Steinbrück, Gabriel, Steinmeier Die drei SPD-Kandidaten im Kanzler-Check

Wer wird Kanzlerkandidat der SPD? Offiziell ist das kein Thema, aber wenn Peer Steinbrück heute seine Parteitagsrede hält, geht es in Wahrheit um nichts anderes. Die Stärken und Schwächen der Kandidaten im Überblick.

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Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel oder Frank Walter Steinmeier: Wer macht das Rennen? Quelle: dpa

Düsseldorf Zwar wird erst im Herbst 2013 gewählt, aber schon jetzt bewegt eine Frage die Republik: Wer wird Kanzlerkandidat der SPD? Sah es nach dem Erfolg Klaus Wowereits in Berlin zwischenzeitlich nach einem Vierkampf aus, werden inzwischen wieder nur noch drei Kandidaten gehandelt: Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier und der frühere Finanzminister Peer Steinbrück.

Gabriel hat als Parteichef das erste Zugriffsrecht und genießt in der SPD den meisten Rückhalt. In der Bevölkerung aber sind die Beliebtheitswerte seiner Konkurrenten besser. Vor allem Peer Steinbrück kommt bei den Menschen gut an. Er gilt als ein Kandidat der Mitte, könnte Bundeskanzlerin Merkel im Wahlkampf das Leben schwer machen. Aber die Partei mag ihn nicht, vor allem die Parteilinke lehnt ihn ab.

Bleibt noch Frank-Walter Steinmeier, der Wahlverlierer von 2009. Er hat inzwischen an Profil gewonnen – und seit er seiner Frau eine Niere spendete an Beliebtheit. Er könnte am Ende der lachende Dritte sein.

Drei Kandidaten, jeder hat seine Stärken, jeder seine Schwächen. Der Kanzler-Check:


Außenwirkung und Bürgerbeliebtheit

Sigmar Gabriel ist schon aufgrund seiner Statur kaum zu übersehen. Auch sonst versuchte der SPD-Mann mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf sich aufmerksam zu machen. Unvergessen ist Gabriels Ernennung zum Pop-Beauftragten der SPD und die Übernahme der Patenschaft für den inzwischen verstorbenen Berliner Eisbären Knut. Für das Jungtier posierte Gabriel vor Kameras und verband seinen Einsatz zugleich mit der Forderung nach größeren Anstrengungen gegen den Klimawandel. Inzwischen hat sich Gabriel etwas mehr Zurückhaltung auferlegt. Doch als Parteichef ist er natürlich qua Amt eine Art Hans Dampf in allen Gassen. Gebracht hat es Gabriel allerdings bislang nicht so viel. Laut ZDF-Politbarometer vom November 2011 liegt er in der Beliebtheitsskala auf Platz sechs – und damit hinter Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier.

Letzterer galt viele Jahre als Technokrat – als Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder zog er eher im Hintergrund die Fäden. Erst als Außenminister der großen Koalition gewann Steinmeier an Profil – und an Beliebtheit. Als Kanzlerkandidat bei der letzten Bundestagswahl musste er plötzlich Wahlkampf führen, was Steinmeier zumindest anfangs schwerfiel. Im vergangenen Jahr gewann er zusätzliche Sympathien als er verkündete, dass er seiner kranken Frau Elke Büdenbender eine Niere spenden würde. Für Operation und Genesung setzte er mehrere Wochen als Fraktionschef aus. Eine Geschichte, die – ähnlich wie Franz Münteferings Ausstieg aus der Politik, als er seine krebskranke Frau betreute – die Menschen anrührte und die Gazetten beherrschte. 

Gerade Linie, Klare Kante – so wird Peer Steinbrück in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Der Hanseat ist ein Meister der Selbstvermarktung. Er hat sich in den vergangen zwei Jahren vor allem als Anti-Politiker profiliert. Steinbrück trat so häufig als Buchautor in Erscheinung, dass man fast vergessen hatte, dass der Mann noch immer als einfacher Abgeordneter Mitglied des Bundestages ist.

2010 war Steinbrück mit dem eigenen Buch „Unterm Strich“ auf Lesereise. Vor immer vollen Sälen erläuterte er dabei seine Ansichten  zur Wirtschafts- und Bankenkrise. In diesem Jahr dann erschien der Titel „Zug um Zug“, in dem Steinbrück einen Dialog mit Altkanzler Helmut Schmidt führt. Das Buch enthielt den Ritterschlag: Schmidt riet der SPD, Steinbrück bei der Wahl 2013 zum Kanzlerkandidaten zu machen. In der Talkshow von Günther Jauch wiederholte Schmidt seine Empfehlung vor einem Millionenpublikum. Die Parteilinke murrte, aber im öffentlichen Ansehen hat der Einsatz des Altkanzlers Steinbrück nicht geschadet.

