Staatsekretär Matthias Machnig zu Digitalisierung „Wir sind nicht auf der Höhe der Zeit“

Die Digitalisierung in Deutschland wird vom Wirtschafts-, Verkehrs- und dem Justizministerium organisiert. Staatssekretär Matthias Machnig fordert im Handelsblatt-Wirtschaftsclub: „Wir müssen Kompetenzen bündeln.“

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Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium fordert eine Bündelung der Digitalisierungs-Kompetenzen in der Bundesregierung. Quelle: Marko Priske für Handelsblatt

Für Matthias Machnig steht fest: Die Digitalisierung „ist ein Faktum, dem sich keine Volkswirtschaft entziehen kann“, sagte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium am Freitag beim Handelsblatt-Wirtschaftsclub in Berlin. „Die Digitalisierung wird alle gesellschaftlichen und ökonomischen Bereiche fundamental verändern“, zeigte er sich überzeugt.

Auch für die politischen Verantwortlichkeiten innerhalb der Bundesregierung habe diese Entwicklung Folgen. „Die Vielfältigkeit kann nicht die letzte Antwort auf dieses große Thema sein; wir brauchen eine Bündelung der Kompetenzen.“ Machnig zielte auf die derzeitige Verteilung des Themas Digitalisierung in Ministerien und Behörden. So ist Breitbandminister Alexander Dobrindt (CSU) für den Ausbau der schnellen Internetnetze zuständig; Innenminister Thomas de Maizière (CDU) zeichnet für digitale Verwaltung und IT-Sicherheit verantwortlich; Justizminister Heiko Maas (SPD) kümmert sich wie auch Machnigs Chef, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Kritiker monieren, dass dies dem Umstand geschuldet ist, dass Deutschland in vielen Bereichen bei der Digitalisierung international hinterherhinkt. Machnig hatte daher bereits gemeinsam mit Justiz-Staatssekretär Gerd Billen eine Digitalagentur ins Spiel gebracht.

Die Digitalisierung verursacht etliche Baustellen. So kommt etwa der Netzausbau nur schleppend voran. Laut einer vom Telekommunikationsunternehmen Vodafone in Auftrag gegebenen Studie des Forschungsdienstleisters IW Consult hatten 2015 lediglich 59 Prozent der Unternehmen schnelle Internetanschlüsse mit mindestens 50 Megabit in der Sekunde; auf dem Land waren es nur 29 Prozent.

„Wir brauchen eine moderne Infrastruktur“, forderte Staatssekretär Machnig. Es gelte, darüber zu reden, wie über eine bessere Regulierung die Privatwirtschaft motiviert werden könne, stärker in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren. „Aber wir werden auch staatliche Mittel zur Verfügung stellen müssen“, sagte Machnig, weil es sich nicht überall rechne, schnelle Internetleitungen zu verlegen.

Nachholbedarf sieht Machnig auch bei der Digitalisierung der Verwaltung. „Wir sind nicht auf der Höhe der Zeit, was E-Government angeht.“ Dieses Defizit hatte erst jüngst eine Studie der EU-Kommission gezeigt. Im europaweiten Vergleich sieht sie Deutschland bei digitalen öffentlichen Dienstleistungen nur auf Platz 18, zuständig ist der Innenminister.

Doch auch das Bundeswirtschaftsministerium hat alle Hände voll zu tun mit der Digitalisierung. Um gerade kleine und mittlere Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen, hatte Wirtschaftsminister Gabriel mehrere Kompetenzzentren in ganz Deutschland errichten lassen. Dort können sich Unternehmen beraten lassen, was die Digitalisierung für sie bedeutet.

Ende Mai hat das Ministerium einen Diskussionsprozess gestartet. Es will herausfinden, wie Regeln in Zeiten der Digitalisierung angepasst werden müssen. Die Diskussion soll bis zum 30. September laufen, Anfang 2017 will das Wirtschaftsministerium dann ein Weißbuch mit konkreten Regelungsvorschlägen vorlegen. Die Handelsblatt-Leser wiesen auf die Gefahr hin, dass zu viele Regeln innovative Geschäftsmodelle behindern könnten.

Eines stellte Machnig klar: Sonderregeln für Einzelne werde es nicht geben. „Wir können nicht für ein oder zwei Unternehmen die Regeln außer Kraft setzen“, sagte er. Sein Rezept für mehr Gründungen: mehr Wagniskapital und eine andere Einstellung zum Scheitern. „Wir brauchen die Kultur der zweiten und dritten Chance.“

Die Digitalisierung beschleunigt nicht nur in den Unternehmen die Prozesse, immer mehr Firmen richten eigene Thinktanks ein, damit neue Ideen schneller entstehen. Auch auf die Ministerien steigt der Druck, sich der neuen Geschwindigkeit anzupassen. „Wir müssen unsere Entscheidungsprozesse überdenken“, sagte Machnig. „Die dauern viel zu lang. Die Digitalisierung ist viel dynamischer als politische Entscheidungsprozesse.“

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