Wenn Liberale dieser Tage von Religion reden, denkt man zunächst an Kreuzigung und blau-gelbe Himmelfahrt. Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der FDP, weist indes auf gemeinsame Wurzeln und Perspektiven hin. "Der Liberalismus hat ganz Europa geprägt. Er ist auch die Grundlage der protestantischen Idee", sagt der frühere Organist und Staatsanwalt.
Laut Martin Luther sei der Christenmensch frei und niemandes Untertan, und erst ein starkes Individuum ermögliche eine starke Gemeinschaft. "Nur wir vertreten politisch diese Idee", führt der FDPler aus und fügt hinzu: "Und wir sollen überflüssig sein? Das ist doch absurd!"
Wissing setzt seine Partei mit Liberalismus gleich. Der Philosoph Peter Sloterdijk meint dagegen, "dass die Sache der Liberalität zu wichtig ist, als dass man sie den Liberalen allein überlassen dürfte". Und der liberale Vordenker Gerd Habermann, der die Friedrich A. von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft leitet, legt nach: "Die Partei ist nach der Bundestagswahl 2009 geistig zusammengebrochen."
Strafe der Wutbürger
Belege bekommen die Bürger fast im Wochentakt geliefert. Mal sollen sie E10 tanken, dann Griechen und Portugiesen retten; sie dürfen keine 75-Watt-Glühbirnen mehr kaufen und müssen Windparks subventionieren. Den Unternehmen ergeht es ähnlich. Sie werden mit Mindestlöhnen geschurigelt, es drohen Frauenquoten, und wer sich auf mehr Schienen-Wettbewerb freute, wird enttäuscht.
Ausgerechnet die bürgerliche Bundesregierung verstrickt sich in einem Netz von Ge- und Verboten, Liberalismus und Erhard’sche Ordnungspolitik werden dagegen kleingeschrieben. Kein Wunder, dass liberale Wutbürger der FDP am 27. März massenhaft die Gunst entzogen. Sie wählten sie in Rheinland-Pfalz weg, stutzten sie im einstigen Stammland Baden-Württemberg auf fünf Prozent, und auch bundesweit stünden die Freidemokraten kurz vor der parlamentarischen Exkommunikation – und die Union ohne Partner da.
Doch unbeirrt bleibt die Bundesregierung auf ihrer illiberalen Geisterfahrt in der dirigistischen Spur:
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) beschloss zusammen mit seinem Umweltkollegen Norbert Röttgen (CDU) einen Sechs-Punkte-Plan, um erneuerbare Energien noch stärker zu fördern. So wollen sie Windparks vor der Küste allein fünf Milliarden Euro Zuschüsse zahlen, obwohl (oder weil) diese Energie unter dem Aspekt der CO2-Vermeidungskosten extrem ungünstig abschneidet.