlichen Einwanderungspunkte kümmern, wenn er mit dem Wort „Asyl“ auf den Lippen weitgehend ungehindert nach Deutschland einreisen und hier leben und möglicherweise auch arbeiten kann – bei verschwindend geringem Risiko abgeschoben zu werden?
Vernünftige Einwanderungspolitik beginnt wie jede vernünftige Politik mit dem von Sentimentalitäten ungetrübten Blick auf die Wirklichkeit. Den hat die amtierende Bundesregierung, die SPD inbegriffen, leider in diesem wichtigen Politikfeld vermissen lassen. Erfolgreiche Einwanderungsländer haben mit einer moralisch aufgeladenen „Willkommenskultur“ nichts zu tun. Vernünftige Einwanderungspolitik ist sogar ihr Gegenteil, denn sie erfordert eine konsequente Verweigerung gegenüber jenen, die die gestellten Bedingungen nicht erfüllen. Wenn ein derart attraktives Land wie Deutschland in einer Welt mit Hunderten Millionen Migrationswilliger ein Einwanderungsgesetz erlässt, muss es de facto vor allem ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz sein, das ein starker Staat konsequent durchsetzt. Was passiert, wenn ein attraktives Land glaubt, Einwanderungspolitik bestehe darin, die Tore auf zu machen, hat das Jahr 2015 gezeigt. Niemand, der noch über einen Rest an politischer Verantwortungsethik verfügt, kann wollen, dass sich solch ein selbst verschuldeter Kontrollverlust wiederholt.
Vereitelte Anschläge
Die islamistische Sauerland-Gruppe wird gefasst. Die vier Mitglieder werden wegen geplanter Terroranschläge auf Diskotheken, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland zu mehrjährige Freiheitsstrafen verurteilt.
Ermittler nehmen in Düsseldorf drei mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder fest, die einen Sprengstoffanschlag in Deutschland geplant hatten. Im Dezember 2011 wird ein vierter Verdächtiger gefasst. Die Männer müssen mehrere Jahre ins Gefängnis.
Die Polizei kommt einer mutmaßlichen Terrorzelle auf die Schliche und schlägt gleichzeitig in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu. Die vier Verdächtigen hatten womöglich einen Anschlag in Berlin geplant.
Spezialkräfte der Polizei nehmen drei mutmaßliche Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Brandenburg fest. Sie sollen einen Anschlag in der Düsseldorfer Altstadt geplant haben.
Ein 16-jähriger Flüchtling aus Syrien wird von der Polizei in Köln festgenommen. Laut den Ermittlern hatte er einen Sprengstoffanschlag geplant und von einem Chatpartner im Ausland Anweisungen zum Bombenbau erhalten.
Der grundsätzlich richtige Vorschlag der SPD, endlich ein Einwanderungsgesetz einzuführen, wird an der Ablehnung der Union scheitern, weil diese befürchtet, dass es nur zu noch höheren Gesamteinwanderungszahlen führen würde. Diese will man der ohnehin schon extrem verunsicherten und auf Kosten der AfD zusammengeschmolzenen Wählerschaft im Wahljahr 2017 kaum zumuten. Vor allem aber: Die oben genannte Konsequenz und Härte, die ein vernünftiges Einwanderungsgesetz für die Flüchtlings- und Asylpraxis erfordern würde, traut man sich in allen Parteien selbst nicht zu. Daher wurschtelt man weiter, verwischt in einem moralisierenden politischen Diskurs die Unterschiede zwischen Flüchtlingen, Asylbewerbern und Einwanderern – und hofft, dass außerhalb Deutschlands jemand die unangenehme Arbeit der Begrenzung übernimmt.