4. Rücksichtslose Fahrer sind Schuld am Stau
Wenn der Verkehr gerade noch flüssig läuft, kann ein einziger Autofahrer, der sich in Lücken drängelt und versucht zu überholen einen Stau auslösen, denn er produziert sogenannte Stoßwellen. „Der Fahrer hinter ihm bremst, dessen Hintermann muss auch bremsen“, erklärt Kuhnimhof. „Das schaukelt sich hoch und zehn Minuten später entsteht ein paar hundert Meter weiter hinten ein Stau.“ Häufige Tempo- und Spurwechsel und die daraus resultierenden Bremsmanöver befördern also die Stauentstehung.
Umgekehrt gilt allerdings auch: „Effizientes Verhalten der Verkehrsteilnehmer bei hoher Verkehrsdichte kann einen kleinen Beitrag zur Vermeidung von Staus leisten, aber nicht die in vielen Netzbereichen bestehenden Kapazitätsdichten kompensieren“, sagt Verkehrsforscher Geistefeldt.
Ursächlich für die Zunahme der Staus sind laut Geistefeldt insbesondere zwei Faktoren: Einerseits habe die gute wirtschaftliche Entwicklung in den vergangenen Jahren zu einer Zunahme des Verkehrsaufkommens geführt, vor allem in den Ballungsräumen. Andererseits sorgten Bautätigkeiten aufgrund des hohen Sanierungs- und Ausbaubedarfs für zusätzliche Engpässe im Autobahnnetz. Ist also zumindest auf absehbare Zeit Besserung in Sicht?
5. Mehr Spuren helfen
Eine zusätzliche Spur auf der Autobahn entlastet den Verkehr – allerdings nur kurzfristig. Der Ausbau des Verkehrssystems führt langfristig dazu, dass es mehr Verkehr gibt. Das lässt sich seit Jahrzenten beobachten. „Was im Volksmund gilt, ist mittlerweile auch unter Verkehrsforschern unbestritten“, sagt Tobias Kuhnimhof. „Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten.“ Die Fachwelt spricht in diesem Zusammenhang von induziertem Verkehr.
Dahinter steckt ein simpler Zusammenhang: Über die Jahrhunderte habe es sich eingependelt, dass die Menschen circa 80 Minuten am Tag auf Mobilität verwendeten – das gelte weltweit in unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Als Pferdekutschen das Hauptverkehrsmittel waren, kam man damit nicht allzu weit. In den 1970ern lag die zurückgelegte Strecke in diesen 80 Minuten bereits zwischen 20 und 30 Kilometern. Heute legt ein Mensch im Schnitt 40 Kilometer pro Tag zurück. „Die Reisezeit bleibt in etwa konstant“, erklärt Kuhnimhof. „Wenn die Verkehrssysteme schneller werden, fahren wir weiter.“
6. Weniger Stau dank Tempolimit
Bei Geschwindigkeiten zwischen 80 und 100 km/h fließt der Verkehr am effizientesten, darüber sind sich Verkehrsforscher einig. Im Optimum trägt ein Fahrstreifen bei diesen Geschwindigkeiten pro Stunde 1800 bis 2400 Fahrzeuge. Bei höheren Geschwindigkeiten müssen die Sicherheitsabstände zwischen den Fahrzeugen größer werden – und es finden weniger Fahrzeuge auf dem Fahrstreckenabschnitt Platz. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Stau kommt. So weit, so unbestritten.
Das sind Deutschlands Stau-Hochburgen
München
In der bayerischen Landeshauptstadt standen Bürger und Pendler laut des Staureports des Verkehrsdatenanbieters Inrix im Jahr 2017 besonders lange im Stau. Die Stauminuten summierten sich auf insgesamt 51 Stunden. Damit verbrachten Autofahrer 16 Prozent der Verkehrszeit im Stau.
Quelle: Inrix Global Traffic Scorecard 2017
Hamburg
44 Stunden Stau gab es 2017 auf Hamburgs Straßen. Damit ist die Hansestadt Stau-Stadt Nummer zwei. Die Stadt musste einen starken Anstieg der Staustunden hinnehmen. Im Jahr 2016 waren es nämlich noch 39. In stockendem Tempo oder in völligem Stau verbrachten die Verkehrsteilnehmer 14 Prozent der Verkehrszeit.
Berlin
Die Bundeshauptstadt kam 2017 auf 44 Stau-Stunden. 2016 waren es noch 38. Die Gesamtkosten für die Stadt, die dadurch entstanden sind, betragen 6,9 Milliarden Euro. Somit litt Berlin finanziell am stärksten.
Stuttgart
Dreizehn Prozent ihrer Fahrzeit verbrachten Autofahrer in Stuttgart im Stau. Das kostete die Stadt jedoch nur 918 Millionen. Das ist wenig im Vergleich zu den Top-3-Städten, denen mindestens Kosten von 2,9 Milliarden entstanden sind.
Ruhrgebiet
Im Ruhrgebiet sind die Städte so nah beieinander, dass sie im Ranking als Einheit gezählt werden. Wer also zwischen Dortmund, Essen und Co hin und her fahren wollte, stand zehn Prozent seiner Fahrzeit im Stau. Aufs Jahr gerechnet kamen so 40 Stau-Stunden zusammen.
Allerdings herrscht an den meisten Punkten in Deutschland, an denen die Staugefährdung besonders hoch ist, bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung, betont Kuhimhof. Auf Autobahnen regeln dynamische Verkehrszeichen den Verkehr auf 120 km/h, bei Bedarf auch auf 100 km/h oder auf 80 km/h. „Diese Maßnahme dient dazu, die Geschwindigkeit so zu regeln, dass Lkw und Pkw ähnliche Geschwindigkeiten haben, was trotz hoher Kapazitätsauslastung dazu beiträgt, Stau zu verhindern“, erklärt er. Ob ein allgemeines Tempolimit bezüglich der Stau-Problematik Abhilfe schafft, ist also fraglich, gilt es an den meisten neuralgischen Punkten doch bereits. Mit Blick auf Umwelt- und Personenschutz wäre es in jedem Fall hilfreich.
Was wirklich hilft
Zürich hat die Stauproblematik innerhalb der Innenstadt mit einer einfachen Maßnahme erfolgreich bekämpft: Es hat die Zahl der Parkplätze begrenzt. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta müssen sich die Autofahrer abwechseln: An manchen Tagen dürfen nur diejenigen mit einem geraden, an anderen nur diejenigen mit einem ungeraden Nummernschild in die Stadt hineinfahren. Und in Singapur existiert eine Citymaut, die die Fahrt in die Stadt zu besonders verkehrsintensiven Zeiten teurer macht.
„All diese Maßnahmen sorgen dafür, dass sich Autofahrer Alternativen suchen, um zum Zielort zu gelangen“, sagt Kuhnimhof. Gerade wenn es in den Städten voller wird, zeigt sich: Das Auto ist ein sehr ineffizientes Verkehrsmittel. Im Durchschnitt sitzen 1,5 Personen in einem Pkw, bewegt wird er nur drei Prozent seiner Lebenszeit und trotzdem nimmt er viel Platz ein. „Wenn es darum geht, 1000 Menschen durch die Stadt zu bringen, sind S-Bahnen und Busse deutlich platzsparender als Autos – selbst wenn die Autos voll ausgelastet wären“, sagt Kuhnimhof. Deswegen plädiert er für eine intelligente Citymaut ähnlich wie in Singapur. Allerdings tun sich Politik und Verkehrsplanung nach wie vor schwer damit, solche unpopulären Maßnahmen durchzusetzen.