Stadtplanung Deutsche Städte sind hässlich

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Den Durchschnitt fördern

Ein Schiff fährt in Köln an den Kranhäusern (l) und dem Dom vorbei den Rhein hinunter Quelle: dpa

Da war man dankbar, dass der Wiener Architekturtheoretiker Georg Franck daran erinnerte, dass Architektur ein Mannschaftssport ist, der durchaus auf Regeln beruht, auf technischen, handwerklichen, rechtlichen und nicht zuletzt auch ästhetischen Konventionen, auf eine Formensprache also, deren Einhaltung architektonische „Wohlgeformtheit“ ermöglicht. Wenn allein die innovative Überwindung von Konventionen zähle, so Frank, könnten nur noch Genies gute Häuser. Es komme indes darauf an, den guten Durchschnitt zu fördern, anstatt einen Kult der Auffälligkeit zu pflegen, der Kooperation und die Kunst des Ensemblespiels demonstrativ verweigert.
Doch was ist ein gutes Ensemble? Am Beispiel des Düsseldorfer Medienhafens wurde augenfällig, dass das freie Spiel der Architekturkräfte keineswegs zu einem gelungenen Ganzen führt – und trotzdem vom Publikum goutiert wird, das die aufmerksamkeitsheischenden Düsseldorfer Häuser, so ein Diskussionsteilnehmer, „wie Tiere im Zoo“ bestaunt. Weitgehend einig war man sich darüber, dass Begriffe wie Innovation oder Zeitgemäßheit in der Architektur wenig taugen. „Die Forderung nach Zeitgenossenschaft ist tautologisch“, sagte Wolfgang Sonne. Entscheidend sei nicht die Innovationskraft einer Fassade, sondern ihre Schönheit, die es erlaubt, „mit Vergnügen an ihr vorbei zu spazieren“.

Architekten sprechen nicht miteinander
Überhaupt: Die Fassade. Fritz Neumeyer von der TU Berlin beschrieb in einem brillanten Vortrag die Ressentiments einer konstruktiv begründeten Moderne gegenüber der Fassade. Sie sei als „Maskerade“, als „Ballast“ abgestreift worden zugunsten eines aufgelockerten Zeilenbaus, der nur noch die „edle Einfalt kahler Kanten“ kennt. Verlorengegangen sei dabei die „Kunst der Ritualisierung von Übergängen“ zwischen „Innen und Außen“, die „Tiefe der Oberfläche“: Erst die Fassade, so Neumeyer, forme und umschließe den öffentlichen Raum, gebe ihm Atmosphäre, mache ihn allererst zu einem „erfahrbaren Raum“, sie sei das entscheidende „Kommunikationsinstrument“, mit dem sich ein Gebäude am Ort bewährt.

Wie weit sich die Städte nach 60 Jahren Wohlstand von dieser Kunst entfernt haben, zeigte der Bauunternehmer Paul Bauwens-Adenauer eindrucksvoll am Beispiel seiner Heimatstadt Köln: Achtzig bis neunzig Prozent der Architekturen sprechen nicht miteinander, schauen nicht nach links und nach rechts. „Wir brauchen einen Stadtbaumeister, der alle Gremien berät“, rief Bauwens-Adenauer, „vom Oberbürgermeister bis zum einzelnen Architekten“ – und der auch noch die letzte Bürgerinitiative hinter sich bringt. Der Architekturhistoriker und Architekt Vittorio Magnago Lampugnani forderte in der Schlussdiskussion gar einen Stadtarchitekten, der es sich zutraut, das ganze Bild der Stadt zu entwerfen, „wie ein einzelnes Stück Architektur“. Dem mögen alle möglichen Planungshürden, vom Verwaltungsrecht bis zur Bürgerbeteiligung, im Weg stehen, es hätte aber, wie ein Witzbold zum Schluss der Konferenz bemerkte, immerhin den Vorteil, dass endlich ein Schuldiger gefunden wäre für all die Bausünden der Stadt, in der man lebt.

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