Staatsfinanzen Mehr als zehn Millionen Euro fürs Pferd

Wie zu Kaisers Zeiten: Der Staat unterhält herrschaftliche Landgestüte, um gute Pferde zu züchten. Der Bürger zahlt.

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Pferdefamilie auf einer Koppel Quelle: dpa

Wussten Sie, dass Ihnen Hengste gehören? Wunderschöne, kräftige Hengste mit glänzendem Fell und eleganten Bewegungen. Sie heißen Capistrano, Derby Dancer oder First Selection und haben nur einen Zweck: sich vermehren, gesponsert vom Staat. Zehn Bundesländer gönnen sich noch eigene Pferdezuchten. Zehn Land- und Hauptgestüte gibt es in Deutschland, sie kosten die Steuerzahler jährlich mehr als zehn Millionen Euro.

Die Suche nach dem Sinn dieser Hengsthaltungen führt auch nach Warendorf in Nordrhein-Westfalen. Dort liegt eines der schönsten Landgestüte Deutschlands. Schon der Empfangsbereich ist herrschaftlich: Die schweren Eisentore mit dem Pferde-Wappen Nordrhein-Westfalens sind weit geöffnet. Ein Kiesweg führt zum Haupthaus, vorbei an Rasen in saftigem Grün, darauf die lebensgroße Statue eines der erfolgreichsten Zuchthengste des Gestüts. Umringt ist das Grün von mächtigen alten Bäumen, die denkmalgeschützten Backsteingebäuden Schatten spenden. Dort stehen sie, die Hengste, um die sich hier alles dreht.

Ursprünglich sollten die staatlichen Gestüte den Landwirten und der Armee gutes Erbgut für ihre Zucht liefern. Schließlich waren diese auf kräftige, ausdauernde und gutmütige Pferde angewiesen. Als immer mehr Maschinen die Tiere ersetzten, schlossen die Länder viele ihrer Gestüte. Doch einige blieben übrig, und für sie wurden neue Aufgaben erfunden. Wilhelm Deitermann, bis zum Regierungswechsel Mitte Juli stellvertretender Sprecher des NRW-Landwirtschaftsministeriums, erklärt, welche das sind: „Die Landgestüte dienen dem Erhalt seltener Pferderassen und des Kulturgutes.“ Und sie sollen immer noch die Pferdezucht unterstützen — obwohl die Zossen inzwischen nur noch im Sport und in der Freizeit eingesetzt werden.

Die "Cashcow" ist ein Hengst

Die Gestüte bemühen sich scheinbar, mit möglichst wenig Landesmitteln auszukommen. Der Finanzchef und stellvertretende Gestütsleiter des Landgestüts Warendorf, Bernhard Gerdemann, hat BWL studiert. Während er durch die penibel gepflegten Stallgassen geht, spricht er von den Hengsten nicht als Hengste, sondern nennt sie „Produkte“.

„Das ist unsere Cashcow“, sagt Gerdemann und zeigt auf einen dunkelbraunen Hengst, der in seinem Stall Heu zwischen den Zähnen zermalmt. „Der hat über 5000 Nachkommen in Deutschland.“ Sein Samen koste etwa 960 Euro, im Ausland sogar bis zu 2000 Euro. Das ist mit bis zu 70 Prozent des Umsatzes auch die Haupteinnahmequelle des Gestüts: Der Verkauf des Spermas von etwa 100 Hengsten. Weitere 20 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet eine Reitschule.

Alle Landgestüte machen Miese

Auf diese Weise hat das Gestüt zwar rund 2,5 Millionen im vergangenen Jahr eingenommen – aber 3,9 Millionen Euro ausgegeben. Bei den anderen acht Landgestüten sieht die Lage ähnlich aus. Jedes andere Unternehmen hätte bei solch einer Bilanz vermutlich längst aufgeben müssen. Justus Haucap, Leiter der Monopolkommission, fordert deshalb die Privatisierung der Gestüte. „Sie verzerren den Wettbewerb“, sagt er.

Die Landgestüte sollen auch seltene, vom Aussterben bedrohte Rassen erhalten – Rassen, die ohnehin von Menschenhand geschaffen wurden. Zum Beispiel das rheinische Kaltblut, von denen in Warendorf 20 ihren Hafer fressen. 350.000 Euro kostet deren Haltung. Justus Haucap zweifelt an der Wichtigkeit dieser Aufgabe. „Müssen wirklich alle Pferderassen erhalten werden?“, fragt er. „Und wenn ja, warum werden dann nicht auch alle Schweinerassen erhalten?“

So schön das Gestüt auch anmutet – das Geschäft mit den Hengsten muss nicht staatlich geförderte Liebhaberei sein. Das zeigt das Beispiel Schleswig-Holstein. Die Landesregierung löste 1960 das Gestüt Traventhal auf. Heute übernimmt der Holsteiner Verband die Zucht.

Die Qualität der Pferde sei dadurch nicht gesunken, sagt Thomas Nissen, Zuchtleiter des Holsteiner Verbands. Gesunken sind aber die Ausgaben des Landes Schleswig Holstein. Der Steuerzahler dankt. 

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