Noch immer sind viele deutsche Start-ups auf Wagniskapital aus dem Ausland angewiesen. Insbesondere amerikanische Investoren dominieren die Fonds, aus denen Geld in die jungen Tech-Firmen fließt – doch kommt es zur Übernahme, ist der potenzielle Weltmarktführer von Morgen womöglich weg vom deutschen Markt. Mit einer neuen Initiative will die Regierung nun dafür sorgen, dass Innovationen „Made in Germany“ auch in Germany bleiben, zumindest im europäischen Markt. Doch nur wenige Tech-Firmen könnten von dem Vorhaben profitieren.
European Tech Champions Initiative (ETCI) heißt die Allianz, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit ihren französischen Amtskollegen vor drei Monaten bei einem Treffen in Paris geschmiedet haben, auch weitere EU-Staaten machen mit. Zehn Milliarden Euro wollen die Staaten in einem Fördertopf sammeln. Deutschland will sich daran mit bis zum 1,5 Milliarden Euro beteiligen, wie die Antwort von Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zeigt, die der WirtschaftsWoche vorliegt.
Finanzierungsrunden in dreistelliger Millionen-Höhe
Das Geld fließt dabei nicht direkt in die Start-ups, sondern die Initiative soll als Dachfonds aufgesetzt werden, der sich dann an Wagniskapitalfonds beteiligt. Daraus soll das Geld dann an deutsche Start-ups zurückfließen – in welcher Höhe, steht nach Giegolds Angaben bisher aber noch nicht fest. Die genaue Ausgestaltung der Initiative werde derzeit mit den beteiligten EU-Mitgliedstaaten sowie mit der Europäischen Investitionsbank erarbeitet, erklärt er.
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Mit der Initiative sollen zusätzlich private und öffentliche Mittel europäischer Investoren mobilisiert werden, und zwar in einem solchen Umfang, mit dem „Finanzierungsrunden in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe für Start-ups in Europa möglich sind“, erklärt Giegold. Doch fraglich ist, ob es von solchen Giga-Runden überhaupt genug in Deutschland gibt. „Das muss schnell geklärt werden“, fordert Thomas Jarzombek, Start-up-Experte der Unionsfraktion: „Sonst gehen deutsche Fonds und Gründerinnen und Gründer am Ende leer aus“.
52 Übernahmen durch US-Unternehmen
Dass es immer häufiger zum Ausverkauf der Innovationen kommt, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung EY. Demnach wurden im vergangenen Jahr 52 Übernahmen deutscher Jungunternehmen durch US-Unternehmen gezählt – 38 mehr als im Vorjahr. Unternehmen aus dem europäischen Ausland haben 49 deutsche Start-ups gekauft, asiatische Unternehmen kamen nur bei drei Deals zum Zuge.
„Das Interesse an deutschen Start-ups ist riesengroß – gerade im Ausland. Und es sind vor allem ausländische strategische Investoren, also Unternehmen, die deutsche Jungunternehmen kaufen, um ihr eigenes Produktportfolio zu erweitern“, sagte EY-Partner Thomas Prüver bei der Vorstellung der Studie im März.
Wann die europäische Tech-Champions-Initiative starten soll, steht nach Giegolds Angaben noch nicht fest. Die Gestaltung solle aber „zügig finalisiert“ werden, „damit die ETCI zeitnah erste Beteiligungen eingehen kann“, erklärt er.
Auch auf Bundesebene feilt die Ampel-Koalition derzeit unter Federführung der Start-up-Beauftragten Anna Christmann (Grüne) an einer Start-up-Strategie. In sechs Workshops war in den vergangenen Wochen mit Gründerinnen und Gründern, Investorinnen und Investoren sowie weiteren Stakeholdern über die Schwerpunkte diskutiert worden. Jetzt soll die Strategie zeitnah in die Ressortabstimmung gehen, um noch vor der Sommerpause verabschiedet zu werden.
Start-up-Gründung soll digitaler werden
Fest steht schon jetzt, dass Neugründungen weniger bürokratisch werden sollen. So kündigt Giegold ein notarielles Onlineverfahren zur Bargründung einer GmbH an. Zudem sollen Online-Beurkundungen von bestimmten Sachgründungen einer GmbH möglich werden, erklärt er. Dies würde auch für notarielle Beglaubigungen von Anmeldungen zum Handelsregister gelten sowie zum Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister.
Um den Gründungsprozess noch weiter zu digitalisieren, solle die Gründerplattform, das Netzwerk einheitlicher Ansprechpartner, digitale Anmelde-, Genehmigungs- und Registrierungsverfahren sowie das Zentrale Förderportal mit dem Portalverbund von Bund und Ländern „konsistent miteinander verknüpft werden“, erklärt er. Über das Zentrale Förderportal sollen Interessierte künftig Förderungen suchen, finden, beantragen und vollständig durchführen können. Gerade für Start-ups werde so „ein unbürokratischer, schneller und digitaler Zugang zu Förderungen und Finanzierungen geschaffen“.
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