SPD-Vorsitz Wie wäre es mal mit Wirtschaftskompetenz, SPD?

Seit Gerhard Schröders Kanzlerschaft ringt die SPD um das Vertrauen der Wähler. Quelle: REUTERS

Olaf Scholz will nun doch Parteichef werden. Vorher hatte die Kür der neuen SPD-Parteiführung aber auch absurde, traurige Züge. Den bisherigen Kandidaten fehlte es an Charisma, Kraft und vor allem an ökonomischem Format.

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Es gibt in der Politik Anekdoten, die sich verselbstständigen, und die dann eine Macht entwickeln, dass sie einen niederdrücken können wie Mühlsteine. Die Geschichte vom jungen Gerhard Schröder, der einst am Zaun des Kanzleramtes rüttelte und rief „Ich will hier rein“, ist so eine.

So jemanden hat die altehrwürdige und gleichzeitig siechende SPD schon lange nicht mehr. Kein Wille zur Macht, kein unbändiger Ehrgeiz, nirgends. Dass mit Franziska Giffey gerade die prominenteste Frau und Bundesministerin für die SPD-Vorsitzenden-Kür abgesagt hat, auf die fast alle in der Partei setzten und hofften – es ist nur eine weitere, traurige Wegmarke in einem Prozess, der an Trostlosigkeit kaum mehr zu überbieten ist. Und das Allertrostloseste ist: Nirgendwo war bislang jemand in Sicht, der gehobene Wirtschaftskompetenz ausstrahlt.

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von Max Haerder

Natürlich mag ein klares Wirtschaftsprofil für viele Sozialdemokraten von niederer Bedeutung sein, wenn es darum geht, eine neue Parteiführung zu küren. Für Wähler ist es das nicht. Olaf Scholz selber einer von denen, die sich erst lange nicht trauten und nun doch hat ja recht: Die SPD und ihre Führung müssen das Gefühl erzeugen können, dass man ihnen jederzeit das Land und das Kanzleramt anvertrauen kann. Nach innen und nach außen. Ordentlich regieren, zur Not auch Aug' in Aug' mit Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping. Darum geht es. Eine Mehrheit der Deutschen hat noch immer ein intaktes Gespür für Maß, Mitte und Vernunft.

Zu diesem Kompetenzkatalog gehört untrennbar, dass man um das Geschenk und das Vermächtnis der sozialen Marktwirtschaft weiß und es pflegt; dass man „der“ Wirtschaft ebenso wenig jeden Wunsch von den Augen abliest wie dem Deutschen Gewerkschaftsbund; dass Freiheit nur mit Sicherheit, ein offener Markt nur mit kluger Ordnungspolitik und Chancengerechtigkeit nur mit einem starken Staat zu haben ist.

Fast keiner derjenigen, die bislang ihren Hut in den Ring geworfen haben, strahlt dieses Bewusstsein aus. Die SPD hat sich buchstäblich abgewirtschaftet. Gesine Schwan und Ralf Stegner? Das ist - mit Verlaub - so attraktiv, als hätten bei der CDU Rita Süssmuth und Stefan Mappus ihre Bereitschaft erklärt, die Konservativen in eine goldene Zukunft zu führen. Nina Scheer und Karl Lauterbach? Respektierte Parlamentarier, nicht weniger und nicht mehr. Simone Lange? Hat die nicht schon mal verloren? Genau, gegen Andrea Nahles. Christina Kampmann und Michael Roth? Sympathische zweite Reihe. Und Boris Pistorius und Petra Köpping? Bei letzterer mussten sicher schon manche Sozialdemokraten erstmal googlen. Danach war vielen klar: Niemand verliert sein Herz an zwei Innenpolitiker.

Der einzige, der bisher sein Interesse bekundet und dezidierte ökonomische Erfahrung mitbringt, wäre Robert Maier, Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums. Ein smarter und noch dazu umgänglicher Gründer, jemand mit Blick für die Wirtschaftswelt jenseits von Ortsvereinskneipen. Allerdings ist er ohne jede Erfahrung in politischen Ämtern. Ein kompletter Außenseiter ohne Hausmacht.

Nun also: Scholz. Nach langem Zögern und Zaudern hat der Parteivize und Finanzminister doch noch erklärt, anzutreten. Er wird ein ähnliches Bild von der Konkurrenz gewonnen haben. Doch seinem eigenen Anspruch von Führung und Orientierung kann er mit dem Hin und Her bisher nicht gerecht geworden sein. Zu wenig für einen, der in der ersten SPD-Reihe steht und glaubt, aus Kanzlermaterial zu sein.

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