Staatswirtschaft Mit sichtbarer Hand

Seite 2/2

„Nationaler Sonderweg, gepflastert mit Milliarden an Subventionen“

Zur Erinnerung: Ein Erfolg im automobilen Elektrozeitalter galt damals als Schicksalsfrage der deutschen Wirtschaft. Heute, gut sieben Jahre später, ist klar: Das mit dem Millionen-Ziel klappt nie und nimmer. 17 Monate vor dem Stichtag verkehren noch nicht einmal 60 000 Elektroautos auf deutschen Straßen. Elektromobilität ist in USA und China ein Massenmarkt geworden, nicht aber im Autoland Deutschland.

Ist die Bundesregierung schuld ,weil sie nicht die von der NPE geforderten vier Milliarden Euro Staatshilfe ausschüttete, sondern nur rund die Hälfte? Wohl kaum. Denn Deutschlands Leitindustrie könnte den Umbruch locker aus eigener Kraft bewältigen, jeder Förder-Euro war verschwendet. Allein 2017 verbuchten VW, BMW, Daimler, Bosch und Continental über 37 Milliarden Euro Gewinn nach Steuern. Es entscheidet sich in den Firmenzentralen, ob es mit der Hinwendung zum E-Auto klappt - nicht in industriepolitischen Symbolräten wie der NPE.

Etwas anders, aber ebenfalls problematisch, liegt der Fall bei der Energiewende. Zugegeben, ohne staatliche Förderung in Milliardenhöhe hätte es die Ökostromoffensive in Deutschland wohl nie gegeben. Statt Windrädern und Solaranlagen würden neben fossilen Kohle- und Gaskraftwerken weiter Atommeiler den Strom erzeugen. Aber nach dem Atomunfall im japanischen Fukushima im März 2011 beschloss die Regierung den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022. Finanziert in Milliardenhöhe von den Stromkunden, über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Die jahrelange Förderung sorgte für einen regelrechten Boom der Ökostrombranche. Wind- und Solarparkbetreiber kassierten eine üppige staatlich garantierte Vergütung. In nur wenigen Jahren stieg der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland auf 33 Prozent. Allein in der Windbranche arbeiten inzwischen rund 140.000 Menschen. Doch seit der Staat die Förderung Stück für Stück zurückfährt, läuft es nicht mehr rund. In der einst so innovativen deutschen Solarbranche sind etliche Unternehmen vom Markt verschwunden. Mit der zunehmenden Konkurrenz, vor allem aus China, konnten sie nicht mithalten. Trotz staatlicher Fördergelder.

Insolvente Unternehmen wie zum Beispiel Solarworld haben versäumt, ihr Geschäft auf weniger Geld vom Staat und damit auf die veränderten Marktbedingungen anzupassen. Für den Ökonomen Justus Haucap ist die Energiewende daher trotz des inzwischen hohen Ökostromanteils kein Erfolg. „Sie ist ein nationaler Sonderweg, gepflastert mit Milliarden an Subventionen“, sagt Haucap. Ihr Ertrag sei bescheiden: „Deutschland produziert zwar Unmengen an Ökostrom, aber wir stoßen kaum weniger CO2 aus als vor der Energiewende. Das sollte doch das eigentliche Ziel sein.“

Die Idee, einzelne Branchen oder vermeintliche Zukunftsfelder mithilfe staatlicher Industriepolitik zu päppeln, erlebt immer dann eine Renaissance, wenn sich technologische Umbrüche anbahnen. Das ist gerade, angestoßen durch die Digitalisierung, wieder der Fall. Der Staat, so fordern dann Politiker und Branchenvertreter, müsse den Unternehmen helfen. Doch woher soll die Regierung wissen, welche Unternehmen zukunftsfähig sind?

Nicht ohne Grund warnte Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek vor der „Anmaßung von Wissen“ durch den Staat. Andreas Freytag, Professor an der Universität in Jena, plädiert daher dafür, „der Kreativität unserer Ingenieure zu vertrauen, statt der Kreativität der Politiker“. In der Tat: Fördert die Regierung einzelne Technologien, veranlasst sie die Betriebe dazu, sich an den Förderkriterien auszurichten statt am Markt. Siehe Energiewende.

Ob diese Erkenntnisse dazu führen, dass die Bundesregierung beim nächsten Hype politisch intelligenter vorgehen wird?

An einem Vormittag im Juli 2018 sitzt Peter Altmaier auf der Bühne im Auditorium eines Pariser Palais. Er ist eingeladen, mit dem früheren Chef des französischen Versicherers Axa, Henri de Castries, über Europa zu diskutieren. Aber de Castries sagt an diesem Morgen wenig, und Altmaier nutzt die Gelegenheit, um auszuholen. Anfang des 20. Jahrhunderts habe die Chemie die Welt verändert, sagt er, heute tue das die künstliche Intelligenz. Gemeinsam müssten Deutschland und Frankreich einen Industrieakteur schaffen, „um die KI in Europa in Gang zu bringen“. In einem Interview hat Altmaier schon am Vortag ausgeführt, dass er sich einen KI-Riesen nach dem Vorbild von Airbus vorstellt, der es mit Google und Co. aufnehmen soll. Ihm schwebten mehrere Dutzend Milliarden Euro an Kapital vor - zu finanzieren von der Industrie, der EU und von Mitgliedstaaten.

Dieser Euphorie sei entgegengehalten: Es dauerte mehr als 30 Jahre, bis Airbus den ersten Gewinn schrieb. Und 35 Jahre, bis der Konzern erstmals die Marktführerschaft übernahm. Klingt das nach Vorbild?

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%