Staatswirtschaft Die Koalition ist auf Geisterfahrt

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Ökozeloten ficht dies nicht an. Im Gegenteil. Die Katastrophe von Fukushima ist für sie das atomare Armageddon. Aus dem Untergangsszenario ziehen die Umweltpolitiker nun jede Legitimation, um den Energiemarkt weiter zu regulieren.

Es sind stets hehre Motive, mit denen Dirigisten gegen Marktwirtschaftler zu Felde ziehen. Besonders gut geübt ist darin Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Ihre neue Leidenschaft gilt den Frauen und deren Anteil an gut dotierten Führungspositionen. Dass es die Wirtschaft aus eigenem Antrieb schaffen könnte, den Damenanteil in Vorstandsetagen und Aufsichtsräten zu erhöhen, will von der Leyen nicht mehr glauben. Sie droht mit gesetzlichem Zwang – und brüskiert damit die regierungseigene Corporate Governance Kommission, die gerade erst die Verpflichtung zur Frauenförderung in ihren Kodex für gute Unternehmensführung aufgenommen hatte.

Dabei gibt es auf der dirigistischen Skala durchaus Abstufungen: Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will, dass sich jedes börsennotierte Unternehmen selbst ein verbindliches Ziel für den Frauenanteil in seiner Chefetage setzt. "Staatlich verordnete Einheitsquoten" hält sie für "ordnungspolitisch falsch und verfassungsrechtlich bedenklich". Ihre Kollegin und Konkurrentin von der Leyen hat da weniger Hemmungen. Sie würde den Unternehmen am liebsten eine Quote von 30 Prozent vorschreiben. Das war am Ende selbst der Bundeskanzlerin zu viel. Der CDU-Wirtschaftsflügel hatte gemeutert, eine so starre Vorgabe erinnere an "sozialistische Planwirtschaft".

Ran an die Töpfe

Leider finden wenig Meutereien in Berlin statt. Oft mauscheln Wirtschaft und Politik zusammen. Ausgerechnet der Stolz der deutschen Wirtschaft, die Automobilindustrie, hat in jüngster Zeit ein inniges Verhältnis zu Übervater Staat entwickelt. Den Anfang machte 2009 die Abwrackprämie. Mit fünf Milliarden Euro half die Regierung der Branche, die Wirtschaftskrise zu überbrücken. Nun strotzen BMW, Bosch und Co. zwar wieder vor Kraft, doch von den Berliner Subventionstöpfen möchten sie nicht mehr lassen.

Der neueste Pott heißt "Nationale Plattform Elektromobilität". Seit fast einem Jahr feilschen Manager, Bürokraten und Wissenschaftler an einem industriepolitischen Katalog, den sie Mitte Mai der Regierung übergeben wollen. Sie schachern um Prämien und Forschungsmittel, um Sonderprogramme für Dienstwagen oder Bonbons wie City-Spuren für Stromautos.

Ob so viel Staatswirtschaft können sich SPD und Gewerkschaften nur noch die Augen reiben. Staunend registrieren sie, dass ausgerechnet unter Leitung der einstigen Ludwig-Erhard-Partei CDU Mindestlöhne in Serie eingeführt wurden.

In der großen Koalition hatte die SPD der Union noch abringen müssen, das für den Bau geschaffene Entsendegesetz auf weitere Branchen wie Dachdecker und Gebäudereiniger auszudehnen. Nun setzt die schwarz-gelbe Koalition diesen Kurs willig fort. "Ich bin der Meinung, dass wir noch in einigen weiteren Branchen Mindestlöhne brauchen", sagt Sozialministerin von der Leyen und verweist auf die Öffnung des Arbeitsmarktes für Osteuropäer zum 1. Mai.

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