Ist der Verbraucherpreisindex dann überhaupt noch die passende Richtlinie der Geldentwertung für Politik und Notenbank?
Nein. Die Orientierung an den Verbraucherpreisen ist zumindest teilweise irreführend. Denn die Verbraucherpreise geben die Kaufkraftentwicklung eben nicht exakt wieder. Die Geldentwertung findet zum großen Teil nicht bei den Verbrauchsgütern statt, sondern bei den Vermögensgütern, die zu investiven Zwecken gehalten werden. Eine der Funktionen des Geldes ist schließlich auch die Wertaufbewahrung, neben der Verwendung als Tauschmittel. Wenn die Vermögenspreise wie derzeit durch die Decke schießen, dann sollte das auch in der politischen Diskussion wahrgenommen werden
Dass das nicht geschieht, könnte mit ganz handfesten politischen Interessen zu tun haben. „Die Inflation ist die Hölle der Gläubiger und das Paradies der Schuldner“, sagte André Kostolany.
Zumindest ist es ein willkommener Effekt für die verschuldeten Staaten, wenn die Inflation weniger stark erscheint, als sie tatsächlich ist, so dass die Geldschleusen weiter geöffnet bleiben können und die Schulden an Wert verlieren. Für die EZB ist es sicher auch ein Nebenziel, die Refinanzierung der Peripheriestaaten der Eurozone zu ermöglichen. Wenn eine hohe Inflation die EZB dazu zwingen würde, die Zinsen wieder anzuheben, wäre die Refinanzierungsmöglichkeit für Griechenland und andere Eurostaaten nicht mehr so gegeben wie jetzt.
Welche sozialen Auswirkungen haben die steigenden Vermögenspreise?
Das Auseinanderklaffen von Arm und Reich wird durch die im Vergleich zu den Verbraucherpreisen viel stärker steigenden Vermögenspreise befeuert. Haushalte mit hohem Immobilien- und Betriebsvermögen profitieren besonders. Die Immobilienpreise stiegen um 5,8 Prozent, Betriebsvermögen um 14,4 Prozent, Finanzvermögen um 17,6 Prozent. Sparvermögen und Rentenwerte dagegen werden nur wenig teurer. Vor allem die hohen Preissteigerungsraten bei Immobilien spielen den Vermögenden in die Karten, die in aller Regel schon Wohnimmobilien haben. Angelockt werden natürlich auch Investoren, die Immobilien als Renditeobjekt nutzen, was die Preise weiter antreibt.
Unterm Strich stiegen die Preise des Vermögens der wohlhabendsten Haushalte im jahresvergleich um 7,6 Prozent. Die Menschen aber, die über kaum Vermögen verfügen, vor allem diejenigen, die weder Betriebs- noch Immobilienvermögen haben, sind die Gekniffenen dieser unbeachteten Inflation.
Ein ähnlicher Effekt zeigt sich auch im Altersquerschnitt. Ältere Menschen haben im Schnitt mehr Vermögen als jüngere und profitieren daher. Haushalte mit Referenzpersonen zwischen 55 und 64 Jahren erleben derzeit eine Preissteigerung ihres Vermögens von 7,2 Prozent im Jahresvergleich, während 25- bis 34 Jährige mit einem Preisanstieg von 4,6 Prozent deutlich zurückliegen. Der Vermögensaufbau junger Haushalte wird durch die schnell steigenden Preise also zusätzlich erschwert.
Wird die Preissteigerung bei Immobilien weitergehen?
Ich halte das Preisniveau mittlerweile für bedenklich. Sollte die Zinswende kommen, was allerdings so bald nicht zu erwarten ist aufgrund der erwähnten Motive der Zentralbank, dürften die Immobilienpreise relativ schnell einknicken.