SPD-Wahlkämpfer Frank Stauss „Wir werden das Kanzleramt erobern“

Ein Wahlkämpfer bringt sich in Stellung: Frank Stauss spielt vor der SPD-Fraktion den Einpeitscher und läuft sich für das Rennen um das Kanzleramt warm. Der Werbeexperte hat, was den Genossen derzeit oft fehlt: Mut.

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Mit Wahlkampfstratege Frank Stauss will sich die SPD mehr zutrauen. Quelle: dpa

Berlin Kürzlich fand sich die SPD-Bundestagsfraktion zu einem Brainstorming zusammen, um über die „zentralen Botschaften der Partei bis zum Herbst 2017“ zu ventilieren. Also über das Vorgehen bis zur nächsten Bundestagswahl. Doch offenbar fiel es den Sozialdemokraten schwer, ein paar zündende Ideen zu entwickeln. Eher muffelig und missmutig sollen viele Teilnehmer reagiert haben, war nach dem Treffen zu vernehmen. Eine Auswertung des Workshops gibt es bis heute nicht.

Doch nur einen Tag später tauchte Frank Stauss in der Fraktionssitzung auf. Der Wahlkampfexperte und Werbeguru zeigte den Genossen, wie es geht. „Wenn die Menschen in einem Jahr über sozialen Zusammenhalt, die gerechte Verteilung von Wohlstand, gerechte Chancen und Gleichberechtigung in einem modernen Deutschland abstimmen – und wenn wir für diese Wünsche stehen, werden wir das Kanzleramt erobern“, rief er den Abgeordneten nach Angaben von Teilnehmern zu. Und brummte: „Wenn Deutschland über Burkinis, Bomben und Burkas abstimmt, nicht.“

Dann hob Stauss an, den SPD-Abgeordneten vorzubeten, wie es bei der Bundestagswahl im Herbst 2017 klappen könnte. Er muss es wissen, denn der Bestsellerautor von „Höllenritt Wahlkampf“ und Mitinhaber der Kommunikationsagentur Butter weiß, wie Wahlkampf geht. Im Schnitt bestreitet der bekennende Sozialdemokrat zwei Wahlkämpfe pro Jahr.

Legendär ist die Geschichte, wie er mit Kanzler Gerhard Schröder 2005 eine fulminante Aufholjagd hinlegte, wenn auch keinen Wahlsieg. Zuletzt verhalf er Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz zur Wiederwahl. Derzeit kämpft er in Berlin für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der am 18. September wiedergewählt werden will. Im Frühjahr soll er in Nordrhein-Westfalen die zuletzt häufig amtsmüde wirkende Hannelore Kraft in Amt und Würden halten. Und die Zeichen verdichten sich, dass er auch die Bundes-SPD in den Wahlkampf 2017 führen soll. Eine Entscheidung darüber steht unmittelbar bevor.

Vor der SPD-Fraktion versprüht Stauss einen Elan, von dem manch Funktionär nur träumen kann. „Ich will, dass wir die bigotten Konservativen wieder jagen! Dass wir sie mit ihren eigenen Waffen schlagen“, wirft er den Abgeordneten entgegen.

Denn aus der Sicht von Frank Stauss liegen die Dinge so: In den letzten 24 Monaten hätten viele Deutsche seit längerem wieder die CDU hinter ihrer Vorsitzenden erkannt. „Zutiefst verunsichert flüchtet sich die CDU ins Reaktionäre, ist in weiten Teilen vorurteilsbeladen, stockkonservativ, häufig ausländerfeindlich und rückwärtsgewandt“, analysiert Stauss für die Genossen. Die CDU sei nicht nur anfällig für AfD-Parolen, sie nutze sie zum Teil schon in ihrem verzweifelten Abwehrkampf. „Aus ihren Reihen kommt keine einzige neue Idee, kein Impuls, sondern nur olle Kamellen“, findet der Wahlkampfexperte.

Genau hier sieht Stauss das Potenzial für die Sozialdemokraten. „Ich will, dass wir mutiger werden, kämpferischer, wacher und lauter im Kampf um das moderne und soziale Deutschland“, verkündet er sein Rezept. Denn das moderne Deutschland, das komme doch vor allem von der SPD. „Das ist doch auch die Geschichte von Brandt, Schmidt, Schröder und allen hier im Saal“, schlägt der Stratege den großen Bogen.

Der Wahlkampfexperte ist überzeugt: Die große Mehrheit der Menschen in diesem Land wolle in einem modernen Deutschland leben und nicht im Gestern. „Aber kaum jemand spricht zu ihnen. Kaum jemand nimmt sie mit, reißt sie mit, kämpft“, stellt Stauss ernüchtert fest. „Wir müssen mutige Vorschläge für unsere soziale und moderne Agenda erarbeiten. Laute, deutliche, mutige Vorschläge.“

Für die SPD, die seit Monaten in den Umfragen zwischen 22 und 23 Prozent dümpelt und dessen Parteichef Sigmar Gabriel in der Partei umstritten ist, dürfte eine solche aufrüttelnde Ansprache unverhofft kommen. Gerade erst sind die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern mit einem blauen Auge davon gekommen. Beim Parteikonvent zum europäisch-kanadischen Handelsabkommen Ceta am 19. September könnten sich Parteispitze und Basis zerlegen, Gabriel als möglicher Kanzlerkandidat scheitern.

Doch Stauss schert sich nicht um solche Details der Parteipolitik. „Setzt Impulse und bringt frische, neue Ideen in die Debatte“, fordert er von den Abgeordneten. Dann wird er konkret: Die SPD brauche Konzepte für digitale Teilhabe, die alternde Gesellschaft, das moderne Arbeiten, Familien. Die Menschen wünschten sich mehr soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und sozialen Zusammenhalt. „Das sind unsere Themen“, stellt Stauss lakonisch fest.

Und dann gibt er den SPD-Abgeordneten noch einen Rat: „Seid mit ganzem Herzen sozialdemokratische Politiker. Nicht Meinungsforscher, nicht Taktiker, nicht Strategen. Seid wieder leidenschaftlich – im Vorwärtsgang!“

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