Wirtschaftskompetenz

Gabriel hat Wirtschaft nicht gelernt. Der SPD-Mann studierte auf Lehramt die Fächer Germanistik, Politik und Soziologie. Somit ist Gabriel in Wirtschaftsfragen Autodidakt. Und er ist Themen-Allrounder: Als einstiger Ministerpräsident (von Niedersachsen) musste er sich auch und vor allem auf den Feldern Wirtschaft und Finanzen beweisen. Als SPD-Chef steht Gabriel für eine Wirtschaftspolitik mit „Maß und Mitte“. Das betrifft vor allem die Steuerpolitik. Gabriel lehnt eine Reichensteuer ab, die die Parteilinke nach einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes beibehalten will. Er steht für eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent sowie eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer.

Steinmeiers Verhältnis zur Wirtschaft hängt im Wesentlichen mit einem einzigen Projekt zusammen: Der Agenda 2010. Das Reformwerk hat er als Kanzleramtsminister in wesentlichen Teilen konzipiert. Noch immer steht er dazu. „Die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts würde ich genau so wieder machen“, sagte er auch vor Gewerkschaftern. Dass Steinmeier  in der Rezession 2009 auch für Abwrackprämie und Kurzarbeit eingetreten war, haben viele inzwischen vergessen.

An Steinbrück führt beim Thema Wirtschaftskompetenz  kein Weg vorbei. Der Diplomvolkswirt gilt als Mann der Wirtschaft, seine Kompetenzwerte sind in keinem Bereich so groß, wie in diesem. Zu seinem tadellosen Ruf in Wirtschaftsfragen hat ohne Zweifel beigetragen, dass Steinbrück als Finanzminister nach der Lehman-Pleite die Ruhe bewarte, und Deutschland fehlerfrei durch die Krise führte. Unvergessen ist der gemeinsame Auftritt mit Merkel, in dem Steinbrück den Sparern versprach, dass ihre Einlangen sich sind. Wenn Wirtschaftskompetenz das entscheidende Kriterium wäre, hieße der nächste Bundeskanzler zweifellos Peer Steinbrück.

Führungsqualität

Gabriel gilt als wenig staatsmännisch, etwas sprunghaft und oft zu lautsprecherisch. Aber als Bundesumweltminister hat er gezeigt, dass er sich in hohe Ämter mit harter Disziplin hineinknien kann und sich so Respekt und Ansehen erarbeitet - auch beim politischen Gegner. Dem SPD-Chef wird denn auch ein starkes Ego nachgesagt, daher sollte man ihn in der K-Frage nicht vorschnell abschreiben. Mit seinem Wahlergebnis beim Parteitag in Berlin von 91,6 Prozent am Montag ist der Mann aus Goslar, der 1977 in die SPD eintrat, weiter im Rennen. Wenngleich er mit dem etwas schlechteren Ergebnis als bei seiner Wahl 2009 in Dresden, wo er 94,2 Prozent bekam, nicht ganz glücklich wirkte.

Steinmeier wirkte viele Jahre im Hintergrund – deshalb wurde er lange unterschätzt. Dass er allerdings auch den Willen zur Macht besitzt, bewies er am Abend der verlorenen Bundestagswahl 2009, als er handstreichartig den Fraktionsvorsitz der SPD für sich reklamierte. Seither führt er die Fraktion verlässlich und geräuschlos – auch dass muss man in der SPD erst einmal schaffen.

Steinbrück muss eine Führungsqualitäten erst noch beweisen. Die spannende Frage wird sein, ob er in der Lage ist, die Partei hinter sich zu scharen. Zwar nahm er es als Finanzminister sogar mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, mit der er stets auf Augenhöhe agierte. Mit der Basis der SPD aber fremdelt er. Auch den Job des Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen hat Steinbrück nicht bekommen, indem er die Massen mobilisierte. Eher war eine Portion Glück im Spiel. Als Wolfgang Clement als Superminister nach Berlin wechselte, hatte sein potenzieller Nachfolger Harald Schartau kein Landtagsmandat, weshalb der SPD-Landeschef nicht als Ministerpräsident antreten durfte. Der Ersatzmann war Steinbrück.

Regierungserfahrung

Mit 40 Jahren wurde Gabriel 1999 Deutschlands jüngster Länder-Regierungschef in Hannover, 2003 jagten ihn die Wähler aber schon wieder aus dem Amt. In Berlin brachte es der gewichtige Niedersachse, der vor der Politik als Berufsschullehrer tätig war und mit einer Zahnärztin aus Magdeburg liiert ist, zunächst nur zum bespöttelten SPD-Pop-Beauftragten.

