Spionage Obama-Berater Lewis: Merkel wusste Bescheid

Für die Aufregung der Kanzlerin hat der amerikanische IT-Experte und Obama-Berater James Andrew Lewis kein Verständnis. Er gibt Einblicke in die langjähre Praxis der NSA - die schon Schröder betroffen haben könnte.

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Die Handys von Angela Merkel
Ein Bild aus der Zeit der deutschen Wende: Angela Merkel in jungen Jahren mit einem klobigen Mobiltelefon. Quelle: imago images
Im März 2007 sitzt Angela Merkel mit einem Nokia-Handy im Bundestag. Dem finnischen Hersteller ist sie bis ins Jahr 2013 treu. Quelle: dpa
Im Oktober 2008 im Bundestag mit dem Nokia 6131: Bis zu 50 SMS pro Tag soll die Kanzlerin in dieser Zeit versendet haben. Quelle: dpa
Im Oktober 2009 zeigt Angela Merkel ihr Mobiltelefon. Auch da war es noch das Klappmodell von Nokia. Wenig später wechselt Merkel jedoch das Gerät. Quelle: imago images
Ende 2009 erhält Merkel das neue Gerät, dem Vernehmen nach ausgestattet mit einem Verschlüsselungschip der Firma Secusmart. Das Bild zeigt Merkel im April 2010 im Bundestag. Quelle: imago images
Angeblich handelt es sich bei dem Gerät um ein Nokia E63, doch dem Augenschein nach ist es wohl eher ein Nokia 6260 Slide. Im Oktober 2011 tippt Angela Merkel im Bundeskanzleramt in das Gerät, während sie auf einen Staatsgast wartet. Quelle: imago images
Auch im April 2012 auf der Computermesse Cebit in Hannover ist Angela Merkel immer noch treue Nutzerin des Modells. Quelle: imago images

Der amerikanische IT-Experte und Obama-Berater James Andrew Lewis ist davon überzeugt, dass nicht nur die USA, sondern auch die Geheimdienste anderer Länder das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel abhören. „Die USA können es abhören, also können es auch Russland, China und vielleicht auf einige EU-Länder“, sagte Lewis im Interview mit der WirtschaftsWoche. Lewis ist Direktor am Washingtoner „Center for Strategic and International Studies“ (CSIS), einem der weltweit renommiertesten Think Tanks. Er berät unter anderem die Regierung Barack Obamas in Fragen der Informationssicherheit.

Lewis hat kein Verständnis für die Aufregung der Bundeskanzlerin. „Wenn es etwas gibt, worüber Angela Merkel entsetzt sein sollte, dann darüber, dass ihr Geheimdienst ihr kein sichereres Telefon gegeben hat.“ Der Politikberater glaubt vielmehr, dass Merkel informiert war, dass sie abgehört wurde. „Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel und ihre Regierung wusste, wie stark sie abgehört werden.“ Wahrscheinlich sei die Kanzlerin auch nicht permanent abgehört worden, sondern nur punktuell, „zum Beispiel vor einer Reise nach China oder einem G20-Gipfel“.

Der Vorwurf, dass die USA flächendeckend die Staatsoberhäupter Europas abhören, stimme jedoch nicht. „Nicht flächendeckend, denn die Geheimdienste haben nur begrenzte Kapazitäten“, erklärt Lewis. „Sie konzentrieren sich auf Staaten, die im Zusammenhang mit Terrorismus relevant sind, oder auch China, Russland, Nordkorea. Wer mit diesen Staaten irgendwie in eine wichtige Verbindung gebracht werden kann, wird zum Ziel von Ermittlungen. Andere meist nicht.“

Im Gespräch mit der WirtschaftsWoche deutete der Obama-Berater an, dass die US-Geheimdienste auch schon Merkels Vorgänger überwacht haben könnte: „Gerhard Schröder war ein ganz anderer Charakter. Seine starken Bande zu Russland geben aus US-Sicht Anlass zur Sorge.“

Der IT-Experte und Regierungsberater erwartet nicht, dass die USA ihre Praktiken in Zukunft ändern wird. „Wir müssen vielleicht neue Grenzen beim Sammeln von Daten akzeptieren und auf Forderungen aus Europa eingehen.“ Aber einstellen könne das Land die permanente Datensammlung nicht.

Lewis sieht hinter den jüngsten Enthüllungen allerdings auch eine bewusste Kampagne gegen die USA. „Die Menschen, die die Snowden-Informationen haben, nutzen sie sehr geschickt für eine antiamerikanische Propaganda. Bislang mit Erfolg, denn die Empörung der europäischen Öffentlichkeit ist groß.“ Dabei habe Snowden auch Informationen über die Aktionen anderer Geheimdienste. „Nichts davon haben die Snowden-Verbündeten bislang an die Öffentlichkeit gegeben. Warum? Weil es die These konterkariert, dass die USA die Bösen sind. Es sind nicht die bösen USA. Es ist jeder.“

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