Statt Rentenniveau bis 2040 Wie die Rente wirklich gerettet werden könnte

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Es braucht nur zwei Faktoren, um die Rente zu stabilisieren

4. Steuern

Status Quo: Obwohl Steuern nicht zu den offiziellen Stellschrauben des Rentensystem zählen, wird schon heute ein Drittel der gesetzlichen Rentenversicherung steuerfinanziert. Bislang darf der Steuerzuschuss nur für sogenannte versicherungsfremde Leistungen aufgewandt werden. Die umfassen etwa Witwen- und Witwerrenten, aber auch Frührenten oder Mütterrenten. Um ihren Vorstoß eines stabiles Rentenniveaus zu finanzieren, hat die SPD zuletzt höhere Steuerzuschüsse ins Spiel gebracht.

In Zahlen: Im Jahr 2016 beliefen sich die Bundeszuschüsse laut Hans-Böckler-Stiftung auf insgesamt 64,5 Milliarden Euro. Würde das stabile Rentenniveau nun alleine über Steuern finanziert, müssten nach Angaben der “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” die Steuerzuschüsse schon 2030 um 36 Milliarden Euro steigen. Im Jahr 2040 wären 75 Milliarden Euro zusätzlich nötig.

Bewertung: Würde das Rentensystem stärker über Steuern finanziert, würde auch das indirekt wieder die aktiven Arbeitnehmer belasten, die die Steuern zahlen. Damit kämen dieselben Probleme auf wie bei einer Erhöhung der Beitragssätze. Eine Finanzierung über eine Finanztransaktionssteuer, wie sie manche Linke nun ins Spiel bringen, wäre hingegen schwer umzusetzen und trifft zudem schon jetzt auf viel Kritik. So moniert etwa der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest: "Wenn man jetzt ankündigt, die Lasten durch Steuererhöhungen auf Besserverdiener oder Vermögen finanzieren zu wollen, ist das eine Aufforderung an alle, die besonders produktiv sind oder überlegen in Deutschland zu investieren, lieber ins Ausland zu gehen." Das sei "nicht die intelligenteste Art, die Sicherung der Renten anzugehen".

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von Kristina Antonia Schäfer

Was geschehen muss

Was könnte also eine Lösung sein? Wie der kurze Überblick gezeigt hat, wäre es eine zu große Belastung, nur eine der Stellschrauben zu betätigen. Zudem gibt es Stellschrauben, die nicht oder nur wenig gedreht werden sollten, um die Legitimität der Rentenversicherung nicht zu untergraben. Das betrifft insbesondere das Rentenniveau, wie Marcel Fratzscher erklärt, Chef des Wirtschaftsinstituts DIW Berlin: „Es ist wünschenswert und notwendig, das Rentenniveau langfristig zu stabilisieren.“ Auch die Beiträge könnten zwar in geringem Umfang steigen, aber nicht so stark, wie es nötig wäre, um eine einigermaßen stabile Rente zu garantieren. Ähnliches gilt für die Steuer. DIW-Chef Fratzscher bilanziert: „Weder eine starke Erhöhung der Beitragssätze, noch ein Absinken des Rentenniveaus, noch ein deutlicher Anstieg der Zuschüsse durch die Steuerzahler sind wirtschaftlich nachhaltige Optionen.“

Bleibt das Renteneintrittsalter, das schrittweise ansteigen muss. Wichtiger noch als es auf dem Papier immer weiter anzuheben, ist jedoch, das in der Realität zu tun. Und das heißt im Umkehrschluss: Menschen müssen Anreize erhalten, länger in Arbeit zu bleiben. Es handelt sich also auch um eine Frage des Arbeitsmarktes. IW-Finanzexperte Pimpertz schlägt etwa vor, gerade Handwerkern schon weit vor der Rente Fortbildungen anzubieten. So könne der vielzitierte Dachdeckermeister zwar noch immer nicht bis 70 auf dem Dach herumkraxeln, aber etwa Kollegen Fortbildungen über Materialkunde geben. Auch Frauen und Einwanderer sollten möglichst stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden werden, fordert DIW-Chef Fratzscher. Das schafft mehr Beitragszahler – und reduziert gleichzeitig das Risiko für Altersarmut, weil die Arbeitnehmer eigene Rentenansprüche sammeln.

Ein weiterer Aspekt, um Menschen länger in Arbeit zu halten, ist, ihnen keine Anreize für den Frühruhestand zu geben. Ökonomen wie Pimpertz oder auch Ex-Ifo-Chef Hans-Werner Sinn kritisieren die Rente mit 63 seit Jahren, weil sie leistungsfähige Arbeitnehmer frühzeitig vom Arbeitsmarkt fernhält. Stattdessen sollten für jeden Monat Frührente höhere Abschläge anfallen.

IW-Experte Pimpertz sagt, wenn alle Leute tatsächlich bis zum heute offiziellen Renteneintrittsalter arbeiten würden, würde das bereits genügen, um das Rentenniveau konstant zu halten. Und selbst wenn das nur bei der Hälfte gelänge, müsste das Rentenalter nur um wenige Jahre angehoben werden. Beiträge, Steuern und Rentenniveau könnten dabei sogar weitestgehend konstant bleiben.

So hoffnungsfroh das auch klingt, über eines darf es nicht hinwegtäuschen: Auch ein einigermaßen stabiles Rentenniveau wird nicht zum Leben reichen. Egal, wie alt sie sind, die Deutschen werden nicht darum herumkommen, privat vorzusorgen.

Wann Europäer in den Ruhestand dürfen
Stand heute arbeiten die Portugiesen am längsten. Quelle: REUTERS
Auch für die Iren zieht sich die Zeit bis zur Rente hin Quelle: AP/dpa
Nur Portugiesen und Iren arbeiten länger als die Deutschen. Quelle: dpa
Polnische Männer arbeiten mit 65,25 Jahren nur drei Monate weniger als aktuelle Neurentner in Deutschland Quelle: REUTERS
Unsere holländischen Nachbarn haben es da auch nicht viel besser Quelle: REUTERS
Gleich vier Länder haben nach OECD-Daten den 65. Geburtstag als Renteneintrittsalter festgelegt Quelle: dpa
Auch in Spanien dürfen Frauen wie Männer erst mit 65 in den Ruhestand. Quelle: AP

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