
In der Generaldebatte zum Bundesetat 2011 dreschen Koalition und Opposition lustvoll aufeinander ein. Die einen preisen den Aufschwung und loben ihre Entscheidungsfreude, die anderen proklamieren das Ende des Sozialstaats.
Die Sommerpause ist vorbei. Im Reichstag diskutieren die Abgeordneten den Gesetzentwurf zum Bundeshaushalt 2011. Es ist der Auftakt zur neuen parlamentarischen Saison. Und so, wie Regierung und Opposition sich in Rage debattieren, versprechen die nächsten Monate im Berliner Politikbetrieb munter zu werden. Vor allem will die Bundesregierung, die sich in ihrer ersten Saison durch Zaudern und Tagen auszeichnete, endlich Nägel mit Köpfen machen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel machte an diesem Mittwoch den Aufschlag. Einen „Herbst der Entscheidungen“ kündigte die Kanzlerin an. An fünf Fronten will die Regierung nun zum Durchbruch kommen: bei der Rückführung der Schulden, dem Energiekonzept, in der Gesundheitspolitik, bei der Bundeswehrreform und der Hartz-IV-Reform. Endlich wagt sich die Vorsichtige aus der Deckung. Kindern von Hartz-IV-Empfängern sollen zusätzliche Hilfe als Sach- und nicht als Geldleistung bekommen. Bei der Bundeswehrreform hält die Regierungschefin trotz Bedenken konservativer Kreise ein Aussetzen der Wehrpflicht für möglich. In der Energiepolitik verteidigte sie den jüngst gefundenen Kompromiss zur Laufzeitverlängerung, der den Übergang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien zu bezahlbaren Preisen für die Verbraucher erst möglich mache. Die Politiker auf den Unions- und FDP-Bänken dankten es mit erleichtertem Applaus.
Übliche verbale Rituale
Aber wer sich festlegt, macht sich auch angreifbar. Diesmal lästern die Oppositionspolitiker nicht über Unentschlossenheit und Wankelmut, sondern über die – natürlich aus ihrer Sicht falschen – Weichenstellungen der Koalition. SPD-Chef Sigmar Gabriel beklagt lauthals, der Haushalt sei „unsolide und hat eine schwere soziale Schieflage“. Tatsächlich hat der Haushalt eine permanente soziale Schieflage, wenn auch anders, als Gabriel meint: rund 55 Prozent der Bundesausgaben entfallen auf Soziales, zukunftssichernde Investitionen kommen zu kurz. Es sind die üblichen verbalen Rituale einer Opposition, wenig überraschend angefüttert mit den Stichworten „Stuttgart 21“, „Atomlobbyisten“ und „Kahlschlag in der Gesundheitspolitik“.
Großen Beifall bekam der FDP-Generalsekretär Lindner, der die SPD in Sachen Soziales anging. Nicht die Sozialausgaben zählten, sondern soziale Verbesserungen. Hier müsse es endlich zu einem Paradigmenwechsel kommen: statt unkontrolliert mehr Geld ins Sozialsystem zu pumpen, sei auch in diesem Bereich Überprüfung der Effizienz endlich nötig. Und dann: Mit der Abkehr von der Rente mit 67 und bei Hartz IV „robben sich die Sozialdemokraten an die da ran“, sage Lindner und zeigte mit dem ausgestreckten Arm nach links, wo Gregor Gysi mit der Linken saß.
Der Haushalt für 2011 weist derweil keine neue Überraschung auf. Die Ausgaben sollen nach dem Krisenjahr 2010 um gut drei Prozent auf 307 Milliarden Euro zurückgehen. Die Neuverschuldung soll dann 57 Milliarden Euro betragen – doch hier ist das letzte Wort bei den parlamentarischen Haushaltberatungen noch nicht gesprochen. Denn der rasante Wiederaufschwung mit einem Wachstum von womöglich 3,4 Prozent in diesem Jahr spült unverhofft viel Steuergeld in die Bundesschatulle. Nun könnten die Neuverschuldung schon in diesem Jahr statt 80 Milliarden nur noch bei 50 Milliarden liegen, räumt selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein. Was allerdings auch heißt: Die Koalition muss bei Etat für 2011 noch einmal nachbessern, denn die Schuldenbremse erzwingt eine kontinuierliche Senkung der Schulden bis 2016.