SPD-Wahldebakel Ratschläge früherer Granden stoßen in Partei auf Kritik

Die SPD muss nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl einiges überdenken. Frühere SPD-Spitzenleute haben dazu öffentliche Ratschläge parat. Das kommt nicht gut an. Doch in der Partei brodelt es durchaus.

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Der Ex-Parteichef äußerte Zweifel an der Entscheidung, dass die SPD in die Opposition geht. Quelle: dpa

Berlin Nach dem Wahldebakel der SPD beanstanden frühere Spitzen-Genossen den Kurs der Partei. Ex-SPD-Chef Franz Müntefering kritisierte die Entscheidung, den Vorsitz von Partei und Fraktion auf zwei Personen zu verteilen, anstatt die Führung zu bündeln. Hamburgs früherer Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) rief Parteichef Martin Schulz zum Rücktritt auf. Ex-Parteichef und Altkanzler Gerhard Schröder äußerte Zweifel an der Entscheidung, dass die SPD in die Opposition geht. Mehrere SPD-Politiker verbaten sich solche Ratschläge der alten SPD-Garde. Aber auch in den hinteren Reihen der Sozialdemokratie macht sich inzwischen Frust breit.

Die SPD hatte bei der Bundestagswahl mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis erzielt. Schulz hatte daraufhin den Gang in die Opposition angekündigt. Eine teilweise Neuordnung des Personals hat begonnen: Die SPD-Bundestagsfraktion hatte am Mittwoch die bisherige Arbeitsministerin Andrea Nahles zur neuen Vorsitzenden gewählt – und den Haushaltsexperten Carsten Schneider zum neuen Fraktionsgeschäftsführer. Den Parteivorsitz will der unterlegene Kanzlerkandidat Schulz selbst behalten – trotz der großen Niederlage.

Müntefering stört sich an der Entscheidung, Partei- und Fraktionsvorsitz zu trennen. Auf die Frage, ob beides nicht in eine Hand gehöre, sagte Müntefering in der „Passauer Neuen Presse“ (Donnerstag): „Ich fände es besser, ja“. „Die Oppositionsstrategie muss an einer Stelle verantwortet werden und eindeutig sein.“

Dohnanyi rief Schulz zum Rücktritt auf. Die SPD müsse erkennen, dass sie mit einem Mann wie Martin Schulz nicht in der Lage sein werde, einen Aufbruch zu organisieren, sagte der 89-Jährige am Mittwochabend in der ARD-Talksendung „Maischberger“. „Er sollte zurücktreten.“ Von Dohnanyi hatte Schulz schon vor der Wahl kritisiert.

Auch Schröder hatte sich zu Wort gemeldet und bei einer Veranstaltung in Berlin Zweifel angemeldet, ob die schnelle Absage seiner Partei an eine rechnerisch mögliche neue große Koalition richtig ist. „Ich weiß nicht, ob es vernünftig war“, sagte er.

Die Äußerungen der früheren SPD-Größen stießen auf Kritik. Die baden-württembergische SPD-Landeschefin Leni Breymaier sagte der „Heilbronner Stimme“ (Freitag): „Es ist bedauerlich, wenn diese Männer ihren Bedeutungsverlust nur dadurch kompensieren können, indem sie der Partei vor und nach der Wahl ungebetene Ratschläge erteilen. Sie nerven einfach.“ Der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs (SPD), sagte dem Portal „faz.net“: „Wie viele andere Parteien haben auch wir ein Problem mit alten Männern, die eine leichte Profilneurose haben.“

Führende Genossen stärkten Schulz demonstrativ den Rücken. Nahles sagte der „Bild“-Zeitung (Freitag) auf die Frage, ob Schulz auch nach dem Parteitag im Dezember SPD-Chef bleiben könne: „Ja sicher. Wir haben die Bundestagswahl gemeinsam verloren. Martin Schulz hat einen guten Job gemacht. Wir werden uns jetzt unterhaken- und dann los...“ Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der Mitte Oktober selbst eine Landtagswahl zu überstehen hat, sagte dem „Handelsblatt“, Schulz werde auch über den Parteitag hinaus an der Spitze der SPD stehen. In Berlin werde unterschätzt, dass es eine hohe emotionale Verbundenheit vieler Mitglieder mit Schulz gebe.

In den hinteren Reihen der Partei macht sich jedoch Unmut breit. Der rheinland-pfälzische SPD-Fraktionschef, Alexander Schweitzer, beklagte sich in der „Rhein-Zeitung“ (Donnerstag) über Flügelkämpfe und „Blockbildungen“ innerhalb der Partei.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow aus NRW veröffentlichte einen Aufruf zur Erneuerung der SPD, für den er nun in der Partei um Unterstützung wirbt. Darin fordert er einen personellen und strukturellen Neuanfang und rügt, die SPD sei zu lange „von oben nach unten“ regiert worden. Personalien dürften nicht nur in Hinterzimmern festgelegt werden, die Partei brauche dringend mehr Transparenz und Mitsprache der Basis. „Es geht jetzt ums Überleben der SPD.“

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