Eher überraschend kam dann 2005 die Berufung zum Umweltminister. Er brachte den Klimaschutz nach ganz oben auf die Agenda. Und sein Kampf gegen längere Atomlaufzeiten im Wahlkampf 2009 brachte ihn erst in die Favoritenrolle bei der Suche nach einem Nachfolger von Franz Müntefering als Parteichef. Gabriel ist einer, der schnell Stimmungen erkennen kann und aufgreift. So organisierte er mit Generalsekretärin Andrea Nahles eine Parteireform, um den Mitgliedern mehr Mitsprache zu geben, den Aderlass bei den Mitgliedern zu stoppen und leblose Ortsvereine zu revitalisieren.

Steinmeier kann zwar mit Top-Jobs punkten, hat aber nie selbst eine Regierung geführt. Er war ein Zögling Gerhard Schröders, und unter dem Kanzler Schröder startete er 1998 in der rot-grünen Koalition als Staatssekretär im Kanzleramt. In der Großen Koalition war er unter Kanzlerin Merkel dann Außenminister – und errang hohes Ansehen. Nach dem Rücktritt von Franz Müntefering 2007 übernahm er schließlich noch den Job des Vize-Kanzlers – in einer Elefantenehe von CDU und SPD ist das immerhin mehr als nur ein Ehrentitel.

Peer Steinbrück verfügt über viele Jahre Regierungserfahrung – sowohl als einfacher Minister als auch als Regierungschef. Seine Ministerlaufbahn begann 1993, als er in Schleswig-Holstein zum Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr ernannt wurde. Bis 1998 übte er dieses Amt aus, bevor er nach Nordrhein-Westfalen ging, wo er Wirtschafts- und später Finanzminister wurde. Ab 2002 dann führte er die Landesregierung als Ministerpräsident des größten deutschen Bundeslandes. Seine Amtszeit endete mit einem Desaster: Bei der Landtagswahl 2005 fuhr er mit 37 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD nach 1954 ein und wurde durch Jürgen Rüttgers (CDU) abgelöst. Doch Steinbrück blieb nicht lange ohne Amt: Als CDU und SPD im November 2005 die große Koalition bildeten, wurde er als Finanzminister nach Berlin berufen.


Rückhalt in den eigenen Reihen

Auf dem SPD-Parteitag hat Gabriel durchaus Punkte gesammelt. Ihm gelingt das persönliche Kunststück, sich Zurückhaltung aufzuerlegen. Mit Generalsekretärin Andrea Nahles teilt er sich den minutenlangen Applaus nach seiner Rede, holt sie zu sich auf die Bühne. Die einstige Galionsfrau der Parteilinken wird von diesen nicht mehr geliebt, bei den Parteirechten hat sie unversöhnliche Gegner. Reibereien zwischen Gabriel und Nahles sind bisher kaum nach außen gedrungen.

Alle Probleme hat der Parteichef aber bei weitem nicht ausgeräumt. Die Linken liegen mit Gabriel in der Steuerpolitik über Kreuz. Sie wollen den Spitzensteuersatz anheben und eine zusätzliche Reichensteuer durchsetzen. Gabriel versucht, Maß und Mitte zu bewahren und es sich nicht mit den Vermögenden zu verscherzen.

Seine schwierigste Aufgabe dürfte es im kommenden Jahr werden, bei der Kür des Kanzlerkandidaten für 2013 die Zügel in der Hand zu behalten.

Steinmeier besitzt zwar Rückhalt in der Partei – war aber zugleich auch der Architekt der Hartz-Reformen. Die Linke nimmt ihm das übel, und ohnehin ist das ein Kapitel, mit dem die SPD am liebsten ein für alle mal abschließen möchte.

Am Ende könnte Steinmeier aber dennoch aus strategischen Gründen als Sieger aus dem Dreierrennen hervorgehen – er liegt mit seinen Fähigkeiten und seinem Ansehen in der goldenen Mitte zwischen Sigmar Gabriel einerseits und Peer Steinbrück andererseits. Am Ende wäre Steinmeier ein guter Kompromisskandidat.

Peer Steinbrück tut sich mit der SPD schwer. Er polarisiert nach innen zu stark, und vor allem die Parteilinke kann sich mit dem Wirtschaftsliberalen nicht anfreunden. Aber auch in konservativeren SPD-Kreisen gibt man sich reserviert. Steinbrücks „Er kann es“-Interview mit Helmut Schmidt hat in der gesamten Partei eine gewisse Trotzhaltung hervorgerufen. Denn eine Sache steht für die Sozialdemokraten fest: Über den Kanzlerkandidaten entscheiden wir!

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