Spritpreise Sind die Spritpreise trotz Tankrabatt zu hoch?

Dass die Spritpreise steigen, finden vor allem die Ölkonzerne „super“. Quelle: imago images

Laut einer aktuellen Studie steigen die Gewinne der Mineralölgesellschaften schneller als der Ölpreis. Das bekräftigt die Kritiker, die die Tankstellenpreise auch nach der jüngsten Steuersenkung für überzogen halten.

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Nun also ist es so weit. Pünktlich zum ersten Juni hat die Bundesregierung am Mittwoch die Energiesteuer auf Benzin und Diesel gesenkt, um die Autofahrer zu entlasten. Nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine Ende Februar waren die Ölpreise und in ihrem Gefolge die Benzin- und Dieselpreise rasant gestiegen. Lag der Preis für einen Liter Super E10 Mitte Februar noch bei 1,75 Euro, so mussten Autofahrer vier Wochen später bereits 2,19 Euro für einen Liter derselben Sorte zahlen. 

Die Bundesregierung hatte deshalb beschlossen, den Autofahrern durch die vorübergehende Absenkung der Energiesteuern auf Benzin und Diesel finanziell  Luft zu verschaffen. Einschließlich der auf die Energiesteuern entfallenden Mehrwertsteuer beläuft sich die Entlastung rein rechnerisch auf 35 Cent je Liter Benzin und 17 Cent je Liter Diesel.

Für Ärger hatte bei vielen Autofahrern gesorgt, dass im Vorfeld der avisierten Steuersenkung die Tankstellenpreise für Benzin und Diesel kräftig gestiegen waren. Nachdem ein Liter Superbenzin im April im bundesweiten Durchschnitt noch weniger als zwei Euro gekostet hatte, kletterte er im Mai über die Marke von zwei Euro und erreichte Ende des Monats 2,15 Euro. 

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Der Deckungsbeitrag steigt überproportional

Kritiker vermuten, die Mineralölgesellschaften haben die Gunst der Stunde genutzt, um vor der Steuersenkung noch einmal richtig abzukassieren und ihre Gewinne zu erhöhen. Unterstützung erhalten sie vom Automobilclub ADAC. Das Preisniveau an den Zapfsäulen sei „über Wochen hinweg massiv überhöht“ gewesen, heißt es beim ADAC. Daran habe sich bis heute nichts geändert. 

Die Steuersenkungen zum 1. Juni haben die Spritpreise zwar gedrückt, allerdings noch nicht in dem Maße, wie dies durch die niedrigeren Steuersätze eigentlich möglich wäre, urteilt der ADAC. Das Spritpreisniveau sei unabhängig von der Steuersenkung daher nach wie vor zu hoch. Tanken, so der ADAC, „ist trotz gestiegener Rohölkosten weiterhin zu teuer“. Sowohl bei Benzin als auch bei Diesel gebe es deshalb „weiterhin deutliches Potenzial für Preissenkungen“. Die Mineralölkonzerne hingegen halten die Kritik für unbegründet und verweisen auf die gestiegenen Beschaffungskosten durch den Anstieg der Weltmarktpreise für Rohöl.

Eine aktuelle Studie des Verbraucherportals Vergleich.org stützt nun die These der Kritiker. Die Experten des Portals haben anhand des Preises für einen Liter Diesel untersucht, wie sich die einzelnen Preiskomponenten bei unterschiedlichen Tankstellenpreisen entwickeln. Es zeigt sich, dass der Deckungsbeitrag der Mineralölgesellschaften bei steigenden Abgabepreisen überproportional zulegt.



Der Deckungsbeitrag ist die Differenz zwischen dem Umsatzerlös (in diesem Fall dem Verkaufspreis für einen Liter Diesel) und den variablen Kosten. Er dient dazu, die Fixkosten zu decken. Übersteigt er diese, verbleibt der Rest als Gewinn im Unternehmen. „Der Deckungsbeitrag ist variabel und enthält Kosten für Vertrieb, Verwaltung, Transport und Tankstellen-Pacht“, schreiben die Experten des Verbraucherportals.  In ihm „verstecken sich auch die Gewinne der Ölkonzerne, die nicht weiter aufgeschlüsselt werden können“.   

Das Bundeskartellamt ist alarmiert

Den Berechnungen von Vergleich.org zufolge liegt der Deckungsbeitrag der Mineralölgesellschaften bei einem Tankstellenpreis für Diesel von 1,50 Euro je Liter bei 28 Cent (siehe Grafik). Steigt der Tankstellenpreis auf 1,80 Euro, erhöht sich der Deckungsbeitrag auf 34 Cent. Bei einem Tankstellenpreis von 2,20 springt er auf 61 Cent.



Ein Preisanstieg von 1,50 auf 2,20 Euro je Liter Diesel geht also mit mehr als einer Verdoppelung des Deckungsbeitrags einher. Dessen Anteil am Tankstellen-Abgabepreis erhöht sich dadurch von knapp 19 auf rund 28 Prozent. Die Experten von Vergleich.org erklären dies damit, dass die Gewinne der Ölkonzerne, die im Deckungsbeitrag enthalten sind, „in der Zeit des besonders hohen Preisanstiegs sehr groß waren“. 

Das Bundeskartellamt ist denn auch alarmiert. Die Behörde will den Mineralölgesellschaften in diesen Tagen genau auf die Finger schauen. Zwar sind die Ölmultis nicht gezwungen, die Energiesteuersenkung vollständig an die Verbraucher weiterzugeben. Auch kann ihnen das Kartellamt die Höhe des Deckungsbeitrag nicht vorschreiben. Doch hofft die Behörde, dass die hohe öffentliche Aufmerksamkeit, die das Thema Spritpreise in diesen Tagen genießt, die Ölmultis preispolitisch diszipliniert. 

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Am Ende aber wird es wohl Sache des Verbrauchers sein, durch preisbewusstes (Tank)verhalten den Preiswettbewerb zwischen den Mineralölgesellschaften und den Tankstellen zu befeuern – und so den eigenen Geldbeutel zumindest etwas zu entlasten. 

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