Das Bundeskartellamt schaltet sich in die Diskussion um die Rekordpreise beim Benzin ein und hat ein Wettbewerbsverfahren gegen die marktbeherrschenden Ölmultis eingeleitet. Dies sei ein Beitrag, um die freien Tankstellen gegenüber BP/Aral, Esso, Shell, Jet und Total zu stärken, sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Anlass seien Beschwerden freier Tankstellen, die Konzerne würden gezielt an bestimmten Zapfsäulen Sprit unter dem Beschaffungspreis verkaufen, um unabhängige Anbieter auszubooten. Auch sollen sie für die Belieferung von freien Tankstellen teilweise höhere Preise verlangt haben als von den Endkunden an den eigenen Tankstellen.
Deshalb habe die Behörde in einem ersten Schritt Auskünfte von den Konzernen verlangt. „Das ist ein Signal an die großen Fünf, dass wir die Vorwürfe ernst nehmen“, erklärte Mundt. Das Bundeskartellamt riet der Regierung, „Unruhe ins Oligopol“ der Mineralölkonzerne zu bringen und kurzfristige Preiserhöhungen zu erschweren. Mundt verwies im ZDF auf Modelle im Ausland, wo Anbieter nur einmal am Tag Preise ändern dürfen und dies vorher ankündigen müssen. Er regte an, freie Tankstellen von diesen Vorgaben auszuklammern, um sie zusätzlich zu stärken.
Fehlender Wettbewerb an den Tankstellen
Der Bundesrat hat einen entsprechenden Vorstoß gestartet, stößt aber auf Widerstand der Bundesregierung. Wirtschaftsstaatssekretär Hans-Joachim Otto hatte argumentiert, jegliche Regulierung der Preisfestsetzung führe potenziell zu teurerem Benzin. Mundt räumte zugleich ein, dass seine Behörde bei der Überwachung der Preispolitik an ihre Grenzen stoße. „Es ist nicht einfach, in diesem Markt für Wettbewerb zu sorgen.“
Bereits im Mai 2011 hatte das Kartellamt festgestellt, dass der Wettbewerb an den Tankstellen nicht funktioniert. Zwar gebe es keine direkten Preisabsprachen, doch die fünf großen Konzerne reagieren zeitnah auf Preisschwankungen der Konkurrenz. Mundt spricht von einem „ausgeklügelten System des Abguckens und Nachmachens“.
Benzinmarkt nur schwer zu entflechten
Wie schwer der Benzinmarkt zu regulieren ist, weiß auch Ulrich Schwalbe, Leiter der Forschungsstelle für Wettbewerbspolitik und Wirtschaftsrecht an der Universität Hohenheim. „Es gibt an den Tankstellen kaum Qualitätsunterschiede, die Nachfrage ist im Großen und Ganzen relativ konstant – und es gibt keine Großaufträge, um die die Anbieter streiten könnten“, erklärte er vor knapp einem Jahr im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. Zudem herrsche große Transparenz an der Tanksäule, die Preise sind schon von Weitem zu sehen oder auf Webseiten abzufragen. „Das ist gut für den Kunden. Allerdings können sich so auch die Konkurrenten denkbar einfach beobachten“, so Schwalbe.
Ohne Sanktionen wird es keinen echten Wettbewerb geben
Selbst ein Entflechtungsgesetz, also die Zerschlagung von Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zu zerschlagen, wäre kein probates Mittel. „Den Markt zu entflechten würde bedeuten, die beiden Marktführer anzugehen“, so Schwalbe. Praktisch heißt das: Das Kartellamt könnte bei einer entsprechenden politischen Gesetzesinitiative die beiden Unternehmen die Auflage erteilen, sich aufzuspalten. „Statt fünf Konzerne hätten wir dann sieben, die alle bei etwa zehn Prozent Marktanteil liegen würden. Ich bin skeptisch, dass sich sieben gleich mächtige Unternehmen einen echten Wettbewerb liefern würden.“
Die Folge: Ohne Furcht vor Sanktionen können die fünf großen Konzerne weiter den Markt bestimmen. Konkret sind dies Aral und Shell mit jeweils 22 bis 23 Prozent Marktanteil, Jet mit gut 10 Prozent, sowie Total und Esso mit je sieben bis acht Prozent.
Die Diskussion um die Macht der Ölmultis, die das Kartellamt bereits im vergangenen Jahr auslöse, hat bis heute keine Ergebnisse gebracht. Im Gegenteil: Die Preise an den Zapfsäulen klettern weiter – zum Leidwesen der Autofahrer.