Staatskonzerne Warum die Deutsche Bahn Jamaika fürchtet

FDP, Grüne und die Monopolkommission wollen Bahn und Telekom entflechten. Dort hat das große Zittern begonnen.

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Quo vadis, Bahn? FDP und Grüne wollen das Schienennetz vom Konzern abspalten. Quelle: dapd

Fehler, heißt es in diesen Tagen in der FDP, könne man einmal machen, aber bitte nicht zweimal. Um zu verstehen, was die Liberalen damit meinen, muss man zurückschauen, genau acht Jahre, in den Herbst 2009. CDU, CSU und FDP handelten damals nach ihrem Wahlsieg einen Koalitionsvertrag aus. Manche Programmpunkte hatten das Potenzial zur Revolution, zum Beispiel eine Passage über die Deutsche Bahn, die ein Laie wegen ihrer Sperrigkeit sicher überlesen hätte: Gewinnabführungen der Infrastruktursparten an die Holding seien auszuschließen, hieß es dort, und deren Leitung erfolge „zukünftig unabhängig“. Schwarz-Gelb wollte damals die Trennung von Schienennetz und Fahrbetrieb. Plädierte für den Anfang vom Ende des integrierten Staatskonzerns Bahn. Kurz: für seine Zerschlagung.

Doch dann zettelte der damalige Bahn-Chef Rüdiger Grube mit Unionspolitikern seine Gegenrevolution an. Mit Erfolg. In der Endfassung des Koalitionsvertrages vom 26. Oktober 2009 stand nur noch ein Prüfauftrag. Für die Bahn blieb alles beim Alten. Der Aufstand war gescheitert.

Geht es nach den Liberalen, soll sich Geschichte 2017 nicht wiederholen. Die Zukunft des Bahn-Konzerns, zu 100 Prozent im Staatsbesitz, soll in den Koalitionsverhandlungen von Union, FDP und Grünen wieder zum Thema werden. Doch unter anderen Vorzeichen als 2009. Die Liberalen bekommen diesmal nämlich Rückendeckung von den Grünen, die ebenfalls eine Zerschlagung der Bahn fordern. Und die Union, die am liebsten nichts ändern möchte, geht mit einem historisch schwachen Ergebnis in die Gespräche.

Nicht nur für die Deutsche Bahn brechen ungemütliche Zeiten an. Auch für andere Staatsbeteiligungen des Bundes wie Deutsche Telekom, Post und Commerzbank dürfte Jamaika eine Zäsur bedeuten. In die Regierung zögen Vertreter mit ordnungspolitischem Kompass ein. Auch die Grünen, sozialpolitisch eher links verortet, fordern an vielen Stellen eine strikte Trennung von Staat und Wirtschaft. Sie könnten gemeinsam mit den Liberalen auf mehr Wettbewerb und weniger Einflussnahme der öffentlichen Hand pochen. Am Ende könnten die Verbraucher die Gewinner des Regierungsexperiments Jamaika sein.

„Zweistelliges Ergebnis für die AfD ist schockierend“
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender von Volkswagen Quelle: dpa
Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG Quelle: dpa
Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender von E.On Quelle: REUTERS
Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) Quelle: VCI / René Spalek
Klaus Schäfer, Vorstandsvorsitzender von Uniper Quelle: dpa
Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender des Stahlhändlers Klöckner & Co SE Quelle: REUTERS
Stefan Sommer, Vorstandschef der ZF Friedrichshafen AG Quelle: dpa

Furcht im Bahntower

Bei der Deutschen Bahn herrscht seit dem Wahlergebnis Nervosität. Offiziell will sich niemand äußern, aber auf den Fluren des Bahntowers ist die Unsicherheit groß. Eine große Koalition wäre dem Management lieber gewesen, ist zu hören. Christ- und Sozialdemokraten verteidigen seit Jahren das Modell des allumfassenden Bahn-Konzerns, das Schienennetz und Personenbahnhöfe mit den Transportgesellschaften wie DB Regio und DB Fernverkehr unter einem Dach vereint. Außerdem gilt die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG als eine der stärksten Arbeitnehmervertretungen in Deutschland, als Hort der SPD-Klientel.

Doch schon die Wahlprogramme von FDP und Grüne lassen erahnen, dass bald neue Zeiten anbrechen werden. So heißt es etwa bei den Grünen: „Wir wollen eine Bahnreform in Angriff nehmen, die die Interessen der Fahrgäste in den Mittelpunkt stellt.“ Bahnfahren solle billiger werden. „Diese Reform muss das Netz von den Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG sauber trennen und in neutrale staatliche Verantwortung überführen. So schaffen wir die Voraussetzung für mehr Verkehr auf der Schiene.“ Das deckt sich mit den Positionen der FDP: „Wir Freie Demokraten wollen die Netzsparte der Deutschen Bahn AG unabhängig machen und somit Netz und Betrieb trennen.“

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