Standort Deutschland Womit die Deutschen weltweit erfolgreich sind

Seite 2/3

Man darf also nicht vergessen, dass der Erfolg der Deutschen sich zu einem stattlichen Teil ihrer Hinterwäldlerei verdankt: Aus der Idee von sich selbst ist er erwachsen – und aus dem dörflichen Handwerk. Schon den römischen Historikern war bekannt, dass die Germanen keine Städte bewohnen, in ihnen nur Gräber für Lebende sahen. Tatsächlich liebten es unsere Vorfahren, nachdem sie aus dem Wald gekrochen waren, landsmannschaftlich klein, subsidiär, föderal, weshalb es heute noch so viele Müllers gibt und Schmidts und eine Renaissance der Tante-Emma-Läden – und weshalb die Deutschen bis heute lieber herstellen als Handel treiben, mehr Sympathie für Qualität aufbringen als für Wettbewerb.

In Zünften organisiert und mit Befähigungsnachweisen bewehrt, beschränkten die mittelalterlichen Handwerker nicht nur die Gewerbefreiheit; sie hielten und hoben auch das Niveau ihrer Meister. Ihr Fleiß und ihre Häuslichkeit, ihr Aufstiegsethos und ihr Qualitätsbewusstsein waren die Basis für den Welterfolg des deutschen Mittelstandes, der bis heute aus engen Schwarzwald-Tälern heraus seine Kraft entfaltet – und der bis heute die Aufzehrung seiner „inneren Werte“ durch die monetäre Profanität des angelsächsischen Kapitalismus fürchtet: „Die Deutschen waren noch nie bekannt dafür, dass sie Geld verdienen wollten“, so der Münchner Schriftsteller und Unternehmer Ernst-Wilhelm Händler: „Den Deutschen können Sie nicht zum Profit bringen, sein Herz ist dagegen.“

Wofür aber schlägt des Deutschen Herz? Das ist die falsche Frage. Denn der Deutschen Herz schlägt nicht für… – es schlägt aus Pflichtgefühl. Politisch gesehen, hat es uns nicht immer zum Vorteil gereicht. Ökonomisch gesehen schon. Die Deutschen sind „ehrlich, gründlich, ernsthaft, ordentlich, zuverlässig, pünktlich“; so steht es auf den Internet-Seiten des Architekturbüros Deutschland, einem Think-Tank von acht international tätigen Firmen, die sich als Botschafter einheimischer Architektur verstehen und die die Vorzüge deutscher Baumeisterei bewerben. Die berufliche Selbstbeschreibung der Nationalarchitekten fällt betont nüchtern aus; sie gründet auf „Professionalität, Seriosität und Qualität“. Ihr Ziel ist es, das Bewusstsein für deutsche Architektur zu schärfen – und „schlicht und einfach mit unserer Arbeit zu überzeugen“. Geht es deutscher?

Die Architekten knüpfen mit ihrer Selbstbewerbung ganz un-ironisch an den Made-in-Germany-Mythos an, den man sich weltweit erzählt, ob in Russland, Brasilien, Indien oder Nigeria: Die Deutschen sind gründlich, genau, solide und gewissenhaft, sie halten sich an Recht, Ordnung, Gesetz und Vertrag, sie arbeiten korrekt, profund, besonnen und fehlerfrei. Natürlich, sie übertreiben zuweilen. Sie zertifizieren Arbeitsschritte, normieren Bananen, schreiben vor, dass Windkraftanlagen einer Mitarbeiter-Toilette bedürfen. Und doch ist es gerade die Beflissenheit der Deutschen, aus der die Größe des Exportweltmeisters erwachsen ist: Der kultivierte Standard bringt Markenprodukte hervor. Das qualifizierte Mittelmaß behauptet sich auf dem Weltmarkt. Der gute Durchschnitt bürgt für Spitzenqualität.

Deutschland trumpft nicht mehr mit ideellem Überschuss, bellizistischem Eifer und demonstrativer Unterwerfungslust auf, sondern mit dem hohen Niveau seiner Normalität, seiner glückenden kleinbürgerlichen Alltäglichkeit. Oh ja, es ist hierzulande immer noch schick, gelegentlich die Nase zu rümpfen über die Mittelmäßigkeit der Deutschen – das verspricht Distinktion und Exklusivität. Die Rechte erhebt sich dabei vornehmlich über die Jugend, die über DJ Bobo und Charlotte Roche ihren Sinn für Mozart und Goethe verliert, die Linke vorzugsweise über die Alten, die dem Charme von Schützenfesten erliegen, weil sie nicht lieber Foucault lesen. Was beide Lager dabei vergessen, ist die Mittelmäßigkeit ihrer eigenen Argumentation. Denn Deutschland hat nie nur Standard produziert, sondern oft auch den Standard gesetzt – und gehalten.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%