Steigende Infektionszahlen Österreich schickt Ungeimpfte in den Lockdown – und Deutschland?

Quelle: imago images/IlluPics

Während in Österreich Ungeimpfte wieder in den Lockdown müssen, diskutiert Deutschland über die richtigen Waffen gegen die stark steigenden Coronainfektionen im Land. „2G für fast alles“ wird auch von Berlin gefordert.

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Im Kampf gegen die rasche Ausbreitung des Coronavirus hat die österreichische Regierung ab Montag 0.00 Uhr einen landesweiten Lockdown für Ungeimpfte angeordnet. Nicht gegen das Coronavirus Geimpfte ab zwölf Jahre dürfen ihr Zuhause demnach nur noch aus dringenden Gründen verlassen, etwa zur Arbeit, zum Einkauf von Lebensmitteln oder für einen Spaziergang – oder um sich impfen zu lassen.

Österreichs Behörden befürchten, dass die Krankenhäuser den Zustrom von Corona-Patienten bald nicht mehr bewältigen können. Es sei der Job der Regierung, die Menschen zu schützen, sagte Bundeskanzler Alexander Schallenberg am Sonntag in Wien. Deshalb sei der Lockdown für die Ungeimpften beschlossen worden. Er gelte zunächst für zehn Tage. Die Polizei sei zu Personenkontrollen aufgefordert worden. Wer sich nicht an die Vorschrift hält, dem droht eine Geldstrafe bis 1450 Euro.

Betroffen sind laut einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA etwa zwei Millionen der 8,9 Millionen Bewohner des Landes. Kinder unter zwölf sind ausgenommen, da für sie noch kein Impfstoff zugelassen ist.

Zunehmend erkranken auch Geimpfte am Coronavirus. Dabei ist das Risiko eines Impfdurchbruchs immer noch gering. Doch bei einem Impfstoff gibt es auffällig viele Durchbrüche.
von Jürgen Salz

In Österreich sind nur etwa 65 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft. In den vergangenen Wochen ist die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus deutlich angestiegen. Am Sonntag wurden 11 552 neue Fälle gemeldet, eine Woche zuvor lag die Zahl noch bei 8554. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner wurde mit 775,5 angegeben. In Deutschland lag sie am Sonntag bei 289. Zwar deutlich geringer, aber dennoch für Deutschland ein neuer Höchstwert in der Pandemie.

Corona-Lage droht auch in Deutschland zu entgleiten

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet seit Tagen starke Zuwächse bei den Corona-Fallzahlen. Am Sonntag wurden 33.498 neue Positiv-Tests mitgeteilt, knapp 10.000 mehr als vor Wochenfrist. Zuletzt hatte das RKI eine erneut gestiegene Hospitalisierungsrate von 4,70 genannt. Der Wert gibt an, in wie vielen Fällen Corona-Patienten innerhalb einer Woche je 100.000 Einwohner mit schweren Erkrankungen in Krankenhäuser eingeliefert werden.

Infolgedessen wird auch in Deutschland darüber diskutiert, wie sich die neue Corona-Infektionswelle brechen ließe. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kündigte am Sonntag angesichts der dramatisch steigender Neuinfektionen schärfere Corona-Regeln für den Freistaat an und fordert dies auch bundesweit. „Die Lage droht im gesamten Land zu entgleiten“, sagte der CSU-Vorsitzende am Sonntag in München. Man könne davon ausgehen, „dass Deutschland zu einem Sorgenkind in der Europäischen Union wird“. Bund, Länder und Kommunen müssten jetzt zusammen entschlossen handeln. Bayern selbst werde mit einer neuen Verordnung ab Dienstag die Regeln nochmals verschärfen. Dann gelte „2G für fast alles“. So sollen auch in Gastronomie und Hotels nur noch Geimpfte oder Genesene (2G) Zutritt erhalten. Bislang gilt das nur für Veranstaltungen. Für Discotheken und Klubs müsse zusätzlich ein Schnelltest (2G+) vorgezeigt werden.



Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) lehnt die Einführung einer derartigen 2G-plus-Regel bei öffentlichen Veranstaltungen ab. Man sollte nicht den Geimpften, „die alles für den Gesundheitsschutz getan haben, jetzt als erstes die nächste Pflicht auferlegen“, sagte Wüst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Wichtiger sei der Blick auf die Nichtgeimpften. „Wir müssen dafür werben, dass sich mehr Menschen impfen lassen“, sagte Wüst, der im Moment auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte sich zuletzt dafür ausgesprochen, für öffentliche Veranstaltungen das Prinzip 2G plus einzuführen.

Bei dem Bund-Länder-Treffen am Donnerstag will Wüst aber auf die Einführung einer bundesweit einheitlichen 2G-Regel pochen. Das würde bedeuten, dass Ungeimpfte zu bestimmten Veranstaltungen keinen Zutritt mehr hätten. „Wir brauchen vergleichbare Maßnahmen in den Ländern, um die vierte Welle zu brechen“, sagte er.

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von Andreas Macho

Die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP wollen diese Woche das Infektionsschutzgesetz im Bundestag novellieren. Damit sollen die Möglichkeiten der Länder für Maßnahmen eingegrenzt werden. So soll es nach bisheriger Planung keine Lockdowns, flächendeckenden Schulschließungen und Ausgangssperren mehr geben können. Als Argument wird angeführt, dass solche harten Maßnahmen keinen Bestand vor Gericht hätten. Die Reform des Infektionsschutzgesetzes soll diese Woche im Bundestag beschlossen werden. Am Donnerstag wollen Bund und Länder in einer Spitzenrunde über die Corona-Politik beraten.

„Es ist sehr gut möglich und ich würde es an Stellen auch befürworten, dass wir den Gesetzentwurf noch mal nachschärfen“, wurde die SPD-Vorsitzende Saksia Esken von der ARD zitiert. FDP-Chef Christian Lindner sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, wenn bei der Beratung des neuen Infektionsschutzgesetzes im Bundestag „sinnvolle Ergänzungen vorgeschlagen werden, sind die Freien Demokraten auch immer dafür offen“. Impfdurchbrüche und Infektionsdynamik begründeten „eine neue Lage, auf die reagiert werden muss“, betonte der FDP-Chef. „Wir benötigen neue und wirksame Maßnahmen.“

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Drei Landesgesundheitsminister der Grünen kritisierten, dass SPD, Grüne und FDP im Bund die Corona-Ausnahmesituation am 25. November auslaufen lassen wollen. Auch die Unionsfraktion im Bundestag lehnte dies ab. Harte Kritik äußerte auch Söder an den Ampel-Parteien. „Das Ausrufen des Endes der epidemischen Lage ist in jeder Beziehung der falsche Weg“, sagte er. Damit werde der Ernst der Lage verharmlost. Die Lage sei dramatisch. „Das Gesundheitssystem wird nicht mehr lange halten“, warnte Söder. „Es droht ein Kollaps.“ Der Appell der Mediziner, die Regeln deutlich zu verschärfen und anzupassen, müsse Ernst genommen werden.

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