Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär ist für Seehofer die beste Lösung fürs Digitale

Vier Posten hat die CSU für die neue GroKo abgeräumt. Gerade die Personalie Dorothee Bär weckt bei den Digitalverbänden Begehrlichkeiten.

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Berlin Die CSU hat sich in der neuen Bundesregierung einen vierten Posten gesichert: Dorothee Bär wird Staatsministerin für Digitalisierung. Zudem wird Horst Seehofer erwartungsgemäß Bundesinnenminister, der bisherige Generalsekretär Andreas Scheuer wird Verkehrsminister und Gerd Müller bleibt Entwicklungsminister.

Dass Bär zur Staatsministerin aufsteigt, sei nicht etwa Bestandteil eines Deals mit Angela Merkel, wie Seehofer am Montag klarstellte. „Wir haben uns schlicht gefragt, wer kann welchen Posten am besten erfüllen.“ Da habe man sich schließlich auf Dorothee Bär geeinigt, die Seehofer in Digitalthemen als „so bewandert in der Sache“ bezeichnete, dass er selbst mit ihr in diesen Bereichen gar nicht diskutieren wolle.

Am Wochenende hatte es Spekulationen über eine Vereinbarung zwischen Seehofer und Merkel gegeben. Seehofer habe für den Bereich Heimat auf zusätzliche Kompetenzen aus dem Agrarministerium verzichten müssen – konkret habe es Merkel abgelehnt, die entsprechende Abteilung aus dem Agrarressort herauszulösen und seinem Ministerium zuzuschlagen. Stattdessen habe Seehofer die Zusage bekommen, dass die CSU den Posten eines Staatsministers für Digitales im Kanzleramt besetzen dürfe. Diese Darstellung wies Seehofer zurück.

Gleichwohl räumte der künftige Bundesinnenminister ein, dass die Entscheidung bei der SPD für Irritationen gesorgt habe. „Das hat Klärungsbedarf mit unserem Koalitionspartner ausgelöst. Das war nicht einfach, aber wir haben es überwunden.“ Schlussendlich konnte sich die CSU einen Posten für „das Zukunftsthema schlechthin“ sichern, wie Seehofer es bezeichnete.

Dass Bär künftig Staatsministerin für Digitales werden soll, sorgte bei Digitalverbänden prompt für Begehrlichkeiten. Sie setzen darauf, dass sich die 39-Jährige für Änderungen am umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) stark macht.

Mit dem Gesetz sollen Hasskriminalität und strafbare Äußerungen in sozialen Netzwerken bekämpft werden. Kritiker bemängeln, dass das Gesetz es in die Hand der Plattformbetreiber legt, neben klaren Rechtsverstößen auch über viele juristisch zweifelhafte Fälle zu urteilen.

Der Vorstandsvorsitzende des Internetverbands Eco, Oliver Süme, sagte dem Handelsblatt, er hoffe, „dass sie ihr neues Amt auch dafür nutzen kann, politische Fehlentscheidungen wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz wieder rückgängig zu machen“. Bär sei eine „erfahrene Netzpolitikerin, die in ihrer Politik auf die Chancen der Digitalisierung setzt und die aktuellen Herausforderungen und Zusammenhänge in netzpolitischen Fragestellungen bestens kennt“.

Auch der IT-Verband Bitkom erwartet von Bär neue Impulse gegen das NetzDG. Sobald es eine Evaluation des Gesetzes gegeben und die Große Koalition über „eventuell nötige Anpassungen“ beraten habe, werde es „wichtig sein, dass sich kritische Stimmen innerhalb von Regierung und Regierungsfraktionen Gehör verschaffen“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder dem Handelsblatt. „Ziel muss sein, gleichermaßen wirksame wie abgewogene Maßnahmen gegen Kriminalität im Netz zu ergreifen.“ Dabei müsse die künftige Digital-Staatsministerin „eine wichtige Rolle spielen“.

