Standort Deutschland Kein Klimaschutz ohne Wirtschaftswachstum

Dr. Klaus Bauknecht ist Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG. Quelle: Presse

Wirtschaftswachstum und Klimaschutz werden oft als Gegensätze betrachtet. Der Drang nach Wachstum zerstöre die Umwelt, so das zentrale Argument. Doch ohne Wachstum gibt es keine gewinnbringenden Investitionsmöglichkeiten und damit keinen Wandel hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Ein Gastbeitrag.

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Dr. Klaus Bauknecht ist Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG.

Ein treibhausgasneutrales Deutschland – für viele Bürger und Politiker ist dies ein höchst erstrebenswertes Ideal. Doch Treibhausgasneutralität fällt nicht vom Himmel. Sie erfordert vielmehr gigantische Investitionen, auch damit Geschäftsmodelle erhalten bleiben beziehungsweise erfolgreich angepasst werden können. In vielen Unternehmen stehen deshalb grundsätzliche Investitionsentscheidungen an – und damit auch Entscheidungen für oder gegen den Produktionsstandort Deutschland. 

Diese Entscheidungen bestimmen, welcher Teil der globalen Wertschöpfungskette auf den Industriestandort Deutschland zukünftig entfallen wird. Sind es vor allem übliche Investitionen in Forschung und Entwicklung oder auch Investitionen in klimaneutrale Produktionsprozesse und Kapazitäten? Lohnt es sich zu investieren, um einen Produktionsprozess klimaneutral zu gestalten, oder ist die Investition im Ausland – und damit die Abwanderung von weniger klimafreundlichen Produktionsprozessen – lohnender? 

Auch wenn die Klimaneutralität der Industrie langfristig neue profitable Geschäftsmodelle generieren wird, entstehen kurzfristig erst einmal hohe Kosten. Entweder steigen infolge von Umweltauflagen die Produktionskosten; oder Unternehmen müssen für neue Technologien und Innovationen Kapital für Investitionen in die Hand nehmen. Auch wenn die Vorteile einer klimaneutralen Produktion für alle zu erkennen sind, fehlt es kurzfristig an positiven ökonomischen Investitionsanreizen. 

Negative Anreize

Umweltauflagen schaffen negative Anreize. Sie zwingen zwar zu Investitionen – aber nicht unbedingt am Produktionsstandort Deutschland und nicht unbedingt in wertschöpfende neue Kapazitäten. 

Auch wenn Investition in den Klimaschutz langfristig vor allem für die Gesellschaft insgesamt Sinn ergibt, fehlt es aus unternehmerischer Sicht oftmals an Planungssicherheit. Langfristige Prognosen haben sich nach Finanz-, Euro- und Coronakrise als wenig zielführende Anker erwiesen. Das Investitionsverhalten ist deshalb eher von der aktuellen Lage als von langfristigen Opportunitäten getrieben. 

Die Krisen haben eine gewisse Zurückhaltung bei Investitionen in fundamental neue und erst langfristig profitable Technologien mit sich gebracht. Sie haben gelehrt, dass aktuelles Wachstum und damit volle Auftragsbücher als Treiber für Investitionen wichtiger sind. Daher bedarf es eines anhaltend robusten Wirtschaftswachstums und klarer klimapolitischer Rahmenbedingungen, damit Investitionen nach Deutschland gelenkt werden. Es ist wie mit einem Auto, das eine neue Richtung einschlägt. Nur wenn das Auto rollt, kann man es steuern. Wachstumspolitik ist somit ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen Klimapolitik.

Ist das Ziel, die Industrie mit Hilfe von Investitionen am Produktionsstandort Deutschland neu auszurichten, bedarf es einer Wirtschaftspolitik, die trotz der Klimaauflagen einen ausreichend attraktiven Standort bietet. Der Industriestandort Deutschland muss sich hinsichtlich seiner Rentabilität im internationalen Vergleich behaupten. In den vergangenen Jahren hat Deutschland hier an Boden verloren: Unsicherheit über die Klimapolitik, ein steigender Arbeitnehmerentgeltanteil am Volkseinkommen sowie im internationalen Vergleich hohe Unternehmensteuern belasten grundsätzlich die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland. Die Rahmenbedingungen für eine private Investitionsoffensive hin zu einer klimafreundlicheren Wertschöpfung sind deshalb aktuell eher suboptimal.

Wachstum wichtiger als Zinsen

Empirische Analysen zeigen zudem, dass Wirtschaftswachstum ein deutlich wirkungsstärkerer Treiber für Investitionen und Kreditnachfrage ist als das Zinsniveau. Zinsen haben einen gewissen Einfluss, wenn Spielraum besteht, sie zu senken. Beim aktuellen Zinsniveau sind nennenswerte Zinssenkungen jedoch kaum mehr möglich. Was allerdings ebenfalls einen gewissen Einfluss auf Investitionsentscheidungen zu haben scheint, sind Risikoprämien und Bonitätseinschätzungen von Unternehmen. 

Belasten wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Unternehmensprofitabilität und Bonität, wirkt sich dies negativ auf die Kreditnachfrage und damit auf private Ausrüstungsinvestitionen aus. In den vergangenen Jahren waren es vor allem große, global aufgestellte Unternehmen, die stabile Bilanzen und Bonitäten aufwiesen, weniger solche, die vom Produktionsstandort Deutschland abhängig sind. Gerade diese großen Unternehmen aber verfügen über eine breite Auswahl an Investitionsstandorten.

Das Wachstum des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland wird vor allem durch Exporte und damit durch globales Wachstum getrieben. Die lokale Nachfrage wird mittelfristig immer weniger entscheidend sein, während globale Standortüberlegungen immer bedeutender werden. Das Ziel von Wirtschafts- und Klimapolitik in Deutschland muss demnach vor allem sein, angebotsseitige Anreize zu schaffen, damit das hohe globale Wachstum zunehmend durch Investitionen in Deutschland bedient wird. 

Wünschenswert ist jedoch nicht nur die Verwendung von lokalem sondern auch von globalem Kapital: Internationale Investoren sollten sich trotz beziehungsweise zunehmend aufgrund klimafreundlicher Technologien entscheiden, in Deutschland zu investieren. Deutschland wäre dann nicht nur Vorbild in Sachen Umweltbewusstsein, sondern auch in Sachen attraktiver Investitionsstandort. So würde Deutschland auf globaler Ebene einen Beitrag für den Klimawandel leisten – auf der Angebots- und der Nachfrageseite. 

CO2-Preis rauf, Steuern runter

Doch wie kann das erreicht werden? Die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland aus Sicht in- und ausländischer Investoren muss im Kontext der Klimaziele bewahrt beziehungsweise ausgebaut werden. So sollten zum Beispiel CO2-Preise deutlich steigen und nicht selektiv gegensubventioniert werden. Der Klimaschutz braucht ein effektives Marktpreissignal. Gleichzeitig sollten die höheren Kosten durch eine niedrigere allgemeine Unternehmensteuer kompensiert werden, um den Wettbewerbsstandort Deutschland grundsätzlich zu stärken.

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Diese Kombination würde klare Anreize für klimafreundliche Investitionen bieten und die Notwendigkeit zunehmender Regulierung verringern. Geht es darum, Veränderungen tatkräftig voranzutreiben, darf der Fokus nicht auf Regulierung und negativen Anreizen liegen, sondern sollte sich auf globale Wachstumsimpulse zur dynamischen Veränderung der deutschen Wirtschaft konzentrieren.

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