Wer allein auf die Zahlen für Gesamt-Deutschland schaut, könnte meinen, die Bundesrepublik sei ein Bildungs-Mekka. Mittlerweile machen weit mehr als 30 Prozent eines Jahrgangs das Abitur, zudem hat sich die Zahl der Hochschulabsolventen in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt.
Tatsächlich trügt jedoch der Eindruck, ganz Deutschland sei Bildungshochburg: Zwischen einzelnen Großstädten tun sich massive Unterschiede auf, zeigt das exklusive Städteranking 2016 von WirtschaftsWoche, Immobilienscout24 und des IW Consult Köln. In süddeutschen Kommunen sind die Einwohner tendenziell höher gebildet als in Ost- und West-Städten.
Akademikerhochburg Erlangen
Deutlich wird das zum Beispiel am Anteil der Beschäftigten mit akademischem Abschluss. Am höchsten ist dieser Wert im fränkischen Erlangen, Heimat mehrerer Sparten des Technologie-Konzerns Siemens. Der Anteil der Hochgebildeten beträgt hier 31,8 Prozent. Den zweiten Platz erreicht Jena in Thüringen. In der Stadt an der Saale haben 30,5 Prozent aller Erwerbstätigen einen Hochschulabschluss.
Ein Grund dafür: In Jena sitzen viele Hochtechnologie-Unternehmen, etwa Jenoptik und Carl Zeiss Meditec, die in der Glas- und Optikindustrie tätig sind. Die drittplatzierte Stadt ist München. Das verwundert kaum, denn die bayerische Landeshauptstadt beherbergt gleich fünf Dax-Konzerne, unter anderem den Autobauer BMW, Siemens und den Gasehersteller Linde.
Niveauranking 2016: Die besten Städte Deutschlands
Stuttgart
Punkte: 60,5
Das Niveauranking umfasst 53 Einzelindikatoren und basiert auf den aktuellsten verfügbaren Ist-Werten. Die Zahlen sind gerundet, was zu gleicher Punktzahl bei unterschiedlichen Rängen führen kann. Aufgenommen wurden alle kreisfreien Städte ab 100.000 Einwohner und zwei Städteregionen beziehungsweise Stadtverbände.
Quelle: IW Consult
Frankfurt am Main
Punkte: 61,2
Ingolstadt
Punkte: 62
Erlangen
Punkte: 64,3
München
Punkte: 67,6
Auf dem drittletzten Platz landet die Hafenstadt Bremerhaven, der Anteil der Hochgebildeten liegt gerade einmal 9,6 Prozent – obwohl die Stadt Sitz einer Fachhochschule ist.
Noch niedriger ist der Wert in Hamm in Westfalen. Nur 9,3 Prozent aller Erwerbstätigen haben eine Hochschule besucht. Das Schlusslicht ist die Ruhrgebiets-Stadt Bottrop, die Hochgebildeten-Quote liegt bei mickrigen 7,3 Prozent. Bottrop ächzt wie Hamm unter dem misslungenen Strukturwandel in Teilen von Nordrhein-Westfalen.
Süddeutsche Städte erzielen ebenfalls Spitzenplätze, wenn es darum geht, wo viele Menschen in wissensintensiven Dienstleistungen arbeiten. Diese Jobs erfordern eine besonders hohe Bildung.
Kreative in Trier, Naturwissenschaftler in Karlsruhe
Unter den zehn bestplatzierten Kommunen finden sich etwa Karlsruhe und Erlangen, Mainz und Stuttgart. In diesen vier Metropolen liegt der Wert zwischen ungefähr 34,5 und rund 36,5 Prozent. Spitzenreiter ist Heidelberg, wo fast 40 Prozent aller Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungen arbeiten. Auf den zweiten Platz kommt München. In der bayerischen Landeshauptstadt zählen rund 38 Prozent aller Jobs zu diesem Bereich.
Ruhrgebiet auf den hinteren Plätzen
Auf den hinteren Plätzen dagegen landen etwa West-Städte wie Hagen, Oberhausen und Solingen, wo nur 15 bis 17 Prozent der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungen arbeiten.
Niveauranking 2016: Die schlechtesten Städte Deutschlands
Oberhausen
Punkte: 40,3
Das Niveauranking umfasst 53 Einzelindikatoren und basiert auf den aktuellsten verfügbaren Ist-Werten. Die Zahlen sind gerundet, was zu gleicher Punktzahl bei unterschiedlichen Rängen führen kann. Aufgenommen wurden alle kreisfreien Städte ab 100.000 Einwohner und zwei Städteregionen beziehungsweise Stadtverbände.
Quelle: IW Consult
Duisburg
Punkte: 40,3
Bremerhaven
Punkte: 39,9
Herne
Punkte: 38,7
Gelsenkirchen
Punkte: 35,8
Umgekehrt weisen West- und Ost-Städte die höchsten Werte auf, wenn es um Bildungs-Versagen geht, etwa um die Schulabbrecher-Quote. So landen etwa die Ruhrgebiets-Städte Essen und Gelsenkirchen auf den hinteren Plätzen. In den beiden Kommunen verlassen rund zehn Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss.
Noch höher ist dieser Wert mit 11,4 Prozent im sächsischen Chemnitz, das auf dem drittletzten Platz landet. Auf dem vorletzten Rang liegt Lübeck mit 11,5 Prozent, das Schlusslicht ist Leipzig, wo fast 12 Prozent aller Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen.
Kaum Schulabbrecher im Süden
In süddeutschen Städten ist der Anteil der Schulabbrecher dagegen niedrig. Im fränkischen Erlangen liegt ihr Anteil an allen Schülern nur bei 3,3 Prozent. In Mainz, der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, sind es sogar nur 2,1 Prozent. Die relativ gesehen wenigsten Schulabbrecher weist Heidelberg in Baden-Württemberg auf, ihr Anteil beträgt nur 1,8 Prozent. Bildung ist hier einfach eine Selbstverständlichkeit.
Bei der Abiturientenquote ist das Bild nicht so einheitlich wie bisher. In Darmstadt, Jena und Hamburg liegt der Anteil der Abiturienten an allen Schulabgängern bei 55 Prozent und mehr. Nürnberg und Hamm, Fürth und Heilbronn dagegen weisen Quoten von unter 30 Prozent auf.
Zudem zeigen sich Unterschiede darin, wie sich die Hochschul-Absolventen verschiedener Fächer über Deutschlands Großstädte verteilen. Studenten in Potsdam und Trier, Heidelberg und Würzburg mögen vor allem Kreativfächer. Ihr Anteil an allen Beschäftigten beträgt hier fast zwei Prozent, der Spitzenwert in Deutschland.
In Erlangen und Karlsruhe, Aachen und Darmstadt dagegen ist der Anteil der Absolventen besonders hoch, die Fächer aus dem Bereich der Mathematik, der Informatik, der Technik und den Naturwissenschaften studiert haben (MINT). In Erlangen, Karlsruhe und Jena beträgt er rund 3,5 Prozent, in Darmstadt gar 6 Prozent.