Bär, die auch Vorsitzende des CSU-Arbeitskreises für Netzpolitik (CSUnet) ist, gilt als vehemente Gegnerin des Gesetzes gegen Hasskommentare im Internet. Als Anfang des Jahres, kurz nach Inkrafttreten des NetzDG mehrere Twitter-Accounts blockiert und Tweets gelöscht wurden, meldete sich die CSU-Politikerin zu Wort und stellte das gesamte Gesetz infrage. „Die Meinungsfreiheit gerät zunehmend unter die Räder“, kritisierte Bär seinerzeit. Das Gesetz schieße nicht nur über das Ziel hinaus. „Es verstößt gegen die Verfassung.“

Bär verlangte eine „unverzügliche und breit angelegte“ Experten- und Verbändeanhörung, um das Gesetz zu evaluieren. Auch eine komplette Neufassung schloss sie nicht aus. „Wenn wir mit Korrekturen nur Verschlimmbesserungen erreichen, dann ist der ehrlichere Schritt der Neuanfang vor einem weißen Blatt Papier“, so die CSU-Politikerin.  „Dass sich autokratische Staatschefs das Gesetz interessiert angeschaut haben, ist ja nicht gerade eine Empfehlung“, merkte sie damals spitz an.

Die Verbände erhoffen sich mit Bär als Digital-Staatsministerin nicht nur neuen Schwung in der NetzDG-Debatte. Bitkom-Mann Rohleder fordert nun auch eine federführende Rolle für den Bundestagsausschuss Digitale Agenda bei allen digitalen Themen. Innerhalb des Parlaments sei die Federführung für Digitalthemen „quer über alle Ausschüsse verstreut“ und der Digitalausschuss habe bislang keinen „Counterpart auf Seiten der Regierung“ gehabt.

Da dieses „regierungsseitige Vakuum“ nun durch die Digital-Staatsministerin gefüllt werde, müsse auch der Ausschuss „in seinen Rechten gestärkt werden“, sagte Rohleder. „Vier Jahre lang durfte der Digitalausschuss nur Debattieren, jetzt braucht er die thematische Federführung in den Kernthemen der Digitalpolitik.“

Das fordert auch Eco-Chef Süme. „Ich plädiere außerdem weiter dafür, dass die designierte Staatsministerin für Digitales auch ein entsprechendes Pendant in Form eines federführenden Ausschusses im Bundestag erhält“, sagte er.

Auch Florian Nöll, Chef des Bundesverbands Deutsche Start-ups, lobte gegenüber dem Handelsblatt die Entscheidung: „Dorothee Bär ist eine ausgezeichnete Wahl als Digitalministerin. Sie hat gute Kontakte in die Digitalszene, verfügt über ein großes Fachwissen und ist eine glaubhafte Digitalpolitikerin.“ Er freue sich, dass der Ruf nach einer Digitalministerin aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, gehört worden sei. Der Bundesverband hatte eine Petition digitalministerium.org gestartet, die von zahlreichen Organisationen und Verbänden unterstützt wurde.

Nöll hofft, dass Bär und der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun, ein Team bilden, das digitalpolitische Themen und die Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag nicht nur diskutiert, sondern endlich auch umsetzt. „An dieser Umsetzung werden wir die Bundesregierung und ihre Mitglieder messen“, sagte Nöll weiter.

Der Verbandschef hat auch noch weitere Forderungen an die künftige Staatsministerin: So müssten die Digital-Verantwortlichkeiten neben der Bundesregierung auch im Parlament abgebildet werden müssen. Außerdem müsse der Ausschuss Digitale Agenda des Bundestages aufgewertet werden und bei einschlägigen Gesetzesvorschlägen die Federführung erhalten. Zusätzlich müsse das Bundeskanzleramt bei allen Digitalisierungsfragen ein Vetorecht am Kabinettstisch bekommen.

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